Föhren glühen

[47] Im frostigen Herbstgebrause,

Von Nebelregen umgraut,

Düster träumte die Föhre/

Wie eine verlassene Braut.


Auf einmal spaltet die Sonne

Blaugraue Wolkenfetzen,

Mit goldiger Abendflamme

Das Föhrenhaupt zu netzen.


Da rinnt durch starre Adern

Ein Hauch von Jugendglut;

Zum Antlitz wallt es zärtlich,

Stürmisch schmachtendes Blut.


Der Stamm und alle Zweige

Erglühen purpurrot,

Als weihe träumend sich die Braut

Dem Liebesflammentod.


Nun lischt der hehre Feuerball,

In Wolkenklüfte versunken ...

Die Föhre starrt dem Liebsten nach

Verzückt und flammentrunken.
[48]

Es war nur ein flüchtig Umfangen,

Ein Flackern; doch war's einmal

Und lohnt die Seufzer alle

In grauer Lebensqual.


So komm denn, Nacht und Öde,

Umhülle den Föhrenbaum/

Er trägt an seligem Herzen

Gestillter Liebe Traum.

Quelle:
Bruno Wille: Der heilige Hain. Jena 1908, S. 47-49.
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