Anmärkungen des neunden Buches.

[626] Zur 18 Einteilung.


Daß der fürnehmste der Reuber Pammenes geheissen.] Dieses Pammenes gedenket Eusebius / im 1 seiner Zeitbücher am 43 Blatte / da er also schreibet: damahls blühete Demokritus von Abdere / ein Naturkündiger / den / in Egipten / der Meder Ostanes / welcher dahin geschikt worden / daß er / mit andern Priestern / und Weisemeistern / dem Egiptischen Gottes dienste zu Memfis vorstehen solte / zum allerersten unterwiesen. Unter diesen Weisemeistern war auch Marie / eine Ebreische weise Frau; und Pammenes /welcher vom Golde und Silber / wie auch von den Steinen / und vom Purpur auf ümschweiffende Weise geschrieben. Eben dasselbe hat auch Maria getahn. Und diese hat Ostanes darüm gepriesen; weil sie die Kunst mit vielen und gelehrten Rähtseln verdekket.


Zur 22 Einteilung.


Hanno / ein Fönizier.] Dieser war von Kartago / einer der fürnehmsten Fönizischen Städte bürtig / und ein fürtreflicher Seeman: den man deswegen / weil er am allerersten die Leuen gezähmet / aus dem Vaterlande verbannet; indem man sich befahrete / daß ein solcher / der die wilden Tiere zu bändigen wüste / sich vielleicht zum Wühteriche aufwerfen / oder doch sonst die Menschen ihm zu gehorchen bereden würde. Dahin hat ohne Zweifel Ovidius gesehen / wan er / in seinem 4 B. der Traurigen / also saget:


TEMPORE PŒNORUM COMPESCITUR IRA LEONUM.


Und hiervon schreibet Jonstohn / in der 2 Abteilung des 4 Hauptst. von den vierfüßigen Tieren / also: PRIMUS AUTEM HOMINUM LEONEM MANU TRACTARE AUSUS, & OSTENDERE[627] MANSUEFACTUM, HANNO, È CLARISSIMIS PŒNORUM TRADITUR: DAMNATUSQUE EO ARGUMENTO, QUONIAM NIL NON PERSUASURUS VIR TAM ARTIFICIS INGENII VIDEBATUR; & MALÈ CREDI LIBERTATEM EI, CUI IN TANTUM ETIAM CESSISSET FERITAS, & C.

Aber nach des Hanno Lebezeit findet man mehr dergleichen Beispiele der gezähmten Leuen. Onomarch / der Katanische Wühterich / hatte dergleichen Leuen stähts ümsich: wie auch der Portugallische König Johan der Zweite / dem ein solcher / eben als ein Hund / zur Seite zu sitzen pflegte. Im Elimischen Götzenhause des Adonis waren sie so zahm / daß sie denen / die in das Heiligtuhm kahmen /schmeuchelten. Die Königin Berenize hatte einen Leuen / der ihr das Angesicht mit der Zunge lekte. Marzial gedenket im 79 Hauptst. seines 9 Buches noch eines andern / der mit einem Wider so verträglich lebete / daß der eine des Schrökkens / der andere der Grausamkeit vergessen zu haben schien.

Zum allerersten hat nachmahls Markus Antohn die Leuen.] Hiervon lauten des itztangezogenen Jonstohns Worte / wie folget: JUGO SUBDIDIT EOS (LEONES) PRIMUSQUE ROMÆ AD CURRUM JUNXIT M. ANTONIUS, & QUIDEM CIVILI BELLO, CÙM DIMICATUM ESSET IN PHARSALICIS CAMPIS, NON SINE QUODAM OSTENTO TEMPORUM, GENEROSOS SPIRITUS SUBIRE JUGUM ILLO PRODIGIO SIGNIFICANTE, etc.

