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[14] Ein Mann hatte einen Tag lang gejagt und wanderte nun durch tiefes Dickicht seinem Hause zu. Plötzlich kam ihm Tapiotar, Tapio's Tochter, entgegen und sagte: »Wenn du mit mir kommst, will ich dich nicht tödten; doch folgst du mir nicht willig, so tödte ich dich auf der Stelle!« Im ersten Schrecken über Tapiotar's Rede und schlimme Drohung wagte der Mann nicht sich zu widersetzen und[14] folgte der Tapiotar auf ihrer Wanderung. Die Beiden gingen lange Zeit durch den dichten Wald, bis sie nach Tapiola1 kamen, wo die Tapiotar den Mann in ihr Haus führte und sagte: »Hier sollst du nach deinem Sinne herrschen, wenn du mir treu bleibst; doch wirst du mir untreu und versuchst du von mir zu fliehen, so werde ich dich auf der Stelle tödten!«
Der Mann, der nirgends eine Hülfe erblickte, ging auf das Ansinnen der Tapiotar ein und nahm sie zum Weibe. Sie lebten eine Zeitlang zusammen, da ward die Tapiotar schwanger und gebar einen Sohn, dem man den Namen Mikko Mieheläinen gab. Als dieser heranwuchs, ward aus ihm ein so fester, starker Mann, wie man es nicht in Versen ausdrücken, in keiner Predigt aussagen kann.
Einst war das Brod im Hause zu Ende; die Tapiotar ging aus Nahrung zu suchen und sagte im Fortgehen: »Während meiner Abwesenheit dürft ihr euch nicht aus dem Hause wagen, gedenkt daran!« Die Anderen versprachen daheim zu bleiben; doch kaum war die Tapiotar aus dem Umkreis des Gehöfts verschwunden, als Mikko zum Vater herantrat und sagte: »Väterchen, ich sehne mich danach unser Vaterland zu sehen; lass uns von hier fortgehen und deine Heimat aufsuchen.«
»O mein lieber Sohn!« erwiderte der Vater; »auch mich drängt es mein altes Heim zu schauen; aber denke an deine Mutter, die uns verboten hat aus der Stube hinauszutreten.« Mikko liess sich dadurch nicht irre machen; er redete so lange seinem Vater zu, bis dieser auf das Vorhaben einging. Nun begaben sich die Beiden auf die Flucht. Nicht lange danach kam die Tapiotar von ihrem Jagdzuge heim; als sie niemand in der Stube sah, errieth sie sofort die Sachlage und eilte den Flüchtlingen nach.[15]
Bald hatte sie den Mann und ihren Sohn auf dem Wege eingeholt; sie sprang mit einem Satze vor sie hin und fragte grimmig: »Wesshalb seid ihr geflüchtet? habe ich es euch nicht verboten?« Der Mann ward ganz elend vor Schrecken über diese Anrede, so dass er nichts erwidern konnte, aber Mikko trat muthig der Tapiotar entgegen und schrie ihr zu: »Aus dem Wege!« Darüber ward die Tapiotar so zornig, dass sie den Sohn mit den Händen packte; doch Mikko liess sich dieses nicht gefallen, sondern warf die Frau gegen einen Zaun, dass sie zerschmettert und zerschunden liegen blieb; danach wanderte er mit seinem Vater weiter.
