[50] Es war einmal ein alter Mann, der hatte drei Söhne: zwei waren anstellig und geschickt, der dritte, der jüngste,[50] war ein Aschenhans und ein Nichtsnutz. Der Vater, der schon alt und schwach wurde, hatte all sein Gut den Söhnen zum Bewirthschaften übergeben. Die zwei ältesten hielten auch Alles in schönster Ordnung, sodass man im Hause gut zurecht kam. Sie arbeiteten fleissig und waren beim Könige und bei Allen wegen ihrer Verdienste beliebt und wohlgelitten. Der Aschenhans dagegen – der mochte seinen Nacken zu keiner Arbeit beugen und lag lieber müssig auf dem Ofen, von wo er nur, schmutzig und russig, zum gemeinsamen Essen heranschlich. Freilich, wenn er wollte, konnte er gewandt und klug in Allem sein, besonders in seinen Reden. Der Vater liebte ihn und hielt ihn auch eben so hoch wie die Andern, worüber ihm seine Brüder sehr gram wurden. Sobald der Vater nicht zugegen war, zankten sie, schalten ihn wegen seiner Faulheit und Nichtsnutzigkeit, spotteten seiner und schimpften ihn Aschenhocker, Aschenhans und was ihnen gerade in den Sinn kam. Der Aschenhans kümmerte sich aber nicht darum, lachte über die Schimpf- und Spottreden seiner Brüder, kehrte sich auf seinem Ofen auf die andere Seite und warf ihnen nur hin und wieder irgend ein witziges Wort entgegen.
So vergingen Jahre. Der Vater war recht alt geworden. Er verfiel in eine schwere, lange Krankheit und fühlte das Nahen des Todes; da rief er seine Söhne noch einmal zu sich heran. Sie kamen; der Aschenhans kroch vom Ofen herab, um vom Vater Abschied zu nehmen. Der Alte betrachtete seine Söhne eine Zeitlang schweigend, dann kehrte er sich ganz zu ihnen und sagte mit Thränen im Auge: »Meine lieben Söhne! Ihr seht mich am Rande des Grabes, ich habe nicht viele Augenblicke mehr zu leben; ich gehe bald fort und lasse euch hier. Vor meinem Abscheiden will ich all mein Eigenthum zwischen euch ganz gleich vertheilen. Behaltet es und lebt stets in Liebe und Eintracht miteinander. Doch Eines hört noch, gedenkt daran,[51] was ich euch zuletzt sage: wenn ich todt bin, müsst ihr mich mit allen Ehren begraben und an meinem Grabe zu Gott für mich beten, Jeder der Reihe nach, während drei Nächten. Gedenkt daran, versprecht es mir!« – Die Söhne gelobten es unter strömenden Thränen, und der Greis sank in den Todesschlaf. Das Begräbniss ward mit allen Ehren gehalten, wie er es befohlen; nun blieb den Söhnen nichts weiter zu thun übrig, als am Grabe zu wachen, dann hatten sie ihr Versprechen gelöst.
