[221] Auf des Maesa's rauhen Bergen
Strömen kalt die Wasser hin,
Über mir der klare Himmel
Weckt in seinem Strahlenglanze
Die Erinn'rung jenes Glanzes,
Der in Bodo's Schlosse strahlt,
Jener Stadt so reich und prächtig
In der Tempel goldnem Schmuck;
Und vor meinen Augen schwimmen
Bilder der Paläste hin.
Der Paläste und Pagoden,
Und ich zähl' sie, und ich seh' sie,
Aber ach im Herzen nur!
Fern, ach fern ist mir die Heimat,
Fern des Königs goldne Stadt.
Hätt' ich Schwingen hinzufliegen,
Folgend dem Gedankenschwung!
Dort in prächt'gen Tempelhallen
Beten und verehren sie,
Bringen nach dem alten Brauche
Wasser unsern Göttern dar.[221]
Dort auch meine Boten beten
Mit den Gaben, die ich sandte,
Meiner Klagen, meiner Wünsche
Thränenfeuchtes Zeichenbild.
Wenn ich hier den Blick erhebe,
Dunkelheit bedränget mich.
Steil des Berges schroffe Mauer
Zu dem Himmel strebt empor.
Stinkend qualmt um mich der Nebel
Und des Regens Wassergüsse
Stürzen aus den Wolken nieder,
Selbst um Mittag trüb die Sonne
In des Gottes goldnen Wagen
Mir verhüllend; – denn auch er hat mich verlassen,
Der mit seinen güt'gen Strahlen
Aller Welt Geschöpfe wärmt.
Er verachtet den Verbannten
Hier an diesem kalten Ort.
In der goldnen Stadt nur weil' ich,
Wo die kühlen Ströme quellen,
Wo der Bäume dichter Schatten
Lieblich sich in Bogen wölbt,
Die Lustwandler zu empfangen,
Wo mit Sand bestreute Strassen
Durch der Gärten Hecken ziehn,
Lust und Sang die Luft erfüllt.
In der goldnen Stadt nur weil' ich, –
Ach in den Gedanken nur,
Um mein Elend mehr zu fühlen
Hier auf Maesa's Hochgebirg',
Wo in Lehm und Schmutz wir waten
Wo die rauhe Windesbraut
An den wilden Wäldern schüttelt,
Deren schweigend dumpfe Öde
Nie des Menschen Stimme bricht.
Pfade seh' ich vielfach kreuzen,[222]
Die zu fremden Fernen leiten;
Täglich blick' ich auf die Wälder,
Die unheimlich grausen Wälder,
Doch der Blick wird nicht vertraut.
Wenn der vergangnen Zeit ich denke,
Dann weil' ich in dem Königsschloss,
Dort möcht' ich folgen, um zu weilen,
Doch weil' ich unverändert hier.
Getrübt ist mir das Augenlicht
Im steten Schauen dieser Berge,
Die selbst nach ihres Namens Klange
Der Königsstadt bekannt nicht sind.
Nichts hier gleicht der aus frühern Tagen
Mir teueren Erinnerung,
Im Sommer nicht, wie ich gewohnt, die Wärme,
Der Winter, meiner Heimat Winter nicht;
Die Sonne selbst, in deren Strahlenglanze
Ich stets zu jubeln und zu jauchzen pflegte,
Hier scheint sie kalt und bleich in Nebelhülle,
Doch jenseits dorten strahlet in der Ferne
Die goldene Stadt im Regenbogenglanze,
Der sich im prächt'gen Spiel der bunten Farben
Um ihre Tempel und Paläste bricht.
In der Nächte düsterm Dunkel,
Das mich finster hier umfängt,
Strahlt mir stets die Stadt des Goldes
Als ein Stern voll goldnem Glanz.
Niemals könnt' ich sie vergessen,
Niemals ist sie fern von mir;
Ob ich träume, ob ich wache,
Immer schwankt vor meinen Augen
Auf des Jammers Nebelgrunde
Der Erinn'rung schönes Bild.
Vor mir steht die Stadt, die Strassen,
Heben sich die stolzen Hallen
Glitzernd in der Steine Schmuck,[223]
Wo der frommen Beter Scharen
Sich zum hohen Feste drängen
Und im heil'gen Eifer wetten.
Aber hier streicht kalt die Windsbraut,
Heult der Sturm in wüsten Wäldern,
Leuchtet mir kein Hoffnungsstern.
Ach, mit Klagen und mit Weinen
Ist mein Herz zum Tode matt.
Jetzt nun wieder ist die Zeit gekommen,
Wo der Fasten fromme Feier
Zu den Klöstern und Pagoden,
Zu der Götter Tempel ruft.
Wie ein Traum vor meinen Augen
Fluten Bilder früh'rer Zeiten,
Die mich rufen, die mir winken;
Doch, als ob ein weiter Ozean
Mich von meinem Hause trennte,
Meinem Weibe, meinen Kindern,
Kommt mir keine Botschaft zu
Hier in der Verbannung Öde.
Und dann blick' ich in die Zukunft,
Wo noch qualvoll Jahr auf Jahre
Rollen und vergehen werden,
Bis ich selbst im Tod vergeh'.
Ach, schon jetzt bin ich ein Toter,
Tot für meine Kinder, für mein Söhnchen,
Das auf meinem Schosse lächelnd spielte,
Ach, für ihn auch bin ich tot!
Wenn die Stadt in lautem Jubel schallet,
Buntgeputzte Scharen auf den Strassen drängen,
Zu den reich geschmückten Tempeln ziehn,
Wo auch ihr, o meine Kinder, früher folgtet, –
Dann wird euch der Armut Mangel drücken,
Traurig blickt ihr bei den frohen Scherzen,
Trauernd denkt ihr des verbannten Vaters,
Arme Waisen, ohne Vater nun.
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