Purpur [1]

[298] Purpur der Alten, jene in allen Schattierungen von Hellblau bis Tiefviolett auf Woll- und Seidengeweben entwickelte wertvolle echte Farbe des Altertums, zu deren Erzeugung gewisse Seeschnecken (Murex brandaris und M. trunculus) benutzt wurden.

Die Erfinder der Purpurfärberei scheinen die Phönizier gewesen zu sein, in deren Hauptstadt Tyros diese Industrie zu besonderer Blüte gelangte, wenn auch an allen Gestaden des Mittelmeers schon frühzeitig Purpurfärbereien entstanden. Das Färben geschah nach Plinius in der Weise, daß die zerquetschten oder in Stücke geschnittenen Schnecken, mit Salz bestreut, in einen heißen Kessel geworfen wurden. Nach Absonderung des farbigen Saftes der Tiere wurden dann die Fleischteile entfernt und die zu färbenden Stoffe in die heiße klare Flotte eingetaucht und mit ihr völlig durchtränkt. Die Entwicklung der Farbe erfolgte jedoch erst durch Verhängen der Gewebe an der Luft auf Grund eines Oxydationsvorganges. Dies Verfahren erinnert lebhaft an die Küpenfärberei; offenbar ist der Farbstoff in dem Saft der Schnecken als Leukoverbindung vorhanden, welche, von der Faser aufgenommen, durch Sauerstoffabsorption in den unlöslichen Farbstoff übergeht. In der Tat haben A. und G. Negri aus dem Saft von Purpurschnecken, welche sie an den Küsten Italiens sammelten, Indigo hergestellt. Hiernach würde der Purpur der Alten ein durch roten Farbstoff nuanciertes Küpenblau sein. Dieser ebenfalls isolierte rote Farbstoff besitzt nach Schunck mit Indigblau eine gewisse Analogie. Verschieden vom Indigblau wie Indigrot, teilt er mit diesem die Sublimierbarkeit, die Fähigkeit, eine Küpe zu geben, und zeichnet sich durch größere Widerstandsfähigkeit gegen Oxydationsmittel aus. Da das farbstoffliefernde Organ der Schnecke auffallende Mengen organischer Schwefelverbindungen produziert, so scheint es nach Friedländer [3] nicht ausgeschlossen, daß dieser Farbstoff mit dem synthetischen Thioindigorot verwandt oder gar identisch ist. Seines hohen Preises wegen war der Purpur in den ältesten Zeiten im Besitz der Herrscher, der höchsten Würdenträger und Priester, später wurde er immer allgemeiner angewendet, im byzantinischen Reich wurde er von neuem das Abzeichen der Majestät und deren nächsten Umgebung. Der beschränkte Absatz ließ jedoch die Purpurfärberei immer mehr zurückgehen, und im 12. Jahrhundert erlosch diese Industrie für immer.


Literatur: [1] Schützenberger, Die Farbstoffe, Berlin 1873, Bd. 1, S. 395. – [2] Witt, Chemische Technologie der Gespinstfasern (Bolleys Technologie Bd. 48, V. 2. 1), S. 16. – [3] Zeitschr. für angew. Chemie 1906, S. 619.

R. Möhlau.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 7 Stuttgart, Leipzig 1909., S. 298.
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