Zuerst kam die Reihe an den Aeltesten; aber er fürchtete sich und wagte nicht in der Nacht allein auf dem Kirchhof zu wachen, darum sagte er zum Aschenhans: »Geh statt meiner an des Vaters Grab zu beten; ich muss eine Geschäftsreise unternehmen und bringe dir schöne Kleider mit.«
Der Aschenhans hatte stets seinen Vater zärtlich geliebt und ging gern statt des Bruders an das Grab. Er betete dort während zwei Nächten, in der dritten grub er den Sarg aus dem Grabe, öffnete ihn und küsste den Leichnam seines Vaters. Der Alte setzte sich aufrecht, öffnete die Augen und sagte, als er Aschenhans erblickte: »Haben deine Brüder schon an meinem Grabe gebetet?« – »Nein«, antwortete der Aschenhans. – »Beide nicht?« fragte der Vater. – »Nein«, versicherte der Aschenhans. »Der älteste Bruder, an dem die Reihe gewesen wäre, fürchtete sich vor dem Kirchhofe und getraute sich nicht zu kommen; darum schickte er mich statt seiner.« – »Mein lieber Sohn,« sagte der Vater darauf zum Aschenhans, »geh heim. Auf dem Hofe findest du eine Quelle; wasche dich erst darin, dann geh hinter das Darrhaus, rufe dreimal mit des Bösen Stimme, wasche dich dann wieder und kehre zu mir zurück.« – Der Aschenhans that also. Er ging nach Hause, fand auf dem Hofe die Quelle und wusch sich darin; da ward er so schön, dass es auf Erden keinen[52] Schönern gab. Er betrachtete sich eine Weile in der Quelle, voll Staunen über die eigene Schönheit; dann ging er hinter das Darrhaus und rief dreimal mit des Bösen Stimme, wie ihm befohlen war. Da erschien plötzlich ein schönes, schwarzes Ross, gesattelt und mit kupferbeschlagenem Zaumzeug; sein Wiehern und Traben konnte man drei Meilen weit hören und aus seinem Munde kam Feuer und aus den Nüstern sprühten Funken. Der Aschenhans besah das Pferd, streichelte es und schwang sich dann auf dessen Rücken, ritt zum Vergnügen etwas herum, kehrte dann zur Quelle zurück und wusch sich aufs neue. Sofort verschwand das Pferd und er selbst erhielt sein früheres Aussehen. Nun ging er wieder auf den Kirchhof und erzählte seinem Vater was geschehen war; dann scharrte er den Sarg wieder ein, nach des Alten Geheiss, und kehrte nach Hause zurück. Gleich fragten ihn die Brüder: »Was hast du gesehen? Haben sich die Gespenster gezeigt? Haben sie dir nicht etwas zu leide thun wollen?« – »Nein!« antwortete der Aschenhans kurz und kroch auf seinen Ofen.
Am Abend kam die Reihe an den zweiten Bruder das Grab zu besuchen. Aber auch er fürchtete sich und bat den Aschenhans statt seiner hinzugehen; er wollte ihm dafür schöne Stiefel schenken. Der Aschenhans ging auch jetzt wieder, betete drei Nächte lang an des Bruders Statt, und grub in der letzten Nacht den Vater wieder aus dem Grabe, betrachtete ihn und küsste ihn. Da setzte sich der Alte wieder aufrecht, öffnete die Augen und fragte: »Ist auch dein zweiter Bruder nicht gekommen?« – »Auch er fürchtete sich und wagte nicht zu kommen«, antwortete der Aschenhans. – »Mein Sohn!« sagte darauf der Alte, »geh nach Hause. Auf dem Felde findest du eine Quelle; wasche dich darin, geh dann ans Ende des Feldes und rufe drei Mal mit einer Mädchenstimme; wasche dich dann[53] aufs neue und komm wieder zu mir, erzähle mir, was dir begegnet ist.«
Der Aschenhans ging hin, fand die Quelle und wusch sich darin: da ward er so fröhlich, dass kein Leid und kein Kummer seinen frohen Sinn trüben konnte. Dann schritt er ans Ende des Feldes, rief dreimal mit einer Mädchenstimme, und siehe, ein schönes, wassergraues Ross, gesattelt und mit silbernem Zaumzeug, sprang ihm wiehernd entgegen, so dass das Traben sechs Meilen weit zu hören war; Feuer kam aus seinem Munde und Funken sprühten aus seinen Nüstern. Der Aschenhans besah das Pferd, streichelte es und schwang sich auf seinen Rücken. Nachdem er eine Weile geritten, kehrte er zur Quelle zurück und wusch sich darin aufs neue; da verschwand das Pferd und er selbst ward wie ehedem. Dann ging er zu seinem Vater zurück und erzählte ihm, was geschehen war; darauf bettete, er den Alten wieder ins Grab und kehrte heim. Die Brüder fragten ihn gleich, was er am Grabe gesehen habe und ob es ihn nicht gegruselt? – »Nein«, antwortete der Aschenhans kurz, kroch auf seinen Ofen und legte sich schlafen.