Endlich kamen sie in ihr eigenes Land, und der Vater lebte mit seinem Sohne in der Heimat wie ehedem. Mikko ward im Laufe der Zeit immer männlicher und kraftvoller, sodass er zuletzt einen Ueberfluss an Kraft besass. Einst streifte er umher und gesellte sich zu anderen Burschen und Mädchen, die sich mit mancherlei Spielen die Zeit vertrieben. Zuletzt wurde ein Ballspiel angefangen, und als die Reihe an Mikko kam, den Ball zu werfen, schnellte er ihn mit solcher Macht einem Mädchen zu, dass ihr der Arm zerbrach, und die Leute zum Vater Mikko's mit der Klage liefen: »Schaffe deinen Sohn fort, er tödtet uns noch alle unsre Kinder!« Der Vater machte dem Sohne Vorwürfe und sagte: »Warum hast du solches gethan, mein Söhnchen? Nimm dich in Acht!« – »Ich meinte den Ball nach altem Brauch geworfen zu haben,« antwortete Mikko; »ich muss es doch wohl aus Versehen etwas kräftiger gethan haben.« Der Vater dachte jedoch in seinem Sinne: »Ich muss den Jungen auf die Arbeit schicken, damit er nicht Zeit findet Böses zu thun.« Darauf sagte er zu ihm: »Geh hin, mein Söhnchen, bringe einige Lasten Holz aus dem Walde, damit wir unsere Badestube heizen können!« – »Das ist bald gethan,« sagte Mikko; »aber hast du irgendwo[16] einen Schlitten und Geschirr?« »Gewiss«, sagte der Vater und übergab Geschirr und Schlitten dem Sohne. Dieser ging damit ins Gehölz und gerade in den besten Tannenwald. Dort erkannten ihn die wilden Thiere und wollten sich auf ihn werfen; aber Mikko erschrak nicht im mindesten, sondern kämpfte mit ihnen und erschlug viele davon. Nun ward es den Ungethümen selber angst, und sie flehten Mikko an: »Tödte uns nicht, Söhnchen, wir werden dir Gutes dafür thun!« »Ei, so mögt ihr am Leben bleiben, wenn ihr mir ein paar Fuder Holz nach Hause fahren wollt«, sagte Mikko Mieheläinen; er wählte die besten unter den Raubthieren aus und spannte sie vor seinen Schlitten. Dann brach er eine grosse Tanne im Walde um, legte sie mitsammt den Aesten auf den Schlitten und fuhr mit den wilden Thieren nach Hause, wo er schnell vom Schlitten sprang und seinem Vater zurief: »Hier, Väterchen, hast du Holz, und hier sind auch Pferde für dich!« »Hast du sie dir angeschafft, Söhnchen, so magst du sie auch behalten; ich kann solche Pferde nicht brauchen«, meinte der Vater.
Nach einiger Zeit ging Mikko wieder hinaus zum Spiel und fing an mit anderen Burschen und Mädchen Ball zu werfen. Was geschah? Als er den Ball hinschleuderte, traf dieser ein Mädchen ans Bein, welches sofort zerbrach. Die Leute liefen wieder zum Vater mit ihrer Klage und sagten: »Schaffe deinen Sohn fort! Er vernichtet das ganze Volk mit seiner riesigen Kraft!« Der Vater ärgerte sich wohl über die Unthaten seines Sohnes, aber da er nicht Abhülfe schaffen konnte, ersann er eine Arbeit für den Burschen und sagte: »Geh doch mal hin, Mikko, und fange mir Fische aus jenem Teiche, damit ich einmal wieder eine Fischspeise zu kosten bekomme!« »Nun so gieb mir, Väterchen, eine alte Mähre aus deinem Stalle, die mir die Fische nach Hause schaffen kann; dann werden wir bald[17] Fische zum Essen haben«, antwortete Mikko. Der Vater gab dem Sohne ein Pferd, und Mikko ging mit der Angelschnur allein zum Fischen aus. Als er am Ufer des Teiches angelangt war, knickte er eine Tanne um, machte sich eine Angelruthe daraus und setzte sich am Ufer zum Fischen hin. Er angelte und angelte, da blieb plötzlich der Wassernix an der Angel hangen; Mikko zog ihn ans Land und schlug ihn halbtodt mit der Angelruthe. Da flehte ihn der Wassernix an und sagte traurig: »Tödte mich nicht, guter Mann, ich will dir Gutes thun!« – »Nun, wenn du mir ein Fuder Fische aus dem Teiche heraufschaffst, dass ich meinem Vater eine Fischspeise bereiten kann, will ich dich am Leben lassen«, sagte Mikko, und liess ihn in den Teich zurück mit der Angelschnur im Munde. Bald darauf brachte der Wassernix einen Sack voll Fische herauf und zog ihn an das Ufer; aber Mikko hob prüfend den Sack in die Höhe und sagte: »Bringe noch einen Sack voll herauf; das ist noch keine Last für einen Mann!