IX.

[13] [Rand: Lobbal-el-bab.] Abdorrahman Hatebi meldet von der Tochter Abu Selma's, des berühmten Geschichterzählers, folgendes Ebentheuer:

Ich befand mich eines Tages auf meinem Spaziergange vor einem herrlichen Pallast. Ich befahl meinem Sklaven den Teppich auszubreiten aus der steinernen Estrade vor dem Thore des Pallastes, um, sagte ich, das, was ich den Tag über geschrieben hatte, mit mir überlesen zu können. Durch den Thorweg hinein in den Hof sah ich fünfzig Sklavinnen in grüner Seide gekleidet mit goldenen Gürteln, je eine schöner als die andere, und in ihrer Mitte eine Dame, deren Schönheit die ihrer Sklavinnen bey weitem übertraf.

Sie vertrieb sich die Zeit mit Schießen nach dem Ziele. Der Bogen war Gold, die Pfeile mit kostbaren Steinen besetzt. Sie hatte mich kaum erblickt, so rief sie ihren Sklavinnen zu: Wer ist der Fremde? Schließet das Thor zu, ziehet den Vorhang vor. Ich war halb verzweifelt, ich brannte vor Ungeduld zu erfahren, wem der Pallast gehöre. Ich gab einem meiner Sklaven den Auftrag, sich nach dem Namen des Besitzers zu erkundigen, und ich vernahm, die Besitzerin desselben sey Dünje, die Tochter Abu Selma's, des berühmten Geschichterzählers; sie habe hunderttausend Dukaten Mitgift von ihrer Mutter geerbt, und von vielen Emiren und[14] Wesiren zur Frau begehrt, habe sie bisher ihre Hand standhaft ausgeschlagen; sie ziehe dem Ehestande das freye Leben als Mädchen weit vor, und vertreibe ihre Zeit im Kreise ihrer Sklavinnen und Gespielinnen mit Jagen, und Fischen, Spaziergängen und Scheibenschießen. Nach dieser eingeholten Nachricht blieb ich sitzen wo ich war, bis Abu Selma selbst nach Hause kam. – Ich befinde mich hier, redete ich ihn an, um deine Tochter zur Frau zu begehren; du kennst meine Geburt und meinen Stand. – Ich weiß, antwortete er, daß du, wie ich, in gerader Linie vom Blute des Propheten herstammest, denn sonst würde ich mir ein Gewissen daraus machen, deinen Antrag nur anzuhören. So habe ich zwar nichts dawider, aber die Schwierigkeit kömmt von meiner Tochter selbst, die sich nicht verehlichen will. Indessen, um dich zu befriedigen, will ich ihr den Vorschlag machen. Er lüftete den Vorhang, und gieng in den Hof hinein. Meine Tochter! (hörte ich ihn sprechen) ich traf vor der Thüre einen jungen wohlgebildeten Menschen an von guter Familie. – Was will er, mein Vater? – Will er eine Sklavin kaufen? Gefällt ihm vielleicht eine der meinigen? Befindet er sich in Geldmangel? – Nichts von alle dem, meine Tochter, er begehret dich zur Gemahlin. Er ist närrisch, und du auch, mein Vater. Denn wie oft habe ich dir nicht gesagt, daß ich von solchen Vorschlägen nichts hören will. Abu Selma kam[15] beschämt und zornig zu mir zurück. Du hast nun mit deinen Ohren gehört, sprach er, was für ein Wildfang das ist. – Thut nichts zur Sache, antwortete ich, gieb sie mir immer zur Frau, ich werde ihrer schon noch Meister werden. – Der Scheich, dessen Geduld, durch die Weigerung seiner Tochter, schon längst erschöpft war, gab meinem Vorschlag Gehör, und versprach noch denselben Abend meinen Heirathskontrakt zu unterschreiben, mit einer Ausstaffirung von zwanzigtausend Dukaten, außer der Mitgift.