Als der Abend herankam, war die Reihe an des Vaters Grabe zu beten am Aschenhans selber. Er stand in der Dämmerung auf und begab sich auf den Kirchhof. Drei Nächte hindurch betete er dort inbrünstig; in der dritten grub er wieder seinen Vater aus, öffnete den Sarg und küsste den Todten. Da richtete sich der Alte auf, öffnete die Augen, schaute den Aschenhans an und sagte: »Mein geliebter Sohn, geh zum drittenmal nach Hause. Auf der Wiese findest du eine Quelle; wasche dich darin und geh ans Ende der Wiese und rufe dreimal mit einer Männerstimme. Dann kehre wieder zur Quelle, wasche dich aufs neue und komm zu mir.« Der Aschenhans that, wie ihm geheissen war. Er ging auf die Wiese, wo er die Quelle[54] fand; darin wusch er sich und stand plötzlich in goldglänzendem Gewande da. Dann trat er ans Ende der Wiese und rief dreimal mit einer Männerstimme, wie ihm befohlen war. Da sprang ihm ein schneeweisses Ross mit Goldsattel und goldnem Zaumzeug wiehernd entgegen; aus seinem Munde kam Feuer und Funken sprühten aus seinen Nüstern, und sein Wiehern und Traben konnte man neun Meilen weit hören. Der Aschenhans staunte das Wunder an; er betrachtete seine Goldkleider, betrachtete das schöne, weisse Ross, streichelte dessen Bug, schwang sich ihm auf den Rücken und ritt auf der Wiese umher. Nachdem er eine Weile auf und ab geritten, kehrte er zur Quelle zurück und wusch sich aufs neue; da verschwand das Ross und er erhielt seine alte Gestalt wieder. Darauf ging er auf den Kirchhof und erzählte dem Vater, was ihm begegnet war. Da sprach der Alte zum Aschenhans: »Was begehrst du, mein Sohn, für alle deine Liebe und Ehrfurcht und deinen Gehorsam gegen deinen todten Vater? Willst du ein Kaufmann werden, oder willst du unermesslichen Reichthum, dass du nie zu arbeiten brauchst? Oder wünschest du ewige Weisheit? – Wähle eine der Gaben und bette mich wieder in mein Grab; fortan werden wir einander nicht mehr sehen!« Der Aschenhans wählte die Weisheit, senkte seinen Vater ins Grab, schüttete es zu und ging nach Hause. Wieder fragten ihn die Brüder, was er gesehen, ob er sich nicht gefürchtet? Aber der Aschenhans sagte ihnen auch jetzt nichts, antwortete nur kurz: »Mir war nicht angst!« und streckte sich auf seinem Ofen aus.