« Wieder tauchte der Wassernix in den Teich hinein und brachte aufs neue einen Sack voll Fische. – »So, jetzt habe ich genug!« sagte Mikko zum Nix, »komm jetzt mit und trage mir die Last nach Hause!« Der Wassernix musste alle die Fische in den Säcken tragen, und die Beiden kamen zusammen in Mikko's Heimat an. Sobald sie sich dem Vater so weit genähert hatten, dass er sie hören konnte, rief ihm Mikko entgegen: »Väterchen, hier hast du Fische und eine Wirthschafterin zum Wirthschaften.« Doch als der Vater die Beute seines Sohnes sah, meinte er: »Was du dir angeschafft, mein Söhnchen, magst du auch behalten; ich brauche solch eine Wirthschafterin nicht!«
Sie hatten eine Zeitlang ruhig dahingelebt, als Mikko zum dritten Male zum Spielen hinausging und sich mit den anderen Burschen und Mädchen im Ballwerfen übte. Doch wie erging es wieder? Als er den Ball einem der[18] Mädchen zuwarf, traf er sie in die Seite, sodass sie ganz schief wurde. Die Leute liefen klagend zum Vater und riefen: »Jetzt musst du deinen Sohn fortschaffen! Er zerbricht alles Volk mit seiner unmenschlichen Kraft!« Der Vater trug Sorge um seinen Sohn, wie er ihn wohl daran hindern könnte Böses zu thun. Nachdem er lange darüber nachgesonnen, entschloss er sich, ihn auf weite Reisen zu schicken und sagte zu ihm: »Seit drei Jahren schuldet mir der Waräger König zwei Tonnen Goldes. Geh hin, mein lieber Sohn, und verlange das Geld.« Mikko war dazu bereit und machte sich reisefertig. Er spannte das Raubthier vor den Schlitten, setzte sich in diesen und übergab dem Wassernix die Zügel. Auf diese Weise reiste er lange Zeit, bis er ins Warägerland kam und sich des Königs Behausung näherte; dort fuhr er mit solch einem Gerassel auf den Hof, dass der Palast erzitterte. Darüber erschrak der Warägerkönig heftig, denn er fürchtete, sein Palast stürze zusammen; er rief seinen Sclaven zu: »Fragt den Reisenden nach seinem Begehr, und gebt ihm Alles, was er verlangt, damit er nur seiner Wege fahre!« Die Sclaven eilten hin mit Mikko zu reden; doch als sie sahen, was für ein Pferd und welchen Rosselenker er hatte, erschraken sie noch viel mehr und fragten in ihrer Angst: »Was verlangt der Fremdling?« – »Ich habe zwei Tonnen voll Gold von eurem König zu fordern«, antwortete Mikko muthig. Die Sclaven gedachten des Gebotes ihres Herrn und trugen ohne Zögern die Geldtonnen herbei; Mikko Mieheläinen hob sie in seinen Schlitten und fuhr rasselnd nach Hause. Auf dem eignen Hofe angelangt, spannte er das Raubthier aus und trieb es in den Wald; den Wassernix dagegen liess er in den Teich zurück, und selber trat er vor seinen Vater hin und sagte: »Väterchen, hier ist das Geld, welches du mich aus dem Warägerlande holen hiessest, – nimm!« – Was sollte der Vater dazu sagen?[19] Er hätte eigentlich nichts dagegen gehabt, wenn der Sohn auf der Reise geblieben wäre; aber das viele Geld dünkte ihm doch gut, und so musste er Mikko's Muth loben, da er die Sache so schnell in Ordnung gebracht hatte.
Nun verging lange Zeit, ohne dass dem Vater irgend ein Aergerniss durch den Sohn widerfahren war. Endlich fand Mikko das Leben zu Hause doch langweilig; freilich mochte er sich nicht mehr am Spielen betheiligen, da es ihm stets dabei so schlimm ergangen war. Er trat vor seinen Vater und sagte: »Väterchen, nähe mir einen Reisesack; ich habe Lust mir die Welt anzusehen.« Das war auch ganz nach dem Sinne des Vaters, der schnell einen ledernen Sack fertig nähte und ihn dem Sohne reichte. Den Sack auf dem Rücken, begab sich Mikko jetzt auf die Wanderung und schritt lange durch verschiedene Länder, bis er einst an einen hohen Berg kam, auf dessen Spitze ein Bursche sass, welcher fortwährend zwei Felsen aneinander stiess.
