Als Müller seiner Besserin die Witwen-Haube abgenommen, wodurch Er um den Jünglings-Schmuck u. Junggesellen-Kranz gekommen: so sang bey dieser Hochzeit-Feyer ein Lied nach einem seltnen Thon, des Herren Bräutigams Bekannter, und treuer Freund ein Kauffmanns-Sohn

[213] Den 6. May 1732.


In andern Namen.


Man mahlt und bildet uns die Liebe,

Mit zugebundnen Augen für:

Die Wahrheit zeigen ihre Triebe,

Und Reitzungen bald dort, bald hier.

Die Liebe fällt gleich einer Mücke.

Auf Seiden und auf wollne Stücke.

Sie fällt auch nach der Käfer Brauch,

Auf einen Ros- und Nessel-Strauch.


Da wirft denn mancher seine Blicke

Nach einem schönen Angesicht;

Dem wird das Geld zu einen Stricke,

Wodurch er seine Freyheit bricht;

Der wehlt sich eine stolze Dirne;

Der fällt auf eine freche Stirne;

Der suchet dieß, der andre das,

Und also gehts ohn Unterlaß.
[213]

Allein, nach solcher Wahl und Suchen,

Wird das Vergnügen bald gestöhrt,

Da geht es an ein schmähn und fluchen,

Da werden Seufzer gnug gehört.

Wer aber auf die Tugend siehet,

Und wehlt ein Kind, in der sie blühet,

Derselbe findt in seiner Eh,

Das Glücke von der Sternen-Höh.


Die Braut ist fromm und wird nicht streiten;

Kein Wiederwille thürmt sich auf,

Gehorsam steht ihr stets zur Seiten,

Die Eintracht hat den freyen Lauf

Herr Bräutigam! du ließt vor allen,

Dieß Wort aus deinem Mund erschallen:

Ein Kind, das Zucht und Tugend trägt,

Wird mir ins Herze eingeprägt.


Gedacht, gesagt, und auch geschehen!

Du hast ein solches werthes Kind

Zu deiner liebsten ausersehen,

Wodurch das Glück sich dir verbindt.

Der Wohlstand wird auf dieser Erden,

Dein täglicher Begleiter werden.

Der Seegen suchet nun dein Haus,

Und gehet bey dir ein und aus.


Allein mich deucht in meinen Sinnen,

Wer eine Witwe nimmt, wie du,

Der wird ein kahles Glück gewinnen;

Ihr Stand zeigt wenig Lust und Ruh:

Wo die Personen sich nicht gleichen,

Da ist kein Vortheil zu erreichen.

Du hast gewiß aus Unbedacht

Herr Bräutgam! diesen Schluß gemacht?
[214]

Bedenk, was du vor wenig Wochen

Mit aufgeklärten Angesicht,

(Jetzt heists ein Scherz,) zu mir gesprochen:

Du liebtest keine Witwe nicht!

Du sprachst: Mich wird noch zum Vergnügen

Dereinst ein Jungferbild besiegen.

Nun aber änderst du den Sinn,

Und giebst dein Herz der Witwe hin.


Wer achtet die verwelkten Rosen?

Wer liebet ein verdorrtes Blat?

Wer wird die Frucht von Baume stosen,

Die längst ein Wurm gestochen hat?

Wer kauft die abgestreiften Reiser?

Wer zieht in alt und dunkle Häuser?

Wer wehlt vor Flachs wohl Hafer-Stroh?

Mit Witwen ist es eben so!


Halt ein! halt ein! und denk zurücke,

Verwegner Kiel! was schreibst du hin?

Herr Bräutgam! deine Liebes-Blicke

Verändern meinen ganzen Sinn.

Was tadle ich denn deine Liebe,

Und deine rein und heisen Triebe?

Du hast, wenn man es recht bedenkt,

Dein Herz zu deinem Glück verschenkt.


Wer eine junge Witwe liebet,

Desselben Eh muß nützlich seyn,

Weil sie ihm gleich den Haushalt giebet.

Dieß stellt sich nicht bey Jungfern ein.

Ja die Erfahrung lehrt sie wissen,

Wie kluge Weiber handeln müssen:

Und wie man seinen lieben Mann,

Bedienen und belustgen kan.
[215]

Wer liebt nicht angebaute Felder,

Und Gärten, die schon angelegt?

Man giebt dem Artzte viele Gelder,

Der die Erfahrung bey sich trägt.

Nun diese Lust und dieß Vergnügen

Wirst du mit deiner Witwe kriegen.

Ihr Garten ist schon angebaut,

Davon man schöne Früchte schaut.


Freund! deine Wahl ist nicht zu schelten,

Die Liebe knüpfe euer Band;

Das Glück besuche euch nicht selten;

Es mehre sich der Liebe Brand.

Vergnüget euch in eurer Ehe!

Der Seegen krön euch aus der Höhe!

Ja was ihr euch nur wünschen könnt,

Das wird euch stets von mir gegönnt.


Quelle:
Sidonia Hedwig Zäunemann: Poetische Rosen in Knospen, Erfurt 1738, S. 213-216.
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