Es vergingen einige Jahre. Die älteren Brüder hielten das Hauswesen in schönster Ordnung; doch der Aschenhans liebte nur seinen Ofen, lag stets darauf und kümmerte sich um nichts weiter auf der Welt. Die Brüder wurden ihm endlich gram, weil ihm der Vater einen gleich grossen Antheil vererbt hatte wie ihnen, und er ihn doch nicht[55] bearbeiten mochte. Einmal begaben sie sich auf eine Handelsfahrt und liessen den Aschenhans daheim mit der Weisung, den Frauen im Hause behülflich zu sein, für sie Wasser, Holz und Alles zu holen, was zum Haushalt nöthig wäre. Der Aschenhans war dazu erbötig und die Brüder zogen ab. – Am selben Tage war das Wasser im Hause zu Ende, und die Frauen drängten den Aschenhans, dass er welches hole. Er kroch von seinem Ofen herab, nahm die Stange, that an jedes Ende einen Eimer, nahm sie auf die Schultern und ging an den Strand. Dort schöpfte er die Eimer voll und setzte sich an den Rand des Eislochs, um zu ruhen. So sitzend, erblickte er einen grossen Hecht, der im Wasser schwamm. »Aha!« dachte der Aschenhans vergnügt, »ich habe schon lange keinen frischen Fisch gekostet. Diesen Hecht will ich fangen!« Schnell machte er eine Schlinge, warf sie um den Kopf des Hechtes und fing an zu ziehen, so viel er konnte. Er zog und zog, bis er den Kopf des Fisches aufs Eis hob; da fing der Hecht an zu flehen: »Thu das nicht! ziehe mich nicht hinauf, guter Mann, sonst muss ich sterben!« – »Ich habe schon lange keinen frischen Fisch gegessen, und tödten will ich dich eben«, sagte der Aschenhans. – »Ach, tödte mich nicht«, flehte der Hecht, »tödte mich nicht! Ich will dir eine grosse Kraft verleihen, wenn du mich nicht tödtest; eine solche Kraft, dass du Alles, was du begehrst, sofort erlangen wirst.« Dieses Versprechen dünkte dem Aschenhans gut; doch um die Wahrheit desselben zu erproben, wollte er die Wirkung dieser Kraft erst versuchen. Der Hecht verlieh sie ihm, indem er ihn belehrte: »Sage nur: Nach des Hechtes Lehr', nach eigenem Begehr! – dann geschieht Alles, was du willst.« Der Aschenhans befahl mit diesen Worten den Eimern ungetragen heimzukehren, und im Nu waren sie fort. Da erlöste der Aschenhans den Hecht aus der Schlinge und erhielt von ihm die Kraft.[56]
Darauf setzte er sich selber auf die Stange und sprach: »Nach des Hechtes Lehr', nach meinem Begehr, trage mich nach Hause!« Und alsbald trug ihn die Stange fort und der Aschenhans gelangte auf seinen Ofen zum Schlafen. –
Am folgenden Tage war das Holz zu Ende, und die Frauen liessen dem Aschenhans keine Ruhe, dass er ihnen welches holen sollte. Endlich ging er, die Axt in der Hand, auf den Hof, setzte sich verkehrt in den Schlitten und sagte die Worte her, die ihn der Hecht gelehrt hatte. Da fing der Schlitten von selbst an zu laufen, dass es pfiff. Er fuhr und fuhr immer weiter, bis er an des Königs Lusthain kam. »Hier giebt es schöne Stämme, scheint mir!« meinte der Aschenhans und liess die Axt »nach des Hechtes Lehr', nach eigenem Begehr« die Bäume des Haines fällen. Die Axt hackte und hackte so, dass das Königsschloss davon erdröhnte. Das hörte der König und sandte sein Kriegsheer aus zu schauen, was im Haine geschah. Nun, als sie hinkamen und sahen, wie die Bäume von selbst fielen und sich ungetragen im Schlitten des Aschenhans zurechtlegten, wollten sie den Mann festnehmen. Aber der Aschenhans eilte in den Schlitten, sagte die Zauberworte und fuhr nach Hause, dass es nur so pfiff. Vergebens rannte ihm das Kriegsheer nach, sie mussten unverrichteter Sache ins Schloss zurückkehren. Als der König von ihnen den Hergang erfuhr, schickte er sogleich Kundschafter aus, die ihm Nachricht bringen sollten, wer der Mann in seinem Reiche sei, der solche Wunder zu thun vermochte; aber sie konnten es nicht erfahren.