Als dieser Felsenzusammenstosser sah, dass Mikko sich dem Berge näherte, begrüsste er ihn und rief ihm zu: »Ich grüsse dich, Mikko Mieheläinen! Nimm mich zum Gefährten an!« – »Komm nur mit, da du ein tüchtiger Mann zu sein scheinst; besser wandert es sich zu Zweien«, sagte Mikko Mieheläinen; und der Felsenstosser kam vom Berge herab und ging mit. Sie mochten eine Weile miteinander gewandert sein, als sie einen Burschen erblickten, der mit den Händen zwei Flüsse zusammenlenkte; diesem Manne näherten sich die Wanderer. Der Flüsselenker hielt sofort in seiner Arbeit inne und sagte zu Mikko: »Ich grüsse dich, Mikko Mieheläinen! Willst du mich nicht zum Gefährten annehmen?« – »Komm nur mit, wenn du Lust hast; gut ist's, auf der Wanderschaft Gefährten zu haben«, antwortete Mikko Mieheläinen, und die drei Männer gingen miteinander weiter. Nach einiger Zeit[20] gelangten sie in einen tiefen Wald und erblickten darin aus der Ferne etwas, das ihrem Auge wie ein Haus erschien, und als sie näher kamen, sahen sie, dass es eine Menschenwohnung war, für ein Schloss zu klein, für eine Hütte zu gross. Als sie in den Hof traten, sahen sie eine Menge Kühe in einer Einfriedigung stehen; desshalb glaubten die Wanderer, das Haus sei bewohnt, und gingen in die Stube hinein. Aber da trafen sie keine Seele an, das ganze Haus war wie ausgestorben. Die Burschen, die auf ihrer Wanderung müde und hungrig geworden waren, legten sich in der Stube zur Ruhe nieder und beriethen sich, woher sie sich wohl Nahrung schaffen könnten. Da sagte Mikko Mieheläinen zu den Anderen: »Da das Haus ganz verlassen, das Gehege aber voller Kühe ist, werden wir keinen Mangel an Nahrung haben, selbst wenn wir einen Festschmaus halten wollten; lasst uns desshalb eine Kuh aus dem Gehege schlachten!«
Dieser Rath war auch ganz nach dem Sinne der Anderen; sie gingen Alle sofort zur Einfriedigung, suchten sich die beste Kuh aus und schlachteten sie. Der Felsenstosser wurde angestellt aus dem Fleische das Essen zu bereiten, die beiden Anderen gingen in den Wald, um Brennholz zu schlagen.
Die Wohnung gehörte jedoch der Hexe, die während der Zeit im Walde gewesen war; sie kehrte eben heim und fand den Burschen in der Stube vor, wie er die Kuh kochte. Die Hexe kreischte dem Koch zu: »Ei, du Aasjunge, bist du in meine Stube gekommen, um zu feuern und zu schmoren?« Damit packte sie den Burschen an, hob mit der einen Hand den Sperrbaum in die Höhe und steckte mit der andern den Kopf des Burschen in das Loch darunter. Dann schaute sie nach dem Essen, schlang all das Fleisch in sich hinein und ging fort.