Wir sprachen noch zusammen, als eine Sklavin herauskam und zum Scheich sagte: Gruß zuvor von meiner Frau. Sie hat sich endlich entschlossen in den Stand der Ehe zu treten; aber erst in einem Monate, von heute angefangen. Dann komme der Bräutigam; aber mit dem Muthe Antar's, mit der Herzhaftigkeit Modikorb's, mit Ali's Tapferkeit bewaffnet. Diese Botschaft hätte leicht einen anderen als mich zurückgeschreckt, mich entflammte sie nur mit neuer Begier. Dreyßig Tage nach dieser Unterredung gieng ich in's Bad, ließ mich scheeren und mir die Nägel abschneiden, wie sich's geziemt für einen Bräutigam, setzte mich zu Pferde, und begann den Zug gegen den Pallast hin.

Zehn schwarze Verschnittene, und eben so viel weisse, in Goldstoff gekleidet, kamen mir entgegen. Sie hielten goldgestickte Tücher in den Händen, womit[16] sie die Stirne meines Pferdes abwischten, und dann den Huf desselben küßten. Mein Gefolge blieb an dem ersten Thore zurück, und ich setzte meinen Weg in's Innere des Pallastes fort. Zu beyden Seiten standen zweyhundert Sklavinnen in reiche Stoffe gekleidet, mir silbernen und goldenen Gürteln. Die mit silbernen Gürteln hielten silberne Rauchfässer in der Hand, denen Moschus und Ambraduft entquoll; die goldumgürteten sandten mir aus goldenen Rauchfässern Wolken von Aloedampf entgegen. Ich gieng durch ihre Mitte in einen großen Saal, worinnen eilf Sofa von den reichsten Stoffen aufgepolstert waren. Kaum hatte ich mich niedergelassen, so vernahm ich Pantoffelgeschlürfe. Eine Frau, schimmernd von Edelsteinen, mit einem brillantirten Dolch in der Hand, nahte sich mir, von zwey schönen, reichgekleideten Zofen begleitet. Ich dachte, es sey die Braut, und stand vom Sofa auf. – Meine Frau wird gleich kommen; erlaube mir unterdessen, mich niederzusetzen, und mit diesen Worten nahm sie ihren Platz auf einem der eilf Sofa's ein. Acht andere Frauen, von Edelsteinen schimmernd, jede einen brillantirten Dolch in der Hand, kamen, und setzten sich, wie die erste, auf die andern Sofa's. Endlich hörte ich Freudengeschrey und Segensausruf, wie wenn der Fürst der Rechtgläubigen im Pompe durch die Straßen von Bagdad einherzieht. Es war die Braut, wie der Chalife in einen kaiserlichen schwarzen, goldgestickten[17] Mantel gekleidet, mit einem brillantirten Degen umgürtet. Zweyhundert Sklavinnen, alle schwarz ausgestattet, folgten ihr auf dem Fuße nach. Wir standen alle auf und bewillkommten sie, wie man den Chalifen bewillkommet, mit dem Gruße: »Heil Dir, Fürstin der Rechtgläubigen, Gottes Barmherzigkeit und Gottes Segen über Dich.«

Sie nahm ihren Platz auf dem eilften Sofa ein, und winkte uns niederzusitzen. Ich ließ zwey große Vasen, mir Silber und Gold gefüllt, die auf meinem Zuge vor mir hergetragen worden waren, herbeybringen. Sie theilte das Gold unter ihre vertrauten Zofen, und das Silber unter ihre Sklavinnen aus. Diese brachten große Gießkannen von Gold und Silber herbey; wir wuschen die Hände, und trockneten dieselben in musselinenen, gestickten, durchdufteten Tüchern. Hierauf ward der Tisch1 gebracht, der so wie die Schüsseln, aus einer einzigen Krystallplatte bestand.

Die Speisen hatten alle mögliche Farben und Wohlgerüche. Orangen und Granatenblüthe, Ambra und Sandal, Safran und Moschus. Die Tafel ward abgehoben, und der Sorbet herumgereicht. Nun giengen zur rechten und linken Seite des Saales zwey Thüren auf, und man erblickte schwarze Vorhänge[18] in Gold und Perlen gestickt. Hinter denselben tönten zwey Silberstimmen, die im Wechselgesange das Glück der Liebe priesen. Ich setzte mich zu meiner Braut, deren Augen wie Sonnen funkelten, und deren Busen durch den schwarzen Flor, wie der Stern der Liebe durch die schwarze Nacht hindurchschimmerte.