Als der Aschenhans glücklich zu Hause angelangt war, liess er kraft seiner Zauberworte die Baumstämme sich von selber in einen Haufen ordnen und je nach Bedarf in die Stube kommen; aber, damit Niemand ihm das Holz vom Haufen stehlen könne, sprach er die Worte drüber: »Nach des Hechtes Lehr', nach eigenem Begehr wünsche ich, dass[57] jeder Fremde an euch kleben bleibe, der euch unbefugt berührt!« – Nun geschah es, dass die Nachbarn, welche das schöne Holz vor des Aschenhansen Hause liegen sahen, in der Nacht heranschlichen und die Scheite in die Hand nahmen, um sie zu betrachten; aber siehe da, die Leute blieben daran kleben. Da merkten sie, dass ihnen der Aschenhans diesen Streich gespielt hatte und flehten ihn an, dass er sie löse; das that er denn auch endlich. Aber die Nachbarn waren ihm dennoch gram und berichteten dem Könige von dem Diebstahl des Aschenhans. Nun ward der König froh, dass er endlich auf die Spur dieses lang gesuchten Mannes gekommen, und er liess den Aschenhans rufen; doch dieser kümmerte sich nicht weiter darum, obgleich ein Ruf nach dem andern an ihn erging. Endlich kam des Königs Vertrauensmann zu ihm und brachte einen Wein mit, davon schon wenige Tropfen genügten, um einen Mann sinnlos zu berauschen. Diesen Trank bot er dem Aschenhans an, denn er gedachte ihn im trunkenen Zustande zum Könige zu bringen. Aber der Aschenhans merkte wohl die List und sagte nur: »Nach des Hechtes Lehr', nach eigenem Begehr, möge ich davon nicht trunken werden!« – trank einen grossen Schluck von dem Weine, – und ging doch nicht zum Könige. – Endlich, nach einer Woche, versprach er doch von selber zu kommen; da kam er auf seinem Ofen liegend auf den Hof des Königs gefahren. Der König eilte lachend hinaus ihn zu begrüssen, redete ihn an und fragte: »Wie kommt es, Brüderchen, dass du auf einem Ofen fährst?« – »Nun, ich fahre eben!« erwiderte der Aschenhans, wischte sich ein wenig den Russ und den übrigen Schmutz aus dem Gesichte und antwortete dem Könige von Wort zu Wort immer weiser und witziger. Das gefiel dem Könige, und er ward nicht böse über des Aschenhans Reden. Nachdem sie eine Weile miteinander gesprochen, blickte der Aschenhans von ohngefähr zu dem[58] obersten Stock des Schlosses hinauf und sah dort des Königs Töchterlein sitzen, die zu ihm hinunterschaute. Des Mädchens wunderbare Schönheit entflammte das Herz des Aschenhans, welcher vor sich hinsprach: »Nach des Hechtes Lehr', nach meinem Begehr, möge diese für mich entbrennen!« – Eine Weile redete der König noch mit ihm, dann ward der Aschenhans entlassen.
Nach einiger Zeit kam grosse Sorge in des Königs Haus: sein Töchterlein ward von Tage zu Tage bleicher, und Niemand wusste die Ursache davon. Endlich gestand das Mägdlein selber den Grund ihres Kummers, aber sie wusste nicht, wer der sei, den sie liebte. Nun ging der König mit Eifer daran, seine Tochter zu verheirathen. Durch das ganze Reich sandte er Botschaft: bis zum dritten Tage sollte der Bräutigam gefunden sein. Derjenige sollte die Königstocher erhalten, welcher mit einem Sprunge ins oberste Stockwerk des Schlosses zu reiten vermochte, wo ihm das Mägdlein mit ihrem Ringe ein Erkennungszeichen auf die Stirn drücken wollte. Hoch und Niedrig versammelte sich im Schlossraum, um dieses Wunder zu versuchen; aber Alles umsonst! Kein Ross vermochte auch nur bis in den dritten Stock zu Springen. Der Aschenhans allein hatte es noch nicht versucht. Als die älteren Brüder vom Schlosse heimkamen, waren sie sehr betrübt, dass sie nicht des Königs Töchterlein errungen hatten, und sagten zum Aschenhans: »Auch du bist gerufen. Geh hin, dann können doch die Leute lachen!«
Der Aschenhans erwiderte gar nichts und sann ein wenig nach. Da fielen ihm seine einstigen drei Rosse ein; er sprang vom Ofen und ging an die erste Quelle. Nachdem er sich darin gewaschen und hinter dem Darrhause mit des Bösen Stimme gerufen, erschien vor ihm das schöne, schwarze Ross, auf welches er sich schwang und nach dem Schlosse ritt. Aber er vermochte mit seinem[59] Pferde nur bis in den dritten Stock zu springen. Am andern Tage war er auch nicht glücklicher: sein zweites Ross konnte nur bis in den sechsten Stock springen. Am dritten Tage hatten Alle die schönsten Pferde herbeigeführt, so auch des Aschenhans Brüder, und Alle versuchten ihr Glück aufs neue; aber umsonst! es ging ihnen wie ehedem. Zu Hause angekommen, sandten die Brüder wieder spottend den Aschenhans aufs Schloss und sagten, er sei besonders eingeladen, da er ja an den andern Tagen nicht hingegangen sei.
