Dreizehnte Geschichte

[10] geschah an einem Goj (Heiden), der kam zu Schamai un sprach: »Wieviel Thaurohs habt ihr Juden?« Da sprach Schamai: »Wir haben nit mehr als zwei Thaurohs. Eine Thauroh is uns geschrieben worden, die andere is uns mündlich gegeben worden.« Sprach der Goj: »Die geschriebene Thauroh glaub ich wol, un was drinnen geschrieben steht. Aber die mündliche Thauroh glaub ich nit, un auch was drin steht. Tu eins, un lern mir un sei mich megajer (bekehre mich), um daß du mich willst die geschriebene Thauroh lernen.« Da schrie ihn Schamai an, un heißt ihn zorniglich hinweg gehn. Da ging der Goj von Schamai un ging zu Hillel un fragt ihn auch, wie er hat Schamai gefragt. Da war ihn Hillel megajer auf seine Rede, un hebt an mit ihm zu lernen, un lernt den ersten Tag mit ihm aleph, beth, gimel, daleth (a, b, g, d). Da sagt der Goj Hillel nach, wie er ihm vorsagt. Den andern Tag lernt Hillel wieder mit ihm, un kehrt es um, un sagt zu dem Goj daleth, gimmel, beth, aleph. Da sprach der Goj zu Hillel: »Lieber Rabbi, du hast doch gestert mit mir nit so gelernt.« Da sprach Hillel: »Qu verläßt dich ja auf meine Rede, was ich dir vorsag, so verlaß dich auch auf die mündliche Thauroh, un glaub, was drinnen steht.«

Quelle:
Allerlei Geschichten. Maasse-Buch, Buch der Sagen und Legenden aus Talmud und Midrasch nebst Volkserzählungen in jüdisch-deutscher Sprache, Nach der Ausgabe des Maasse-Buches, Amsterdam 1723, bearbeitet von Bertha Pappenheim, Frankfurt am Main: J. Kauffmann Verlag, 1929, S. 10-11.
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