87. Mozarteum.

[116] Mannheim 27. Dez. 1777.

Das ist ein schönes Papier, nicht wahr? – Ja ich wollte ich könnt's schöner machen! – Nun ist es aber schon zu spät ein anderes holen zu lassen. Daß meine Mama und ich ein recht gutes Logis haben, wissen Sie schon aus den vorigen Briefen. Es war auch nie meine Meinung, daß sie anderswo wohnen sollte als ich; allein als mir der Hr. Hofkammerrath Serrarius so gütig sein Haus antrug, so that ich nichts als mich bedanken; das ist noch nicht Ja gesagt. Den andern Tag ging ich mit dem Hrn. Wendling und Mr. de Jean (der wackere Holländer!) zu ihm und wartete nur, bis er selbst wieder anfange. Endlich erneuerte er wieder seine Proposition, und ich bedankte mich bei ihm mit diesen Worten: »Ich erkenne, daß es ein rechtes Freundstück von Ihnen ist, wenn Sie mir die Ehre erweisen, bei Ihnen logiren zu dürfen; aber mir ist leid, daß ich Dero so gütiges Anerbieten leider nicht annehmen kann; denn Sie werden es mir nicht übel nehmen, wenn ich Ihnen sage, daß ich nicht gern meine Mama ohne Ursache von mir weglasse. Ich weiß wirklich keine Ursache, warum meine Mama in diesem und ich in jenem Theil der Stadt wohnen sollte? – Wenn ich nach Paris gehe, so ist es ganz natürlich, daß es ein sehr großer[116] Avantage für mich ist, wenn sie nicht bei mir ist, aber hier die zwei Monate kömmt es mir auf etliche Gulden mehr oder weniger nicht an.« – Durch diese Rede habe ich gemacht, daß mein Wunsch gänzlich ist erfüllt worden, nämlich, daß uns beide Logis und Kost nicht – ärmer macht. Nun muß ich geschwind zum Abendessen hinauf. Wir haben bis jetzt gebrandelt, also bis halb eilf Uhr.

Neulich bin ich mit dem holländischen Officier der mein Scolar ist, Mr. de la Pottrie, in die reformirte Kirche gegangen und habe anderthalb Stunden auf der Orgel gespielt. Es ist mir auch recht von Herzen gegangen. Mit nächstem werden wir, nämlich die Cannabichischen, Wendlingischen, Serrarius'schen und Mozartischen in die lutherische Kirche gehen, und da werde ich mich auf der Orgel köstlich divertiren. Das Pieno habe ich schon bei derselben Probe, wovon ich geschrieben habe, probirt, habe aber nicht viel gespielt, nur ein Präludium und dann eine Fuge.

Nun bin ich mit Hrn. Wieland auch bekannt. Er kennt mich aber noch nicht so, wie ich ihn, denn er hat noch nichts von mir gehört. Ich hätte mir ihn nicht so vorgestellt, wie ich ihn gefunden. Er kommt mir im Reden ein wenig gezwungen vor, eine ziemlich kindische Stimme, ein beständiges Gläselgucken, eine gewisse gelehrte Grobheit und doch zuweilen eine dumme Herablassung. Mich wundert aber nicht, daß er (wenn auch zu Weimar oder sonst nicht) sich hier so zu betragen geruhet; denn die Leute sehen ihn hier an, als wenn er vom Himmel herabgefallen wäre. Man genirt sich ordentlich wegen ihm, man redet nichts, man ist still, man gibt auf jedes Wort Acht, was er spricht. Nur schade, daß die Leute oft so lange in der Erwartung sein müssen, denn er hat einen Defect in der Zunge, vermög er ganz sachte redet und nicht 6 Worte sagen kann ohne einzuhalten. Sonst ist er, wie wir ihn alle kennen, ein vortrefflicher Kopf. Das Gesicht ist vom Herzen häßlich, mit Blattern angefüllt und eine ziemlich lange Nase. Die Statur wird sein beiläufig etwas grösser als der Papa.

An den 200 Fl. von dem Holländer dürfen Sie nicht zweifeln. Nun muß ich schließen, denn ich möchte noch ein[117] bischen componiren. Noch eins, dem Fürsten Zeil darf ich jetzt wohl nicht schreiben? – Die Ursache werden Sie wohl schon wissen, denn München ist näher bei Salzburg als bei Mannheim, nämlich daß der Churfürst an den Blattern zum Sterben ist? – Das ist gewiß, da wirds wohl etwas absetzen. Nun leben Sie recht wohl. Wegen der Reise von der Mama nach Haus glaube ich, könnte es halt am leichtesten in der Fasten durch Kaufleute geschehen! – – das ist nur, was ich glaube; was ich aber gewiß weiß, ist daß dasjenige was Sie für gut befinden das Beste ist'; denn Sie sind der Hr. Hofcapellmeister und der Alleinvernünftigste! Ich küsse dem Papa, wenn Sie ihn kennen 1000 Mal die Hände, und meine Schwester umarme ich von ganzen Herzen und bin trotz meines Gekratzels Dero gehorsamster Sohn und getreuer aufrichtiger Bruder.

Quelle:
Mozarts Briefe. Nach den Originalen herausgegeben von Ludwig Nohl. Salzburg 1865, S. 116-118.
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