Schnell sprang der Aschenhans vom Ofen und wusch sich in allen drei Quellen, sodass er von Schönheit strahlte. Dann stellte er sich ans Ende der Wiese und rief dreimal inbrünstig mit Männerstimme; da erschien alsbald das schöne, weisse Ross mit goldenem Zaumzeug. Er schwang sich darauf und ritt ins Schloss. Das versammelte Volk staunte und fragte, wer wohl dieser stattliche, schöne, goldgekleidete Mann sei auf so herrlichem, hellglänzendem Rosse, aus dessen Munde Feuer kam und aus dessen Nüstern Funken sprühten. Doch Niemand wusste es. Der Aschenhans ritt nur auf dem Schlosshofe auf und ab, streichelte sein feuriges, wieherndes Ross und wartete auf den Aufruf zum Springen. Da ertönte das Gebot. Der Aschenhans drückte dem Pferde die Sporen in die Weichen und sprang mit einem Satze bis ins neunte Stockwerk, wo die Königstochter am Fenster sass. Sie drückte ihm mit ihrem Ringlein ein Zeichen auf die Stirn, und der Aschenhans sprang wieder zurück. Darauf verliess die Volksmenge den Schlosshof und erwartete nun die Hochzeitsfestlichkeiten, um zu erfahren, wer der Glückliche sei, der die Königstochter zur Gemahlin errungen. – Man wartete und wartete auf die Wiederkehr des Bräutigams; es vergingen mehrere Tage, – aber er kam nicht. Endlich suchte man nach ihm im ganzen Reiche, doch umsonst: das Zeichen fand sich auf[60] keines Mannes Stirn. Nun, da keiner sonst übrig war, rief man auch den Aschenhans herbei, und zu seinem Schrecken fand der König auf dessen Stirn das Zeichen. Sein königliches Wort war ihm jedoch heilig, er konnte es nicht brechen und liess die Hochzeit feiern. Aber in seiner Nähe mochte er einen solchen Schwiegersohn nicht dulden: er liess ein Fass bauen, steckte seine Tochter und den Aschenhans hinein und liess es ins Meer stossen, ein Spielball den Winden.
Nun waren die Beiden in der Gewalt der Wellen. Das Fass rollte und rollte im Meere, bis es der Wind an den Strand trieb. Der Aschenhans fühlte das und rief: »Nach des Hechtes Lehr', nach eigenem Begehr, es zerspringe das Fass!« Da barst es auseinander, und der Aschenhans gelangte mit seiner Gemahlin aufs Land. Es war eine schöne Insel, auf der ein Ueberfluss an Reben und Obstbäumen, Beeren, Blumen und besonders Rosen war. Ein herrlicher Wohlgeruch entströmte ihnen und Vögel zwitscherten in den Bäumen. Darüber ward der Aschenhans herzlich froh; er tröstete seine weinende Gemahlin und sagte dann: »Nach des Hechtes Lehr', nach eigenem Begehr, es erstehe ein Schloss hier mitten auf der Insel!« – Alsbald entstand ein Schloss, und ein sehr schönes, vielstöckiges Schloss sogar. Darin lebten sie eine Zeit, wer weiss wie lange sie darin gelebt haben mochten, – da erwachte in ihnen die Sehnsucht, ihr altes Heim und alte Freunde wiederzusehen. Der Aschenhans sann darüber nach, wie sie von der Insel auf das feste Land gelangen könnten. Da erinnerte er sich der ihm vom Hecht verliehenen Zauberkraft, und er sagte ohne weiteres Besinnen: »Nach des Hechtes Lehr', nach eigenem Begehr, möge sich eine Brücke von der Insel bis zum Königsschloss ziehen!« Und alsbald stand eine Brücke, und eine goldene sogar, über dem Meere.
