XVII.

[39] Eines Tages ließ Hedschadsch einen Befehl [Rand: Alaim.] ergehen, daß, wer immer des Nachts nach einer gewissen Stunde auf der Gasse getroffen würde, ohne Verzug hingerichtet werden sollte. Nun fand der Stadtvogt eines Abends drey junge Leute, die durch die Gassen schweiften. Er hielt sie an, und fragte sie wer sie wären. Der erste sprach:


Ich bin der Mann, vor dem sich alle Nacken beugen,

Den jedes Haupt entblößet grüßt.

Ich heiße Könige und Königssöhne schweigen,

Ich bin's – der Fürstenblut vergießt.


Der Vogt dachte: bey meiner Ehre! dieser junge Herr ist wohl ein Prinz von Geblüt, ein Verwandter des Chalifen, und wenn ich ihm jetzt den[39] Kopf abschlage, so gilt es hernach meinem eigenen. Der zweyte sprach:


Ich spreche Recht vom Ehrensitze,

Ich spende Lohn und Strafen aus,

Und das Talent, des Staates Stütze,

Entwickelt sich in meinem Haus.


Dieser Herr, dachte der Vogt, ist gewiß einer unserer ehrwürdigsten Magistrate. Es ist besser, ich übereile mich nicht. Der dritte sprach:


Es steht in meiner Macht die Ehren zu vergeuden.

Der Weiseste vermag nicht was ich kann,

Mir kommt es zu. Magnaten zu bekleiden,

Ich zieh' den Schultern Amt und Würden an.


Der Vogt meinte, dies sey der Ceremonienmeister vom Hofe des Chalifen, und behielt ihn mit seinen Gefährten die Nacht über in seinem Hause. Am Morgen wurden sie vor Hedschadsch gebracht, und da zeigte es sich, daß der erste ein Barbier, der zweyte ein Schulmeister, und der dritte ein Schneider war. Ihre guten Einfälle retteten ihnen das Leben, das sie durch Uebertretung des Polizeybefehls verwirket hatten.

Quelle:
Hammer-Purgstall, Joseph Freiherr von: Rosenöl. Stuttgart/Tübingen: Cotta, 1813, S. 39-40.
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