Ich wollte ihr einen Kuß rauben. Bey der Bewegung die ich dazu machte, schrie sie zu ihren Vertrauten: Auf! ihr Mädchen! und sogleich stürzten diese mit ihren brillantirten Dolchen auf mich los.

Ich will nicht, rief sie, daß ihr ihn verwundet, aber wohl, daß ihr ihn züchtiget. – Sie schlugen und stießen mit den diamantenen Knöpfen der Dolche unbarmherzig auf mich zu. – Ich verlor alle meine Besinnung, und als ich wieder zu mir kam, fand ich mich allein im Saale, wo ich die Nacht für einen Bräutigam sehr schlecht zubrachte. Am Morgen kamen die Sklavinnen, um mich zu fragen, ob ich nicht ins Bad gehen wolle, wie dieß der Gebrauch ist nach der Hochzeitnacht. Weswegen in's Bad, fragte ich, vielleicht um mir die Schläge vom Rücken zu waschen? Nun verrichtete ich das Morgengebet, und kleidete mich in einen sehr reichen Anzug, den ich mir hatte vom Hause kommen lassen.

Ich ward in einen andern Saal geführt, der gelb ausgeschlagen, sonst aber wie der gestrige eingerichtet war. Die neun Frauen nahmen ihren Platz[19] auf den Sofa's ein, und endlich erschien die meinige, wie gestern im Staate des Chalifen.

Alles gieng vor sich wie den Abend vorher. Zwar hatte ich mir bestens vorgenommen, dem Rausche der Begierden zu widerstehen, als aber hinter den Vorhängen die zwey Zauberkehlen den Wechselgesang der Liebe anstimmten, da zog's mich unwiderstehlich hin zu meiner Gebieterin. Sie rief ihre Mädchen zu Hülfe, und diese mißhandelten mich noch unbarmherziger wie gestern. Ich mußte den Wundarzt holen lassen, und war kaum nach sieben Tagen wieder im Stande dem Hochzeitsfeste beyzuwohnen. Indeß hatte mir dieser Zeitraum dazu genützt, ein Mittel zu ersinnen, wodurch dem Spiele ernstlich ein Ende gemacht würde. Mein Arzt hatte mir ein Opiat von aromatischen Kräutern gegeben. Als nun der Sorbet herumgieng, warf ich das Opiat geschickt in den Becher, und es brachte bald seine Wirkung hervor.

Als die Thüren aufgiengen und der Gesang ertönte, fühlte ich mich stärker als jemals vom Taumel der Liebe ergriffen. Ich umarmte meine Geliebte, die kaum ihr schmachtendes Auge offen halten konnte. Mit halb erstickter Stimme sprach sie die Worte: zu Hülfe Mädchen! diese wollten herbeystürzen, konnten sich aber kaum aufrechthalten vor Schlaf und Taumel. Ich ward leicht mit ihnen fertig, indem ich eine nach der andern zurück, und zur Thüre hinausschob, die ich hinter ihnen zuschloß. Ich hatte[20] nun mit niemanden zu kämpfen, als mit meiner Gebieterin. Der Kampf war süß und lang.

Ich brachte sie auf ihr Gemach und legte mich in dem meinigen nieder, wo ich den Rest der Nacht hindurch köstlich schlief. Am Morgen kamen die Sklavinnen, mich in's Bad einzuladen. – Von Herzen gerne, antwortete ich, heute weiß ich warum ich in's Bad gehe. – Nach dem Bade begab ich mich in's Gemach meiner Gemahlin. Sie kam mir entgegen, küßte mir die Augen und sprach: Mein Herr und Gebieter, ich hatte bisher keinen Begriff, daß ein Mann meiner Meister werden könnte; da es nun aber einmal so gekommen ist, so füge ich mich darein als deine gehorsame Magd. Ich umarmte sie, und erneuerte oft die Scene der Brautnacht; denn in zehn Jahren hatten wir sieben Kinder.

1

Der Tisch bey den Morgenländern ist eine große runde metallene Platte, auf welcher immer nur eine Schüssel aufgesetzt wird.

Quelle:
Hammer-Purgstall, Joseph Freiherr von: Rosenöl. Stuttgart/Tübingen: Cotta, 1813, S. 13-21.
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