Der Bursche unter dem Sperrbaum sprang hin und her,[21] bis er den Kopf aus der Oeffnung herausgezogen hatte; schnell that er die Knochenreste, welche die Hexe übrig gelassen, in den Kessel zurück und kochte daraus eine neue Suppe. Danach ging er hinaus und rief die Gefährten zum Essen. Die Anderen kamen schnell aus dem Walde herbei, da sie sehr hungrig waren, und sie fingen an zu essen; doch die Suppe wollte den Zweien nicht schmecken, und sie fragten den Koch: »Woher ist die Suppe so mager? Es schien uns doch, dass wir die beste Kuh geschlachtet hatten!« »Diese Hütte ist alt und baufällig«, sagte der Felsenstosser, »sie gerieth so sehr ins Schwanken, während ich kochte, dass die Suppe auf den Boden floss, und als ich den Rest aufs neue kochte, ist das Essen nicht besser gerathen.«
Nun, die Anderen mussten die Suppe nehmen, wie sie eben war, und liessen sich für den Tag an solchem Essen genügen. Als es wieder Morgen ward, schlachteten sie aufs neue eine Kuh aus dem Gehege, und der Flüsselenker ward zum Kochen daheim gelassen; die Anderen gingen aus, um Holz zu schlagen wie gestern. Was nun weiter? Während der Bursche kochte, kam die Hexe in die Stube und schrie ihm zu: »Bist du schon wieder in meiner Stube, du Aasjunge, obgleich ich dir's gestern verboten habe?« Sie packte den Burschen an und steckte seinen Kopf unter den Sperrbaum; doch das Essen schlang sie hinunter und ging dann ihrer Wege.
Endlich machte sich der Bursche unter dem Sperrbaum frei und las die wenigen Knochenreste, welche die Hexe übrig gelassen hatte, zusammen und kochte daraus eine neue Suppe. Darauf rief er die Gefährten aus dem Walde herbei und man fing an zu essen. Während der Mahlzeit murrten die Anderen wieder über die Unschmackhaftigkeit der Suppe und sagten: »Es ist doch ein Wunder, dass dieses Gesud so mager ist, wir haben doch eine gute Kuh[22] geschlachtet!« – Aber der Flüsselenker antwortete mit den gestrigen Worten seines Gefährten: »Während ich kochte, schwankte die Hütte so stark, dass die Suppe auf den Boden floss, und als ich den Rest aufs neue kochte, ward das Essen nicht gut.«
Was sollten sie thun? Dieser Tag verging ihnen und sie schliefen die Nacht durch; doch kaum dämmerte der Morgen, als der Hunger über die Männer kam, da sie sich mit so kärglichem Essen an den zwei vorhergegangenen Tagen hatten begnügen müssen, und sie schlachteten eine dritte Kuh aus dem Gehege. Diesmal blieb Mikko Mieheläinen selber zum Kochen da und schickte die beiden Anderen in den Holzschlag. Während des Kochens ward ihm die Zeit lang, und als die Suppe brodelte, machte er sich eine Kantele2 zurecht; in der Stube war keine Bank, auf die er sich hätte setzen können, desshalb trug er vom Hofe einen grossen eichenen Trog herein, stülpte ihn auf dem Fussboden um, setzte sich darauf und fing an seine Kantele zu spielen. In diesem Augenblicke kam die Hexe nach Hause und kreischte Mikko entgegen: »Ei, Mikko Mieheläinen, was kommst du her und lärmst in meiner Stube?« – »Na, ruhig, ruhig, Alte!« sagte Mikko Mieheläinen; »ich spiele ja deinen Kinderchen was vor; wo sind denn deine Kleinen?« Darüber ergrimmte die Hexe noch mehr und schrie vor Zorn: »Was kümmert mich dein Spiel? Komm, lass uns kämpfen, du Aasjunge!« Doch als Mikko Mieheläinen die Alte zu packen kriegte, zerschmetterte er sie und that sie dann unter den eichenen Trog, der umgestülpt auf der Diele stand. Darauf kochte er in Ruhe die Suppe fertig und rief die Anderen zum Mahle. Die kamen bald aus dem Walde heran, und als sie beim Essen waren, fragte Mikko Mieheläinen seine Gefährten: »Nun, ist die[23] Suppe diesmal gut?« – »Ja, sehr gut!« versicherten die Anderen und rühmten Mikko wegen der schmackhaften Zubereitung. Da stand dieser vom Essen auf, hob den Trog in die Höhe und sagte: »Da ist nun diejenige, die das Haus geschüttelt hatte! Warum habt ihr mich nicht gewarnt? Jetzt wird wohl die Hütte nicht mehr wackeln; aber lasst uns weiter gehen, wir haben hier nichts mehr zu schaffen.« Die Anderen schämten sich und wagten gar nichts zu erwidern, sondern wanderten mit Mikko weiter. Sie schritten und schritten immer vorwärts und fanden in einem Walde eine Grube, die so tief war, so tief, dass man den Grund nicht sehen konnte.
