CXCIX.

[318] [Rand: Dschami. 618.] Die Feder und der Degen, jedes auf seine Vorzüge stolz, und stets im Streite begriffen, welchem von beyden vor dem andern der Vorrang gebühre, kamen darüber einmal gar lebhaft zur Sprache. Die Feder, immer gesprächiger als der Degen, begann auch diesmal wacker zu schimpfen: Du zweyschneidiger Bluthund! sagte sie, du Herzendurchbohrer und Wohlstandzerstörer, wie unterstehst du dich, mir in die Nähe zu kommen, mir friedlichen Seele, die ohne Lärm zu machen, Jedem sein Recht gewähre; glaubst du mir vielleicht Neigung einzuflößen zu deiner langen hageren Figur, und zu deinem eisernen Antlitz mit zwey Gesichtern? Du solltest wenigstens wissen, daß der Koran in meinem Namen schwört, und dieser Schwur sollte dich in den Schranken der gehörigen Ehrfurcht erhalten.

[318] Der Degen. Ey du unerträgliche Schwätzerin, du herzloses zweyzüngigtes Gesicht, wenn du nur deine schwarze Galle ausgießen kannst, so geschieht dir schon leichter; mit welchem Recht und Erfolge, das kümmert dich wenig. Das heiß' ich doch gewaltig in der Einbildung leben, wenn du glaubst, daß man in deine dintenbeklekste Fratze verliebt seyn könne, oder daß nur du allein dir auf deinen Adel Etwas zu Gute thun dürfest. Geschieht meiner etwa weniger als deiner im Koran Erwähnung? Schwört Gott der Herr nicht beym Degen wie bey der Feder? Und welcher von diesen beyden Schwüren der wirksamere sey, hierüber kann, dünkt mich, sogar in deiner ausgehöhlten Brust kein Zweifel obwalten.

Die Feder. Sage, was du willst; mit meinem Ruhme kommt der deinige doch nie in Vergleich. Die Leute zeigen nicht nur nach mir mit den Fingern, sondern halten mich sogar mit dem Zeigefinger fest.

Der Degen. Wohl wahr! ein Paar Finger sind genug, dich federleichtes Geschöpf nach Belieben zu regieren; mich kann nur die ganze Hand umfassen, mich regiert nur die Stärke des Arms.

Die Feder. Siehst du, wie mein weiß atlasnes Kleid glänzt1, wie die weißen Reiger auf dem[319] Kopfe nicken, und Moschus meinen Tritten entströmet.

Der Degen. Und hast du keine Augen für mein blaugewässertes spiegelndes Staatskleid, für das goldne Diadem, das sich um meinen Kopf schlingt, und für mein Haus mit Goldblech gedeckt, dem ich wie der Blitz entfahre, während du nur langsam und mit Mühe deiner Behausung, dem Futterale, entschliefest.

Die Feder. Rede mir nur nicht viel von deinem schielenden Staatskleid; sieht es ja aus, als ob ganze Heere von Ameisen darauf herumkröchen2.

Der Degen. Die doch immer mehr Ehrfurcht gebieten, als die Ameisenfüße, die dein Werk sind.

Die Feder. St! mache deinen Prahlereyen einmal ein Ende, schweige und höre dem lieblichen Tone, der meiner Zunge entfließt, wenn ich mit dem Schritte des Zephirs über die weißen Papyrusfluren hingleite3.

[320] Der Degen. Hättest du lieber selbst geschwiegen, und mir dein ohrenzerreißendes Gekratze nicht in den Sinn gebracht. Zum Glücke höre ich wenig davon mitten unter dem Schalle von Trompeten und Pauken, mit dem mich das Lager früh und Abends begrüßt.

Die Feder. Sage auch, mitten unter dem Getöse des Hufschlags der Pferde, dem Geklirre der Waffen, dem Schlachtgeschrey, dem Mordausruf, dem Wehklagen der Verwundeten, dem Aechzen der Sterbenden, dem Gekrächze der Raubvögel, und dem Geheul der Schakale.

Der Degen. Freylich hast du keinen Begriff von männlicher Kraft und Tapferkeit; ich durchwühle die Minen der Brust, und hole die Rubinen der Herzen daraus hervor, wie der Schatzgräber in Bedachschan4.

Die Feder. Ich beneide dich um solche Schätze nicht. Um wie viel kostbarer sind nicht die, so ich auf meinen Reisen sammle, und auf meinen beständigen Wanderungen vom schwarzen Meere nach Chatan, und von Chatan nach dem schwarzen Meere5.[321]

Ich durchwühle nicht, wie du, blutige Busen, um Rubinen zu finden, aber ich tauche ins Meer, um Perlen heraufzuholen, und wenn ich sie aufgefischet, so weiß ich sie auch zu durchbohren, und an einander zu reihen6.

Der Degen. Du bildest dir auf deine Reisen gar zu viel ein, meinst du denn, ich habe die Welt nicht gesehen, weißt du nicht, daß ich ursprünglich aus Indien komme, und in den Fluthen des Ganges zuerst gestählet ward.