Was vom Mentor.] Diesen treflichen Künstler /dessen Plinius / im 12 B. und Juvenal / im 8 Schimpfgedichte / gedenken / begegnete / in Sirien / ein Leue /der dem Flüchtigen überal den Weg verhieb / und seine Fußstapfen lekte / so lange / bis er / in seiner Pfohte / einer Geschwulst gewahr ward: daraus er einen Splitter zog / und das Tier von seinen Schmertzen erlösete.

Ja was vom Elpis.] Dieser / nachdem er zu Schiffe nach Afriken gereiset / erblikte / am Ufer der See /einen Leuen mit aufgesperretem Rachen. Hierüber er schrak er so heftig / daß er auf den nächststehenden Baum die Flucht nahm / und seinen Abgott Liber üm Rettung anflöhete. Aber der Leue / wiewohl er wohl konte / wolte gleichwohl dem Flüchtigen nicht nacheilen; sondern legte sich nur unter den Baum nieder /und sahe[628] den Elpis / mit dem aufgesperretem Rachen /gantz kläglich und erbärmlich an. Hieraus märkte der Flüchtige / daß dem Leuen etwas mangelte: zuvoraus weil er ihn / mit erbärmlichen Geheule / gleichsam üm Beistand anlangete. Und also ward er kühner /stieg vom Baume herunter / besahe dem Leuen den zugerekten Rachen / und zog ihm einen Knochen / der / aus alzugeitzigem fressen / ihm zwischen den Zähnen stekken blieben / heraus. Dieser Wohltaht wegen sol auch der Leue / wie man schreibet / dem Elpis alle Tage / so lange das Schif alda liegen blieb / frisches Wild / zu Bezeugung seiner Dankbarkeit / gebracht haben. Fast dergleichen Begäbnis findet man auch vom Androdus / in des Gellius Atehnischen Nächten: wie auch bei dem Seneka; der selbsten gesehen / daß ein Leue seinen Tierwärter / sobald er ihn erkant / auf dem Schauplatze für dem Anfalle der andern wilden Tiere beschirmet. Daher sagt Plinius / im 16 Hauptst. des 8 Buches seiner Tiergeschichte: LEONI TANTÙM EX FERIS CLEMENTIA IN SUPPLICES. PROSTRATIS PARCIT: & UBI SÆVIT, IN VIROS PRIUS, QUÀM IN FŒMINAS FREMIT; IN IN FANTES NON NISI MAGNÂ FAME. Hier mus ich auch beifügen / daß der Keiser Heliogabalus so gezähmete und abgerichtete Leuen gehabt / daß sie selbst mit zu Tische zu sitzen pflegen: wie auch der Keiser August etliche / die mit den Hasen gespielet und gekurtzweilet: welches auch Bellonius zu Konstantinopel selbsten gesehen zu haben / im letzten Hauptst. des 1 Buches seiner Anmärkungen / bezeuget.


Zur 37 Einteilung.


Die berühmte Jungfrau Sidon.] Hiervon schreibet /aus dem Damasker / Fozius am 1062 Blatte folgender gestalt: ἀπὸ δὲ τοῦ πόντου γίνεται Σιδὼν ἣ καϑ᾽ ὑπερβολὴν ευφονίας πρώτη ὕμνων ᾠδῆς εὗρε, aus der See aber wird die Sidon gebohren; welche / der Fürtrefligkeit ihrer anmuhtigen Stimme wegen / den Lobgesang des Leierliedes am ersten erfunden.

Die weltberühmte Handelsstadt Sidon.] Daß die itztgemeldte Jungfrau Sidon der Stadt Sidon Stifterin gewesen sei gedenket Sanchoniaton mit keinem Worte. Auch scheinet[629] Moses die Stiftung dieser Stadt / im 10 Hauptstükke seines 1 Buches / dem Zidon /dem erstgebohrnen Sohne des Kanaans / zuzuschreiben. Darüm solte vielleicht der Nahme der Stadt eigendlich Zidon / mit einem צ oder Z / der Nahme der Jungfrauen aber Sidon / mit einem ש oder S geschrieben werden; zumahl weil dieselbe Liederahrt / welche die Sängerin Sidon erfunden / bei den Ebräern / im 2 Hauptstükke der Sprüche Salomons / שדה SIDDA, und שדות SIDDOTH genennet zu sein scheinet.


