[230] [Rand: Alaim.] Ishak, der Sohn Ibrahims, der bekannte Tonkünstler des Chalifen, erzählt: Beständig an die Gesellschaft des Chalifen gekettet, fieng ich an, dieselbe lästig zu finden, und suchte mich eines Tages aufs Feld hinaus zu retten, um wenigstens einige freye Augenblicke zu genießen.
Meinen Dienern befahl ich, daß, wenn ein Bote vom Chalifen, oder von jemand Anderem käme, sie antworten sollten: sie wüßten nicht, wo ich hin gegangen wäre. Der Tag war heiß, und ich legte mich bald unter eine Laube, um auszuruhen. Es kam ein Sklave, der einen Esel führte, worauf ein schönes Mädchen saß. Schön gewachsen, schön angezogen, ich dachte, es müsse eine Sängerin seyn. Sie ritt bey mir vorbey in ein benachbartes Haus; ich stand auf, und gieng vor dem Thore auf und nieder. Zwey schöne junge Leute kamen, und grüßten mich; ich gab ihnen den Gruß zurück; sie giengen ins Haus, und ich mit ihnen, sie in der Meinung lassend, als sey ich wie sie geladen worden, während der Hausherr glaubte, sie hätten mich mitgebracht. Man setzte uns zu essen und zu trinken auf, und das schöne[230] Mädchen, das ich gesehen, trat heraus aus dem Harem, mit einer Laute in der Hand. Sie sang, und begleitete ihr Lied mit zauberischen Akkorden. Der Hausherr fragte seine beiden Freunde, wer ich wäre, sie ihn. Es fand sich, ich sey ein ungebetener Gast; nichts desto weniger behandelte man mich sehr freundlich aus Rücksicht für den geistvollen Ton, mit dem ich die Gesellschaft zu unterhalten versuchte. Der Becher gieng im Kreise herum, und die Sängerin sang:
Deiner denk' ich, Ommi Schasie,
Seh dich nah vorüberziehen,
Während die Kameele trinken
An dem Brunnen in der Wüste.
Deine glatten Zähne glänzen
Wie des Sandes Spiegelkörner;
Und von deinem Angesichte
Strahlt des Mittags Flammenhitze.
Hierauf zerstreute sich die Gesellschaft, um das Gebet zu verrichten, dessen Stunde eben ausgerufen worden war. Während sie sich entfernt hatten, nahm ich die Laute, und stimmte dieselbe auf eine ganz eigene Weise nach sonst ungewöhnlichen Tonverhältnissen. Als die Sklavin zurückkam, und das Instrument in die Hand nahm, fragte sie sogleich: Wer hat es gestimmt? – Niemand, daß ich wüßte, antwortete ich. Ey wohl, sagte sie, ein Meister der Kunst hat die Saiten geregelt. – Ich gestand, daß ich es gethan hätte. Nun, sprach sie, so spiele auch du. Ich spielte einige meiner besten Weisen zum Entzücken der Gesellschaft; ich schwöre bey Gott dem Lebendigen,[231] rief der Hausherr aus, du bist ein Meister in der Kunst, entdecke uns nun auch deinen Namen. Ich nannte mich, und bekannte zugleich, daß, während der Chalife meiner harrte, ich mich weggestohlen, und blos des schönen Mädchens willen den Eingang ins Haus versucht hätte. Wohlan! sprach der Hausherr, höre den Vorschlag, den ich dir mache: Bleibe eine Woche bey uns, um die Hochzeit mit der Sängerin, die du verlangst, zu feyern.
Ich blieb eine Woche bey ihnen, während mich der Chalife Mamun aller Orten suchen ließ, ohne meine Spur zu entdecken. Nach sieben Tagen verließ ich das gastfreundliche Haus, und nahm die Sklavin mit mir. Dann ritt ich nach Hof, wo mir der Chalife ein Weh dir! zurief. Ich erzählte ihm aber meine Geschichte von Anfang bis zu Ende, und sie gefiel ihm so wohl, daß er meinen freygebigen Gastfreund mit hundert tausend Dirhem beschenkte.