»Man müsste doch erforschen, was in der Grube ist«, meinte Mikko Mieheläinen; »aber wie erreichen wir den Grund?« Die Gefährten sannen ein wenig darüber nach und fanden endlich ein Mittel; sie sagten: »Wir haben ja die drei Kuhhäute aus dem Hause der Hexe mit; lasst uns daraus eine Wiege machen und darin hinunterfahren!« Dieser Rath dünkte auch Mikko gut, und sie verfertigten aus den Häuten eine Hängewiege, an welche sie so lange Lederstreifen befestigten, als die Häute dazu ausreichten; daran sollte die Wiege hinuntergelassen werden. Als das Werk fertig war, fragte Mikko die Anderen: »Wer von uns soll sich in die Wiege setzen?« – »Setze du dich hinein, Mikko Mieheläinen«, sagten die Gefährten, »wir schwächeren Männer wollen an den Riemen heraufziehen, was du in die Wiege thun wirst.« – »Gut, so mag es sein«, sagte Mikko Mieheläinen, setzte sich in die Wiege und gebot den Anderen, ihn an den Riemen hinunterzulassen. Die Gefährten thaten es, und Mikko Mieheläinen glitt mittelst der Riemen immer tiefer hinab, bis er endlich unter die Erde gelangte, wo sich ihm ganz fremde Länder und nie gesehene Gegenden zeigten. Vor ihm lag eine neue Welt, der oberen jedoch ähnlich, und am Ufer eines[24] Meeres stand eine Hütte. Mikko Mieheläinen stieg aus der Hängewiege und ging in die Hütte hinein; siehe, da sass ein wunderschönes Mädchen in weissen Gewändern, und
Sie webet goldnes Linnen,
Silberfädchen wohl auch drinnen.
Golden sind des Mädchens Hände,
Füsschen silbern bis zur Lende.
Sonne auf dem Haupt ihr glänzet,
Mondenlicht die Stirne kränzet,
Nordstern ihr die Schultern schmücket,
Dass ihr Sternenglanz entzücket,
Siebenstern thront ihr am Nacken.
Als das Mädchen Mikko erblickte, erschrak sie und sagte: »O du Mann aus fremdem Lande, wie bist du Unglückseliger hierher gerathen? Wenn meine Mutter nach Hause kommt, wird sie dich tödten!« – »Ich habe noch keinen Mann getroffen, der mir gleich kam und den ich zu fürchten gebraucht hätte; sollten mich jetzt gar Weiber besiegen?« sagte Mikko Mieheläinen und erzählte sodann dem Mädchen, wie er in der Hängewiege aus der Oberwelt heruntergefahren war.