Zur 39 Einteilung.


Durch die Ebräerin Marie.] Von dieser Marie haben wir schon droben bei der 18 Einteilung des Eusebius Zeugnis angeführet.


Zur 109 und 110 Einteilung.


Das oft unaufhörliche rasche Winken der Augen.] Also beschreibet die Heilige Schrift selbsten einen Gottlosen Man. Und der abtrünnige Keiser Julian wird von den Geschichtschreibern schier eben also /wie alhier Pammenes / abgemahlet; wie der sälige Kristian Mattias / in seiner Geschicht von den vier Weltreichen / unter gemeldtem Keiser Julian bezeuget.


Zur 113 Einteilung.


Die Tugend / die ihn lehren können sein angebohrnes boßhaftiges Wesen zu zwingen.] Hierher gehöret /was man vom Sokrates schreibet. Dieser / als ein Weisemeister / der aus der Gestalt des Leibes / und der Bildung des Angesichtes vom Gemühte des Menschen zu urteilen wuste / nachdem er den Sokrates gesehen / sich verlauten laßen / er sei ein tummer / weibischer / und lasterhaftiger Mensch / gab seinen Lehrlingen / die ihm solches andieneten / und den Weisemeister für einen Lügner ausmachten / zur antwort: er hette die Wahrheit gesagt / und nichts gelogen: dan er würde freilich ein solcher geworden sein / wo ihn die Tugend nicht gelehret seine böse Unahrt zu zwingen. Besiehe hiervon des Erasmus von Roterdam kurtzbündige Sprüche.[630]


Zur 154 Einteilung.


Die berufene Kamille.] Diese war eine Volskerin /welche dem Turnus wider die Lateiner / und dem Eneas / mit ihrer Kriegesmacht / zu Hülfe kahm / und in selbigem Kriege das Leben auch einbüßete; wie Steffanus meldet. Virgiel gedenket ihrer / im 7 Buche seines Heldengedichtes vom Eneas / gar weitleuftig /wan er folgender gestalt schreibet:


HOS SUPER ADVENIT VOLSCÂ DE GENTE CAMILLA,

AGMEN AGENS EQUITUM, & FLORENTEIS ÆRE CATERVAS,

BELLATRIX, NON ILLA COLO CALATHISVE MINERVÆ

FÆMINEAS ASSUETA MANUS, SED PRÆLIA VIRGO

DURA PATI, CURSUQUE PEDUM PRÆVERTERE VENTOS,

ILLA VEL INTACTÆ SEGETIS PER SUMMA VOLARET

GRAMINA, NEC TENERAS CURSU LÆESISSET ARISTAS;

VEL MARE PER MEDIUM, FLUCTU SUSPENSA TUMENTI,

FERRET ITER, CELERES NEC TANGERET ÆQUORE PLANTAS.]

ILLAM OMNIS TECTIS AGRISQUE EFFUSA JUVENTUS,

TURBAQUE MIRATUR MATRUM, & PROSPECTAT EUNTEM,

ATTONITIS INHIANS ANIMIS: UT REGIUS OSTRO

VELET HONOS LEVEIS HUMEROS; UT FIBULA CRINEM

AURO INTERNECTAT, LYCIAM UT GERAT IPSA PHARETRAM,

& PASTORALEM PRÆFIXA CUSPIDE MYRTUM.


Hierüber kahm auch an vom Volskischen Geschlächte /

die tapfre Kriegerin / Kamille / zum Gefechte /

samt ihrer Reuterei / und Kriegsmacht / alzumahl

mit Harnischen versehn von Eisen / Ertz und Stahl.

