Die Kuh, der Elefant und der Mann

[121] Die Kuh und der Elefant lebten, ihr Gras fressend, still für sich allein Tag und Nacht auf dem Berge. Da bekamen beide ein Kind. Ein Mann, ohne Ziel fortwandernd, kam zu ihnen; da floh die Kuh und der Elefant. Er aber rief ihnen zu: »Fürchtet euch nicht, machen wir vielmehr ein gegenseitiges Bündnis.« Sie antworteten ihm: »Nein, wir trauen dir nicht; des Menschen Sohn ist voll Listen, bei Gott, wir trauen dir nicht.« »So probieren wir es!« sagte er. »Gut, wir probieren[119] es,« sagten sie. »Der Bund gelte also,« sagte er. »Ja, er gelte,« erwiderten sie. »Wohin bringst du uns?« fragten sie. »Laßt mich nur und habt keine Angst!« antwortete er. Kuh und Elefant sprachen nun zu einander: »Wir wollen ihm die Kost geben, die eine das Abendessen, die andere das Frühstück, auch das Mittagessen stellen wir ihm, dafür soll er uns auf die Kinder acht geben!« »Machen wir es so! ich gebe ihm das Abendessen,« sagte der Elefant. »Gut, und ich gebe ihm das Frühstück,« sagte die Kuh. Am Abend wartete nun der Mensch am Lagerfeuer. Da der Elefant milcharm war, ging der Mensch hungrig zu Bett. Am folgenden Morgen gingen Kuh und Elefant in aller Frühe auf die Weide, indes der Mensch als Hirt auf ihre Kälber acht gab. Blärend kam dann die Kuh zu ihrer Tochter, der Mensch aber hielt diese fest. »Laß nur meine Tochter los! für alle reich ich hin,« sprach zu ihm die Kuh. Er ließ also das Kalb los. Als es satt war, sprach die Kuh zum Menschen: »Nun komm und wärme deinen Milchtopf!« Er kam, molk sie, füllte seinen Milchtopf an und erquickte sich, indem er den ganzen Morgen über den Milchtopf aufnahm und wieder niederstellte. Abend für Abend, zur Zeit des Elefanten, hatte er karge Kost, bei Tag aber, zur Zeit der Kuh, da erquickte er sich. Indem sie so lebten, kam einst der Löwe zu ihnen, alle flohen insgesamt. Des Elefanten Sohn packte der Löwe, ihn einholend, indes die Tochter der Kuh, weil sie kräftig war, ihrer Mutter nachsprang und so entkam. Der Elefant verlief sich, die Kuh aber, ihre Tochter und der Mann blieben beisammen[120] und sie ernährte alle, ihre Tochter und den Mann. Mittlerweile aber vermehrte sich die Kuh, die Kühe bildeten eine Herde, und der Mann nahm diese mit sich und ließ sich bei Leuten nieder. Er freite, heiratete und lebte wie seinesgleichen.

Quelle:
Seidel, A. (Hg.): Geschichten und Lieder der Afrikaner. Berlin: Verein der Bücherfreunde, Schall & Grund, 1896, S. 119-121.
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