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[181] Granada. Nächtlicher Garten. Terrasse eines Schlosses.
FAUST als spanischer Ritter. Das ist die Geisterstunde; süßer, sel'ger nie erlebt' ich eine. Granatbaum duftet, Nachtigall seufzt und flötet in seinen dämmernden Zweigen. Wie ein weißes Meer der Seligkeit wogen und wallen die Düfte der Orange. Prachtschloß der Mendozas, so liegst Du vor mir, ein gewaltiger Coloß! Donna Clara, Ihr ruht weich gebettet im seidnen Pflaum. Ich liebe Euch; bei den Ruinen des Alhambra, ich liebe Euch, bete Euch innigst an; aber diese Anbetung soll mich nicht hindern, der kleinen Pedronella ein verliebtes Ständchen zu bringen:
Pedronella, meine Kleine,
Bist Du gleich ein dienend Mädchen,
Harr' ich doch an Deinem Fenster,
Ich der Stern von allen Granden.
[181]
Was Teufel dort für ein Rauschen in den Lorbeerzweigen! Ein streifender Schatten! Wie? Gar ein Nebenbuhler? Verwünschter Rival, Dich belaur' ich!
RUY PEREZ tritt auf mit der Cither.
Pedronella, süßes Leben,
Liebesglocke hat geschlagen.
Unter duftenden Orangen
Hauch' ich Dir mein süßes Wehe!
STIMME am dunklen Fenster. Bist Du es, Ruy? Still, um aller Heiligen willen! Dir öffn' ich gleich.
FAUST.
Wie? Hört' ich recht? »Dir öffn' ich,« sagt die Dirne?
Mich aber läßt sie mein Canzönchen leiern
Und denkt dabei: »So spiel' Du bis am Morgen?« –
Verfluchter Hohn! Ich Faust, der beste Ritter,
Von Donna Clara, Spaniens schönster Blume,
Geliebt, gesucht, verfolgt und angebetet, –
Hier, wo sich's um ein Kammerkätzchen handelt,
Von einem Lump von Stallknecht ausgestochen?
Vorspringend.
Halt, Lump, Mistkäfer, schäbigster Gesell Du
Vom ganzen Troßknechthofstaat der Mendozas!
Dir lehr' ich, wie Du künftig Pferden pfeifest.
RUY PEREZ. Wahrt Euch, Herr Ritter, denn ich führ' auch[182] ein Schwert. In Spanien bringt man nie unbewehrt ein Ständchen.
FAUST. Zum Teufel send' ich Dich und Dein Schätzchen, das falsche Kätzchen! Vertheidige Dich, spanischer Hund!
RUY PEREZ. Ei, das will ich, Ritter, und wohl mehr als dies.
STIMME AM FENSTER. Ruy, mein Ruy, Hilfe, Hilfe, der deutsche Bösewicht ermordet ihn!
Sie fechten. Der Stallknecht fällt.
CASPAR kommt gelaufen. Herr, ich bitt Euch, eilt fort; wir sind verloren! Es nahen Fackeln; Edle, Damen, Ritter, Knechte in Menge. Donna Clara de Mendoza, sie hat Alles vernommen, sie eilt hieher, von Rache und bitterm Groll überwallend.
FAUST. So bleib' ich, Caspar, mein Schwert gesenkt auf diesen blut'gen Leichnam! Rache gegen Rache, Groll gegen Groll, Hohn gegen Hohn! Auch diese Rose also verloren?? –
PEDRONELLA mit aufgelöstem Haar stürzt über den Leichnam.
DONNA CLARA kommt mit Gefolge.
Ihr seid es, Don Fernandez? Ei, wie seltsam! –
Wahrhaftig, schöne Damen, edle Ritter,[183]
Die in so später Stund' ich stören mußte,
Ich glaubte nicht zu finden in Castilien
Nur einen solchen anspruchslosen Granden,
Der sich im Stall die Nebenbuhler suchte!
Damen und Ritter bejahen höhnisch.
FAUST.
Madonna, ganz beschämt steh' ich vor Euch,
Nicht läugnen kann ich, weß Eu'r holder Mund mich zeiht. –
Und schöne Damen, edle Ritter, Ihr sollt Richter sein,
Richter der heillos »doppelten Verschuldung:«
»Die treulos« niedere Magd gemeint zu haben,
Dieweil die stolze Herrin schmachten mußte! –
Lebt wohl, Madonna; Eurer Strafe harr' ich morgen!
Ab.
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