Sie hatt' ein Kriegeshertz / und keine Faust zum Wokken:

lies stehen Woll und Korb: ging nicht geschmükt / wie Tokken /

noch weibisch ausgebutzt. Sie war ein Freulein zwar:

doch liebte sie nur Streit / und Krieg / und Kriegsgefahr.

Auch kahm ihr schnäller Fuß selbst vor dem schnälsten Winde /

wan er flog über Feld und Saaten so geschwinde /

daß er noch nie gerührt der Ahren Spitzen an /

ja trokken über See den raschen Lauf gewan.

Es lies die Jugend stehn Stadt / Dorf / und allen Plunder:

die Mütter lieffen zu / und sahen dieses Wunder /[631]

mit gantz bestürtztem Geist' / und starren Augen / an;

daß sie / mit Männern / zog so mänlich auf den Plan /

und so vol Muhtes war / und freudiger Begierde;

wie ihre Schulter trug recht Königliche Zierde /

und eingeflochten lag mit Gold' ihr gantzes Haar /

so / daß gleich als ein Blitz es anzuschauen war:

wie sie so zierlich sich den Köcher laßen gürten

üm Leib und Lenden hin / und einen Speer von Mürten

führt' in der Heldenfaust; den sonst ein Hürte trägt /

doch stumpf und ungespitzt für seine Heerden hägt.


In dieser gantzen Beschreibung der Geschwind- und Behändigkeit seiner Kamille / scheinet Virgiel / wie Makrobius / im 8 Hauptst. seines 5 Buches / und Fabius / im letztern Hauptst. seines 8 Buches ebenmäßig angemärket / dem Homerus nachgeahmet zu haben: welcher von den zwölf Füllen / die der verliebte Boreas / nachdem er sich in einen schwartzen Hängst verwandelt / mit des Erichtohns Mähren oder Mutterpferden / deren er drei tausend in seiner Stuhterei unterhielt / gezeuget / im 20 Buche seines Heldengedichtes von Trojen / wie es Eoban aus dem Griechischen in Lateinische Bände gebracht / folgender Gestalt schreibet:


– BOREAS, QUAS CÙM VIOLENTUS AMARET,

IN NIGRUM CONVERSUS EQUUM, SERVIVIT AMORI

INDULGENS: EX QUO GRAVIDÆ PEPERERE QUATER TRES

PULLOS EXIMIOS; QUI SI PER SUMMA VOL ARENT

GRAMINA, NEC SUMMÆ CURSU QUATERENTUR ARISTÆ

LUXURIANTIS AGRI, NEC TINCTA HUMORIBUS ULLIS

PER MEDIOS PELAGI FERRENT VESTIGIA FLUCTUS.


Eben eine solche Schnälheit und Geschwindigkeit der Füße eignet Orfeus dem Ifiklus zu / der aus einer Leibestracht des Herkules Bruder / und nur eine Nacht jünger war / als er; wan er in seinem Lobgesange der Götter also spricht:


Ουδέ μὲν ουδὲ ϑεους φεύγοις ουκ ἔννομα ῥίζον, etc.


NON POTERIT FUGISSE DEOS QUI TURPIA PATRAT,

SIT LICET IPHICLO MULTO VELOCIOR IPSO:[632]

QUI SUPER EXTREMIS SEGETUM CURREBAT ARISTIS,

NEC SICCOS FRACTUS LÆDEBAT PONDERE PLANTÆ.


Obgemeldter Homerus führet / im zehenden Buche seines Heldengedichtes von Trojen / den Dolon /einen Trojer / und des Eumedes Sohn / ein; dem er fast eben eine solche Geschwindigkeit der Füße zueignet. Gleichwohl geriet dieser schnälle Leuffer in des Ulisses Hände; wie man alda weitleuftig lesen kan.

Quelle:
Philipp von Zesen: Sämtliche Werke, 17 Bände, Band 8, Berlin/ New York 1970 ff., S. 626-633.
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