Die Feder. Das heiß' ich weit hergeholt; wenn ich von meinem Vaterlande hätte sprechen wollen so hätte ich dir von Aegypten erzählt, wo ich neben dem Papyrus an den Ufern des Nils aufgewachsen bin.

Der Degen. Ich habe mehr als einmal die ganze Erde durchzogen, alle Reiche erobert, und alle Völker mir unterthänig gemacht.

Die Feder. Wie hättest du aber deine Herrschaft ohne mich befestigen können; was wäre aus ihr geworden ohne Gesetze und Wissenschaften? Ich schreibe das Gesetz. –

Der Degen. Und ich vollstrecke es.

Die Feder. Mich lieben die Guten und Weisen aller Zeiten und Geschlechter.

[322] Der Degen. Mich ehren die Mächtigen und Großen aller Länder und Völker.

Die Feder. Vor Erschaffung der Welt ward ich erschaffen, und schrieb auf der diamantenen Tafel die unabänderlichen Beschlüsse des Schicksals.

Der Degen. Am Tage des Gerichts noch werde ich flammen in der Hand des Engels, der die Guten von den Bösen scheiden wird.

Die Feder. Ohne mich wäre Gottes Wort auf Erden nie unverfälscht erhalten worden. Gabriel stieg damit vom Himmel nieder, um es dem Propheten zu offenbaren, aber ich habe es aufbewahret für künftige Zeiten.

Der Degen. Wer aber hat es ausgebreitet über den ganzen Erdkreis als ich? – Vergiß nicht, der Prophet hielt in der einen Hand den Koran, in der andern mich.

Die Feder. Da hast du ein wahres Wort geredet, und fast sollte ich daraus schließen, daß wir einer näheren Verbindung und Freundschaft fähig sind, als wir es unserer Natur nach zu seyn scheinen.

Der Degen. Vielleicht ist's so, wie du sagst, wenn wir die Sache näher beym Lichte betrachten.

Die Feder. Wirklich könnte man dich eine Feder nennen, welche viele Namen aus dem Buche der Lebendigen mit einem Zuge ausstreicht.

Der Degen. Und dich einen zweyschneidigen[323] Degen, der die verworrensten Knoten mit einem Hiebe entzwey haut.

Die Feder. Auch übernimmst du meine Rolle und schlichtest meine Geschäfte. So schreibst du nicht selten Gesetze vor. –

Der Degen. Und du eroberst die Meinungen.

Die Feder. Auch gestehe ich, daß ich nur zu oft gezwungen bin, dir zu gehorchen.

Der Degen. Wofür du mich mehr als einmal wider meinen Willen in die Scheide steckest.

Die Feder. Wie wäre es denn, wenn wir künftighin, anstatt einander Schabernake anzuthun, und böse Streiche zu spielen, uns einmal für allemal im Guten verglichen, Jedes von unsern Foderungen des Vorranges Etwas nachgäben, und alle unsere Kräfte aufböten, die Erde und ihre Bewohner so glücklich zu machen als möglich.

Der Degen. Was den letzten Punkt anbetrifft, so magst du träumen so viel du willst, und ich mag kein Wort darüber verlieren. Unter uns allein kommen wir schwerlich je ins Reine, und es bedarf eines Mittlers, der uns Beyde in den gehörigen Schranken zu erhalten weiß, so daß wir weder zu viel, noch zu wenig angesehen werden, daß weder du mir unumschränkt gehorchen, noch ich dir blindlings folgen darf. Wo der aber zu finden, das weiß Gott besser.

1

Hier mußten die Farben des Bildes verändert werden, um auf unsere Federn anwendbar zu seyn. Der gelbe Taft und der schwarze Kopfputz des Originals, wo von orientalischen Federn, das ist, von gelbbraunen Röhren mit schwarzen Knoten die Rede ist, wäre sonst vielen Lesern unverständlich. Ohnedies wird eine kältere nordische Einbildungskraft öfters nur mit vieler Mühe dem Hipogrifenflug der orientalischen nacheilen.

2

Die schwarzen feinen Wellenlinien auf damascirten Klingen werden von morgenländischen Dichtern mit Ameisen verglichen; es sind die Ameisen des Todes.

V. Jones Poës. asiat.

3

Sonus calami tui cum negotia difficile expedias, similis est modulis Davidis, cum Psalmos caneret.

Jones. Comment. de poës. asiat.

4

Die feurigsten orientalischen Rubinen kommen aus Bedachschan.

5

Die Wanderungen vom Dintenfaß aufs Papier. Das schwarze Meer bedarf keiner Note, wohl aber viel leicht die Provinz Chatan, so der blendenden Weiße ihrer Einwohner wegen berühmt ist, und also hier fürs Papier genommen wird.

6

Siquidem calami acumine adamantino margaritas nexi.

Ferdusi. Jones. p. 19.

Quelle:
Hammer-Purgstall, Joseph Freiherr von: Rosenöl. Stuttgart/Tübingen: Cotta, 1813, S. 318-324.
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