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[67] Iduella und Rosamunde von der andern Seite.
IDUELLA.
Eine wunderliche Laune!
Oder was hat dich verstimmt?
Was getrieben, die Gesellschaft
So ganz plötzlich zu verlassen?
ROSAMUNDE.
Kann ich's sagen? Schmerz und Wehmuth, –
Wunderbare Bangigkeit
Hat mich jählings überfallen.
Kaum, nur kaum vermocht' ich, mich
Lauten Weinens zu erwehren.
War's die Allmacht der Musik?
Waren es Erinnerungen,
Die, mit ihren Geisterzungen,[67]
In den Klängen jener Saiten
Da zu meiner Seele sprachen? ...
Aber mir ist wieder wohl,
Und ich athme leicht und heiter.
IDUELLA.
Ja, wie Rosen nach dem Regen,
Wenn, vom Thau der Wolken schwer,
Sie das Köpfchen hangen lassen ...
Zittert da nicht noch ein Tröpfchen
Thränenthau dir in den Wimpern?
Nicht doch! fröhlich, liebe Seele!
Ihre Hand nehmend.
Fort, wir müssen uns zerstreun.
Weißt Du keine Neuigkeit?
ROSAMUNDE.
Keine.
IDUELLA.
Aber ich!
ROSAMUNDE.
Die wäre?
IDUELLA forschend.
Daß der schöne Florentiner
Bald aus Padua ... Du wendest
Mir den Rücken zu? Du hörst nicht?
ROSAMUNDE abgewandt.
Nein, ich will nichts von ihm hören.
IDUELLA.
Nicht? Wie sprichst du, Wunderbare?
Nichts von Deinem Retter hören?
ROSAMUNDE.
Weil du meiner spottest, weil du ...[68]
IDUELLA.
Spotten? Nennst du Warnen Spott?
ROSAMUNDE.
Und warum mich ewig warnen?
Ich erkenne deine Liebe, ...
Treue, liebe Iduella, ...
Deine Mühen sind umsonst!
IDUELLA.
Rosamunde, das klingt herbe.
Du, die ich in zarter Kindheit
Oft in meinem Arm gewiegt;
Du, für die ich hundert Nächte,
Hundert schlummerlos durchwachte;
Du, an der selbst deine Mutter
Fester, zärtlicher nicht hing, ...
Alle meine Müh'n umsonst?
ROSAMUNDE sie mit Heftigkeit umarmend.
O, vergib mir, Iduella,
Freundin, Mutter ... o, vergib mir!
Darf ich ... möcht' ich dich denn täuschen?
Sollt' ich selber mich belügen?
Ach, du weißt es! Alles kennst du;
Ich vermag's ja nicht zu ändern.
Quäle meine Seele nicht!
IDUELLA.
Also weihst du eigensinnig
Dich dem bodenlosen Abgrund?
ROSAMUNDE.
Bin ja glücklich, o sehr glücklich![69]
IDUELLA.
Wie ein Trunkner, der im Taumel
An des Abgrunds Rande jauchzt. –
ROSAMUNDE liebkosend.
Laß mich dulden – schweigen hoffen.
IDUELLA.
Hoffen? Armes Kind, was hoffen?
ROSAMUNDE.
Weiß ich's selber?
IDUELLA.
Mit dem Mutterherzen red' ich
Zu der theuern Tochter Herz;
Doch vielleicht ist's allzuspät.
Deine Seele glüht im Fieber
Der gewalt'gen Leidenschaft.
ROSAMUNDE.
Glaub es nicht. O, meine Freundin!
Wie der kalte Spiegel deine
Lieben, frommen Züge, will ich
Deine Lehren in mich fassen.
IDUELLA.
Flodoardo floh verstoßen
Von Toskana zu uns her:
Nichts vom Erbtheil seiner Väter
Folgte dem Verbannten nach.
Er ist arm! – Ich sage arm!
Und ihn nähret nur das Brod,
Was sein Degen ihm verdient.
ROSAMUNDE.
Mindert das des Ritters Werth?[70]
IDUELLA.
Seinen Werth nicht; wohl dein Hoffen!
Wähnst du, daß die edle Tochter
Eins der alten Wahlgeschlechter,
Daß die Nichte, daß die Erbin
Eines Herzogs von Venedig
Ihren Trauring am Altare
Einem armen Kriegsmann ...
ROSAMUNDE.
Frevle nicht an meiner Seele;
Denn sie liebt das Heil'ge rein.
Sprach ich von Altar und Trauring?
Oder gar vom Hochzeitschmucke
Aus ostindischem Gewebe,
Und mit Kanten von Brabant?
Nie sei davon wieder Rede!
Was Geburt und Stand gebieten,
Weiß ich, und verehr' ich schweigend.
Fest nur ruht des Staates Bau
Auf dem Felsengrund der Sitte. – –
Doch im Reich der Seelen scheidet
Nicht des Ranges Machtgebot;
Da thront Gott allein als Vater;
Und die Geister stehn verbrüdert.
Auch von diesem Reich, o Freundin,
Bin ich hier schon Bürgerin.
