In den Zellen, welche die Organismen zusammensetzen, spielen sich die Lebensvorgänge ab, und die Leistungen der Gewebe und Organe eines jeden größern Organismus, sei es Tier oder Pflanze, sind nur der Ausdruck oder die Summe der Lebenserscheinungen der einzelnen Zellen und Zellarten, die diese Organismen zusammensetzen. Jede Erforschung des Lebens wird daher in letzter Instanz immer die Vorgänge in der Zelle zu ergründen haben. Wie alle Vorgänge in der Körperwelt von drei verschiedenen Seiten her betrachtet werden können, wie es kein körperliches Geschehen gibt ohne Stoff-, Energie- und Formveränderungen, so können auch die allgemeinen Lebenserscheinungen der Zelle von diesen drei Seiten angesehen werden als Erscheinungen des Stoffwechsels, des Energiegetriebes und der Formbildung. Dabei ist immer zu berücksichtigen, daß es nicht selbstverständliche Prozesse sind, sondern nur verschiedene Seiten ein und desselben Vorganges, eben des Lebensprozesses.
Der Stoffwechsel umfaßt die chemischen Veränderungen, die sich an der Zelle abspielen. Jede Zelle nimmt aus ihrem umgebenden Medium gewisse Stoffe (Nahrungsstoffe) auf und gibt andre Stoffe dafür an das Medium ab. Daraus geht hervor, daß im Innern der Zelle chemische Umsetzungen der Nahrung stattfinden müssen. Die Nahrung wird zur Bildung von Zellsubstanz gebraucht, die Zellsubstanz aber zersetzt sich fortwährend von selbst und gibt ihre Zersetzungsprodukte nach außen ab. Während die grünen Pflanzenzellen die Fähigkeit haben, aus einfachem anorganischen Nahrungsmaterial (Kohlensäure, Wasser, stickstoffhaltigen Salzen etc.) Zellsubstanz zu bilden, brauchen die tierischen Zellen sämtlich ohne Ausnahme schon komplizierte organische Nahrungsstoffe, vor allem Eiweißkörper, zum Aufbau ihrer lebendigen Substanz. Je nach der verschiedenen Art der Nahrung, welche die einzelne spezielle Zellart zum Leben braucht, ist natürlich auch die Art der Nahrungsaufnahme von seiten der Zelle verschieden. Gewisse Zellen nehmen die Nahrung nur im gelösten oder gasförmigen, andre nur im geformten Zustand auf. Die einen machen durch Fermente, die sie ausscheiden, die feste geformte Nahrung außerhalb des Zellkörpers löslich und nehmen sie dann in gelöstem Zustand auf, andre nehmen die geformte Nahrung als solche in den Zellkörper auf, indem sie dieselbe mit ihrem Protoplasma umfließen (wie z.B. die Rhizopoden), und lösen sie erst im Zellkörper selbst mit Hilfe von Fermenten. Im Zellenstaat der größern Tiere und Pflanzen ist in dieser Beziehung eine weitgehende Arbeitsteilung eingetreten, indem bestimmte Zellen (z.B. die Zellen der Verdauungsdrüsen) lediglich die Aufgabe haben, die feste Nahrung durch Ausscheidung von Fermenten zu verflüssigen, um sie allen andern Zellen zugänglich zu machen. Die verflüssigte Nahrung zirkuliert dann in den Körpersäften (Blut, Lymphe etc.) und wird aus diesen von allen Zellen des Körpers, die davon umspült werden, aufgenommen. Die Ausscheidungsprodukte, die aus der fortdauernden Zersetzung der Zellsubstanz stammen, sind selbstverständlich wieder ebenso mannigfaltig wie die Art der Nahrung und wie die Zusammensetzung der speziellen Zellformen selbst. Die eine Zellform gibt Schleim, die andre Fermente, die tritte Galle etc. ab, und auch hier ist im tierischen und pflanzlichen Zellenstaat wieder eine Arbeitsteilung in der Weise eingetreten, daß einzelne Zellformen (der Niere, der Haut etc.) die von allen Zellen an die Körpersäfte abgegebenen Exkretstoffe aus den