Siebenundvierzigste Geschichte

[41] geschah: Eine Frau, die heißt Berurje, die war Rabbi Meier's Weib. Un die Berurje die war Rabbi Chanine benTeradjon seine Tochter, der in Churben steht. Die selbige Frau hat eine Schwester, die war gefangen worden unter Gojim (Christen). Un sie war getan in ein Hurenhaus zu anderen Huren. Wir finden anderswo, daß die selbige Frau gar stolz is gewesen mit ihren Tritten, daß der Heilige, gelobt sei er, auf sie gezürnt hat. Derhalben soll ein Mensch nit hoffärtig sein. Da sprach die Berurje zu ihrem Mann Rabbi Meier: »Mein lieber Mann, es is mir eine große Charpe (Schande), daß ich soll eine Schwester in einem Hurenhaus haben. Mein lieber Mann, sieh doch, daß du sie kannst herausbringen.« Da ging der Rabbi Meier hin, nahm ein halbes Maß Gulden bei sich un zug nach ihr un wollt sie heraus ziehn un sagt: »Is sie noch rein, un daß noch kein Issur (Unrecht) mit ihr geschehen, so wird mir gewißlich ein Neß (Wunder) mit ihr geschehen, un werd sie können heraus bringen. So aber chaß wescholaum (bewahre) ein Issur mit ihr geschehen, so fercht ich mich, ich werd sie nit können herausbringen.« Er zug solang, bis er in die Stadt kam, wo sein Weib's Schwester in dem Hurenhaus war. So tat sich Rabbi Meier an gleichwie ein Poriz, (vornehmer Mann) un ging in das Hurenhaus un kam bei die Frau, un sprach zu ihr: »Lieg bei mir, ich will dir viel Geld zu Lohn geben.« Da sprach sie zu Rabbi Meier: »Ich hab diesmal mein weibliche Zeit.« Da sagt er wider: »Ich will warten bis du wieder rein bist.« Da sagt sie: »Was brauchst du viel auf mich zu warten, es sind doch viel Weiber hinnen, die viel hübscher sind als ich bin.« Da gedacht sich Rabbi Meier: »Gewiß is die Frau noch nit verunreinigt worden.« Da ging der Rabbi Meier zum Schaumer (Wächter), der über die Huren gesetzt war un sprach zu ihm: »Gib mir die Frau, ich will sie mit mir wegführen.« Da sprach der Schaumer: »Ich darf mich nit solches unterstehn vor dem Melech (König).« Da sprach Rabbi Meier: »Nimm dir die zwei Maß Geld. Un wenn dir der König wird Geld anheischen derfür, so gib ihm ein Maß mit Geld, un die andere Maß halt für dich.« Da sprach der Schaumer: »Der König wird mir eine Aliloh (Verdächtigung) zuwerfen un wird mich um mein Leben bringen.« Da sprach Rabbi Meier: »Wenn man dir eppes tun will, so ruf du: ›Der Gott von Rabbi Meier soll mir helfen‹, so wirst du beschirmt werden.« Da sprach der Schaumer: »Wer sagt es mir, ob der Ansprach wahr is?« Da sprach Rabbi Meier: »Es sind doch viel böse Hund hie, so nimm einen Stein un werf nach ihnen, so werden sie kommen un werden dich wollen beißen. So sag gleich wie ich dich gelernt hab, so werden sie dir niks tun können.« Da tät er dasselbige. Da kamen die Hund un wollten ihn beißen. Da sagt er: »Der Gott von Rabbi Meier, der soll[42] mir helfen.« Da laufen die Hund alle weg. Nit lang dernach, da war der König gewahr, wie der Schaumer hat die Frau weg gegeben. Da ließ er den Schaumer fangen un war so geführt, daß man ihm soll den Kopf abschlagen. Da sprach er: »Der Gott von Rabbi Meier soll mir antworten.« Da könnt man ihm niks tun, un mußten ihn wieder gehn lassen. Da fragt man ihn, was er gesagt hat, daß er beschirmt is geworden. Da sagt er ihnen die ganze Schmue (Geschichte), wie es ihm gegangen wär mit der Frau. Da ließ der König den Rabbi Meier abmalen in seiner Gestalt gleich wie er war, un ließ auf jegliches Tor so eine Schilderei anschlagen in ganz Rom un ließ ausrufen in alle Gassen: »Wer da so einen Mann sieht, gleich auf der Schilderei geschildert steht, der soll ihn gleich fangen un soll ihn zum König bringen.« Auf eine Zeit, so ging der Rabbi Meier durch die Stadt Rom. Da sahen ihn die Leut von Rom un lauften ihm nach un wollten ihn fangen. Da ging Rabbi Meier in ein Hurenhaus. Da sprachen die Leut: »Das is Rabbi Meier nit, denn Rabbi Meier, der tut solches nit, daß er in ein Hurenhaus sollt gehn.« Ein Teil sagen er ging in ein Garküch, da viel Essen am Herd stund un stoßt einen Finger in ein heißen Topf mit Essen un leckt den andern Finger ab, damit die Leut sollten meinen, er hätt von dem Essen gegessen un wären wol gedenkt daß das nit Rabbi Meier is. Ein Teil sagen Elijohu hanowi (Prophet Elias), der ging ihm entgegen un hat sich gemacht zu einer Hure un halst ihn un kuscht (küßt) ihn. Da sagten die Leut: »Das is Rabbi Meier nit, denn der tut solche Sachen nit.« Und wie er nun sah, daß ihm der König gar hart nach ihm steht, so zug er aus dem Land un zug nach Babel. Aber es is ein ander Pschat (Auslegung), warum er nach Babel is gezogen. Aber ich mag nit dervon schreiben. Wer es wissen will, der seh ein in dem Perusch (Auslegung) von der Gemore, so werdet ihr es finden, warum er nach Babel zug.

Quelle:
Allerlei Geschichten. Maasse-Buch, Buch der Sagen und Legenden aus Talmud und Midrasch nebst Volkserzählungen in jüdisch-deutscher Sprache, Nach der Ausgabe des Maasse-Buches, Amsterdam 1723, bearbeitet von Bertha Pappenheim, Frankfurt am Main: J. Kauffmann Verlag, 1929, S. 41-43.
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