Schotoku-Daischi und das Meerweib.

[302] Man erzählt, daß Schotoku-Daischi, der berühmte buddhistische Lehrer und Heilige, einst eine wunderbare Erscheinung hatte, als er gerade in der Nähe eines von ihm selbst gegründeten Tempels, Ischidera oder Felsentempel genannt, am Meeresstrande wandelte. Ein Geschöpf, oben ein Weib, unten ein Meeresdrache, erhob sich aus den Wellen und bat den frommen Mann, Fürbitte für seine Erlösung zu thun. »Zur Strafe für die Sünden, die ich in einem früheren Dasein begangen habe,« so erzählte die Meerfrau, »bin ich in dieser meiner jetzigen Gestalt wiedergeboren; die Belohnung meiner früheren guten Thaten wird mir so lange vorenthalten, als diese mir qualvolle Existenz dauert, während welcher ich schon lange gebüßt und tiefe Reue geübt habe. Immer noch habe ich meine Erlösung nicht erreichen können und habe daher meine ganze Hoffnung auf dich gesetzt.« Schotoku versprach ihr Hülfe und fing nicht nur eifrig für sie zu beten an, sondern gelobte auch der Göttin Kwannon tausend Bildnisse, die er von ihr anfertigen wolle. Auch ging er eifrig ans Werk, und kaum hatte er die tausendste Statue der Kwannon in seinem benachbarten Tempel aufgestellt, so erschien ihm auch die Meerfrau, die nun erlöst und in den Wohnplatz der seligen Geister aufgenommen war, und dankte dem frommen Schotoku für seine wirksame Hülfe, ohne welche sie noch lange in ihrem früheren Zustande hätte verharren müssen.

Quelle:
Brauns, David: Japanische Märchen und Sagen. Leipzig: Verlag von Wilhelm Friedrich, 1885, S. 302-303.
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