Körpersäften entnehmen, umformen und in bestimmter Form aus dem Organismus gänzlich ausscheiden. Wie mannigfaltig aber auch die Ausscheidung der verschiedenen speziellen Zellformen im einzelnen sind, gewisse Stoffe scheiden alle Zellen aus, das sind Kohlensäure, Wasser und stickstoffhaltige Verbindungen (z.B. Ammoniak), ebenso wie auch alle Zellformen gewisse Stoffe, z.B. Sauerstoff, aufnehmen müssen, um dauernd am Leben bleiben zu können. Die Aufnahme von Sauerstoff und die Abgabe von Kohlensäure fehlt bei keiner einzigen Zelle, solange sie lebt; sie stellt den Atmungsprozeß der Zelle vor. Aus dem allgemeinen Vorhandensein des Atmungsprozesses und aus dem allgemeinen Auftreten stickstoffhaltiger Ausscheidungsprodukte bei allen Zellen geht auf das deutlichste hervor, daß es sich bei den Umsetzungen in der lebendigen Zellsubstanz um ein einheitliches Prinzip handeln muß, daß dem Lebensprozeß selbst, so mannigfach er sich im einzelnen abspielt, doch ein konstantes Moment zugrunde liegen muß. Dieses allgemeine Prinzip des Zellebens kann vorläufig nur in ganz hypothetischer Weise erschlossen werden, und diejenige Hypothese, die bisher am einfachsten und ohne Widerspruch mit den Tatsachen die Erscheinungen des Stoffwechsels erklärt hat, ist die Hypothese, daß im Mittelpunkt des Stoffwechsels gewisse chemische, hochkomplizierte, stickstoffhaltige Verbindungen stehen (Biogene), welche die Neigung haben, fortwährend von selbst zu zerfallen und sich nach Abgabe gewisser Atomkomplexe wieder mit Hilfe der aufgenommenen Nahrungsstoffe neu zu regenerieren. Der Stoffwechsel bestände demnach in dem fortwährenden Zerfall und Wiederaufbau der Biogenmoleküle, und seine Mannigfaltigkeit in den verschiedenen Zellformen käme durch die Mannigfaltigkeit der verschiedenen Biogene zu stände.
Mit dem Stoffwechsel ist notwendigerweise ein Energieumsatz verbunden, denn mit der Nahrung wird jeder Zelle eine gewisse Menge potentieller chemischer Energie zugeführt, während die Ausscheidungsprodukte der Zelle fast keine chemische Energie mehr besitzen. Es muß also bei den Umsetzungen in der lebendigen Zellsubstanz potentielle chemische Energie in andre Energieformen umgesetzt worden sein. In der Tat sehen wir, daß alle Zellen andre Energieformen in ihren energetischen Leistungen nach außen hin wieder abgeben, besonders Wärme und mechanische Energie. Jede Zelle erzeugt Wärme, wenn auch die Menge bei der einzelnen Zelle so gering ist, daß sie nur bei größern Zellkomplexen (z.B. Muskelgewebe etc.) mit den groben Methoden, die uns zur Verfügung stehen, gemessen werden kann. Jede Zelle erzeugt ferner mechanische Energie in Form von Bewegung. Dieselbe kann sich wohl in vielen Fällen unsrer groben Beobachtung völlig entziehen, in andern Fällen aber ist sie ohne weiteres sichtbar (z.B. bei den Muskelzellen, bei der Protoplasmabewegung der Pflanzenzellen und Rhizopoden, bei der Flimmerbewegung der Infusorien und Flimmerepithelzellen etc.). Über die einzelnen Zwischenglieder bei der Umformung der potentiellen chemischen Energie auf ihrem Wege durch die lebendige Zelle ist freilich wenig sicheres, ebenso wie über die Zwischenglieder beim Stoffwechsel im Innern der Zelle. Unsre Kenntnis erstreckt sich hierbei im ganzen auf die ersten Anfangs- und die letzten Endglieder der Kette. Zu den wichtigen Verrichtungen der Zelle gehört ihr Wachstum und die Teilung, wovon im Artikel Zelle selbst die Rede ist.
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