Der Aschenhans flog darüber in sein altes Heim, begrüsste[61] seine Brüder, die ihn schon lange für gestorben und verdorben gehalten, und erzählte ihnen seine Lebensschicksale. Dann ging er an die Quellen, wusch sich in jeder, rief seine drei Pferde herbei, schaffte sich »nach des Hechtes Lehr', nach eigenem Begehr« einen goldenen Wagen und fuhr erst zu seinen Brüdern und dann zu seiner Gemahlin, die ihn auf der Insel sehnsüchtig erwartete.
In Liebe und Frieden lebten sie nun auf der Insel viele, viele Jahre. Der König, welcher stets den goldenen Wagen mit den schönen Pferden an seinem Schlosse vorbeifahren sah, liess auskundschaften, wer der mächtige Fürst sei, der so herrlich fuhr; aber Niemand wusste es. Zuletzt beschloss er ein grosses Festmahl zu halten; er lud alle Leute aus seinem Reiche dazu ein, auch der Aschenhans wurde gebeten. Das Fest wurde gefeiert. Der König meinte wohl seine Tochter zu erkennen, glaubte aber doch sich zu irren. Jedenfalls wollte er diejenigen strafen, die sich ohne seine Erlaubniss in seinem Reiche niedergelassen hatten, sie mochten sein, wer sie wollten. Der Aschenhans merkte bald aus des Königs Wesen, dass er etwas im Schilde führe, und war auf seiner Hut. Man ass und trank zur Genüge allerlei Leckerbissen und Früchte, und vor jedem Gast stand ein goldener Becher, nur vor dem Aschenhans nicht. Als der König merkte, dass er keinen Wein trank, sagte er: »Trinke, mein Freund, da du doch mein Gast bist!« Der Aschenhans dankte und sagte, er habe keinen Becher, daraus er trinken könnte. »Alle haben einen Becher erhalten, selbstverständlich auch du«, rief der König zornig; »du hast ihn gestohlen!« – Der Aschenhans wies heftig diese Anklage zurück; – er hatte ihn nicht genommen. »Schon gut!« sagte der König, »das wäre doch seltsam, wenn wir nicht Klarheit in die Sache bringen könnten!« Er befahl genau die Taschen seiner Gäste zu untersuchen. Derjenige, bei welchem sich der Becher fand, sollte geköpft werden.[62] Man suchte und suchte bei Allen, aber der Becher fand sich bei Keinem. Zuletzt sagte der Aschenhans: »Ihr selber, hoher König, seid dem Tode verfallen; der Becher ist in eurer eignen Tasche.« Man sah nach, und es war so. Der Aschenhans hatte »nach des Hechtes Lehr', nach eigenem Begehr« den Becher dorthin gezaubert, obgleich ihn der König zum Aschenhans hatte stecken lassen, um diesem eine Schuld anhängen zu können. Da staunte der König, als sich der Becher bei ihm selber fand; er wunderte sich über die Massen und wusste nicht, wie das zugegangen war. Nun gab sich ihm der Aschenhans mit seiner Gemahlin zu erkennen und zeigte ihm das Zeichen an seiner Stirn. Der König verlieh ihm darauf Frieden und schenkte ihm das halbe Königreich. Dort mag der Aschenhans noch heutigen Tages leben. – So weit die Geschichte!
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