Still, im heiligsten Gefühle
Lieb' ich, ohne Wünsch' und Ziele.
IDUELLA.
Mir ist schwer, dich zu verstehn;
Hast du selbst dich wohl verstanden?[71]
Doch ... nichts mehr davon ... nur Eins.
Stets vergaß ich eine Frage:
Ist des Ritters tapfre That
Würdig schon vergolten worden?
ROSAMUNDE.
Wer ein solches Heldenleben
In den Kauf für fremdes wirft,
Sage an, wie zahlt man dem?
IDUELLA verlegen.
Keine Zahlung ... aber doch ...
Wenn der Herzog ... selbst wenn du ...
ROSAMUNDE.
Ich? ... Mein Leben ist sein Gut. –
Als er aus dem Kampf in Corfu
Wieder zur Galeere kam,
Und er meine Banden lös'te, ...
Glänzend, wie ein Siegesengel
In der Cherubs-Herrlichkeit
Stand der Retter vor mir da.
Ach, ich wollte Dank ihm stammeln,
Konnt' es nicht ... doch er verstand mich ...
Und im Wahnsinn des Entzückens
Warf ich mich zu seinen Füßen,
Küßt' ich des Erlösers Hand,
Und des Mitleids Thräne glänzte
In des stolzen Siegers Augen.
IDUELLA.
Fast zuviel! Des Anstands Würde ...
Doch, nach so viel Schreckenstagen,
Nach so langen Todesängsten,
Solche plötzliche Errettung, –[72]
Alles das entschuldigt viel!
Glaub' indessen, daß auch jeder
Andere Soldat soviel
Und noch mehr geleistet hätte.
ROSAMUNDE.
Jeder? – O, wie irrst du sündlich!
Warum gab Andrés Doria
Corfu unserm Feind zum Raube?
Warum floh Pesaro nach? –
Einzig Flodoardo trennte
Sich verwegen von der Flotte.
Lange kreuzt' er um die Insel
Mit der einzigen Galeere!
Nächtlich setzt' er Boten aus.
Dann, ... im letzten Augenblick,
Als der Zug gefangner Frauen,
Für den Sultan auserwählt,
Schon beim düstern Schein von Fackeln,
Durch das Thor der alten Burg,
Jammernd zum Gestade wankte; –
Alle mit gebundnen Händen,
Janitscharen links und rechts
In den Waffen; Allah brüllend ...
Da nun – jählings, ... welches Schauspiel!
Vor uns gaukelt, hart am Strande,
Eine breite Flammensäule;
Glühnde Wolken wirbeln auf.
Dieser Brand ... es war das Schiff,
Welches gen Konstantinopel
Uns Gefangne tragen sollte.
Todtenstille des Entsetzens[73]
Folgte jetzt. Der Zug hielt an.
Drauf vernahm man fernes Lärmen,
Schreien, Flintenschüsse, Jauchzen.
Und, wie wenn der Sturm von weitem
Durch die Wälder sich daherwälzt,
Wälzte sich die Schlacht heran.
Bald erblickt' ich mir zur Seite
Das Gefecht, der Säbel Wüthen;
Die gebrochnen Reihn der Türken;
Und – mit glühndem Angesicht,
Und mit einem Schwert voll Blutganz ...
Flodoarden über Leichen.
IDUELLA.
Er vollstreckte seine Pflicht.
ROSAMUNDE halblaut, aber mit Nachdruck.
Als er mit den Flammenblicken
Mich im Zug der Frau'n erkannte,
Schrie er laut: Victoria,
Die Erlauchte ist gerettet! –
Meinst du, oder meinst eu nicht;
War dies Alles seine Pflicht?
IDUELLA.
Kind, nichts mehr davon! – Wahrhaftig
Keine Silbe. Jedes Wörtchen
Ist ein Windstoß in die Gluten.
Kehren wir zum Saal zurück;
Oder plaudern And'res; oder,
Willst du lieber, bring' ich dir,
In den Garten die Guitarre.[74]
ROSAMUNDE.
Kannst du doch so gütig sein!
Ja, am liebsten die Guitarre!
Denn der Abend naht sich prachtvoll;
Hier, auf dieser Rasenbank,
Will ich, Liebe, deiner warten.
IDUELLA.
Sinn' indeß auf heitern Sang.
Ab.
ROSAMUNDE nach einer Stille, im Nachdenken.
Sinnen soll ich? – Ewig kann ich sinnen; –
Er nur ist's, den der Gedank' umkreis't.
Er ist fern! ... die flücht'gen Stunden rinnen,
Und das schöne Leben liegt verwais't.
Unbeglückt, o Frühling, bleibt dein Prangen,
Deines Odems Wehn ein Seufzer nur;
Jede Blume schmachtet im Verlangen,
Und im Brautschmuck trauert die Natur.
Fehlt die Sonne ihren goldnen Sphären:
O, so kann des Mondes blasse Pracht,
Kann das Sternenheer uns nicht gewähren,
Als – das dunkle Schauspiel einer Nacht!
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