Der Zauberstab

[184] Ein Bettler, der einen Zauberstab besaß, bat eines Abends um Lager und Mahl einen sehr reichen Priester, der seit seiner Witwerschaft mit einer jungen Dienerin, seiner Geliebten, lebte.

Der Pfaffe aber ließ ihm einige Rinden trockenen Brotes, drei Oliven und ein Glas Wasser geben und schickte ihn auf den Boden schlafen.

Am Morgenwachte der Bettler auf und bemerkte, daß ein Loch in der Bretterwand ihm zu sehen erlaubte, was in des Priesters Zimmer vor sich ging. Er blickte hindurch. Die Dienerin, mutternackt, lag auf allen Vieren, und der Pfaffe, in derselben Nichtbekleidung, den Stock am guten Ort eingepflanzt, ritt sie und schrie:

»Hüh hott, hüh hott, hüh hott!«

»Jetzt hab' ich meine Rache gefunden,« sagte sich der arme Teufel.

Und nach dem Knotenstock greifend, der ihm beim Gehen stützte, sprach er:

»Pope und Magd, bleibet also und geht auf die Straße.«

Schnell purzelte er die Treppe hinunter und folgte der Dienerin, die, ohne anhalten zu können, den Pfarrherrn auf die Straße trug.[185]

Bald erhob sich an allen Ecken ein Geschrei. Alle Bauern liefen herzu und sahen den nackten Priester, der seine Magd ritt und schrie:

»Hüh, hott, hüh hott!«

Ein altes Weib aber kreischte auf:

»Das ist empörend! O du hündische Dirne. Wart' ich will dich lehren, die Muttersau mit unserem Seelenhirten zu spielen!«

Und wirft auf sie, was ihr in die Hand fällt: Steine, Orangen, ein Bündel wilden Spargels, die gemäß des Bettlers Befehle an des Pfaffen Hintern kleben bleiben.

Eine Kuh aber bemerkt das Spargelbündel und will sie fressen. Der Zauber faßt sie, und siehe da, sie kann das Gemüse nicht loslassen.

Die Menge mehrt sich. Ein Stier kommt aus seinem Stall, sieht die Kuh, springt auf sie und tut das, was der Pfaffe mit der Magd tut. Und siehe, auch er kann nicht von der Kuh los.

Der Besitzer des Stieres eilt herzu und zieht sein Tier beim Schwanz. Fest klebt er. Er ruft um Hilfe. Sein Weib kommt im Hemd und packt ihren Mann bei der Hose, deren Gürtel sie zerreißt. Die Kinder kommen und hängen sich an die Traube.

»Hüh, hott! Hüh, hott!« schrie der Pfaffe.

Und die Dienerin läuft immer auf allen Vieren, und das Dorf ist auf den Hacken dem Zuge nach.

Der Bettler hat sich genugsam gerächt.[186]

Sprach: »Ein jeder gehe nach Hause!«

Und während er seine Straße zieht, retten Pfaffe und Magd, endlich befreit, sich ins Pfarrhaus, laufend wie Esel, denen man Feuer unter den Schwanz hält.

Quelle:
[Hansmann, Paul] (Hg.): Schwänke vom Bosporus. Berlin: Hyperionverlag, [1918], S. 184-187.
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