Dem Mädchen ward es leid um den Burschen, da er ihr gut gefiel, und sie führte Mikko Mieheläinen in das Vorrathshaus, wo sie ihn unter ihren Kleidern versteckte, damit ihn die Mutter nicht finden sollte; dann schloss sie die Thür hinter sich zu. Aber bald darauf kam die Alte nach Hause und rief schon von der Schwelle ihrer Tochter zu: »Wo hast du den Burschen verborgen? Eben ist ein Bursche hier gewesen! Bringe ihn aus dem Versteck herbei, dass ich mit ihm kämpfe!« Dem Mädchen half alles Leugnen nicht, sie musste den Burschen herbeiholen, und nun entstand ein fürchterlicher Kampf zwischen ihm und der Mutter; doch zuletzt gewann Mikko den Sieg und tödtete das alte Weib. Da vertraute sich das Mädchen dem Manne an und ward Mikko Mieheläinens Weib, und[25] Beide machten sich bereit auf die Oberwelt zu steigen. Was in des Mädchens Hause an Sachen, Vorräthen und Reichthümern, an Silber und Gold zu finden war, nahmen sie mit und trugen Alles an die Grubenmündung, wo die lederne Wiege hing. Die Sachen thaten sie hinein, und Mikko's Gefährten zogen die Wiege an den Riemen hinauf, leerten sie aus und senkten sie wieder herab, bis alle Schätze auf diese Weise unten zu Ende waren. Eben senkte sich die Wiege wieder leer herab, und es gab nichts mehr hineinzuthun, da sagte Mikko Mieheläinen zu seinem Weibe: »Setze du dich jetzt hinein, mein liebes Mädchen, damit du hinaufgelangst; ich folge dir nach, wenn die Reihe an mir ist.«
Das Mädchen setzte sich in die Wiege und ward hinaufgezogen; dann ward die Wiege noch einmal hinabgelassen und Mikko Mieheläinen schwang sich als der Letzte hinein. Die Gefährten zogen ihn eine Strecke an den Riemen herauf, da sagte der eine Bursche zum andern: »Wenn Mikko Mieheläinen aus der Grube herauskommt, wird er uns gewiss keinen Theil an seinen Vorräthen gönnen, sondern wird uns dort hineinwerfen. Wollen wir ihn lieber in der Grube lassen und alle seine Sachen behalten!« Der Andere ging auf den Vorschlag des Genossen ein, und sie zerschnitten alsbald die Riemen, an denen die Wiege hing, und Mikko Mieheläinen fiel auf halbem Wege in die Grube zurück.
Was sollte er nun anfangen? Mikko ging in der Unterwelt in seiner Trauer am Meeresstrande umher und erblickte einen Vogel, der am Himmel flog; schnell rief er ihn herbei: »Komm her, mein Vögelchen!« Der Vogel flatterte heran und sagte: »Ich grüsse dich, Mikko Mieheläinen! Worüber sinnst du?« – »Darüber sinne ich, wie ich wohl in meine Heimat gelangen könnte«, antwortete Mikko; »trage mich, lieb Vögelchen, in meine Heimat!«[26] Der Vogel erbarmte sich seiner, nahm Mikko schnell auf den Rücken und flog mit ihm davon. Er flog und flog mit ihm weite Strecken, bis er Mikko endlich an die Stelle brachte, wo dieser mit seinen Gefährten Holz zum Kochen der Kühe geschlagen hatte; hier liess ihn der Vogel vom Rücken herab und fragte: »Kennst du das Land, wo du dich befindest?« Mikko schaute sich um, erkannte den Ort und sagte: »Nun weiss ich, wo ich bin, mein Vögelchen; schön Dank fürs Herbringen!« Dann schieden die Beiden voneinander; der Vogel flog wieder fort, und Mikko ging nach der Grube zu, wo er die Gefährten verlassen hatte. Als er sich der Stelle näherte, hörte er ein Kampfgeschrei von der Grube her, und als er nahe daran stand und von der Seite hinschaute, sah er den Felsenstosser und den Flüsselenker heftig miteinander ringen. »Nimm die Schätze! gieb mir das Mädchen!« so schrie Einer zum Andern, und sie konnten sich nicht über ihren Antheil an den Sachen, die sie in der Wiege heraufgeschafft, einigen. Da stand plötzlich Mikko Mieheläinen vor ihnen und sagte: »Ich grüsse euch, Gefährten! Hier seid ihr ja, und hier bin auch ich!« Mit der einen Hand packte er den Einen an der Brust, mit der andern Hand den Andern, und stiess die beiden Kumpane in die Grube hinein, indem er sagte: »Geht, Brüderchen, wo ich gewandert bin, mögt ihr auch wandern!«
Alsbald fuhren sie kopfüber unter die Erde, und man sah sie nie wieder und hörte nichts mehr von ihnen; aber Mikko Mieheläinen nahm seine Schätze vom Grubenrande zusammen und ging mit seiner Braut in die einstige Wohnung der Hexe; sie schmückten das Haus mit allem möglichen Reichthum aus und lebten darin miteinander vergnügt und voll Freuden, bis der Tod sie erreichte. – So lang ist die Geschichte!
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