[349] 258. Die wilde Jagd.

Joannes Caesarius l. XII, c. 20.

Delrio, Disquis. mag. p. 930.


Eines geistlichen Herrn Beischläferin war gestorben. In der Nacht darnach ritt ein Soldat mit seinen Gesellen durch den Wald und waren gar verwundert, eines Weibes Stimme um Hülfe rufen zu hören. Bald nachher sahen sie auch das Weib in eiligem Lauf auf sich zukommen; der eine Soldat stieg vom Pferde und machte mit seinem Schwerte einen Kreis um sich her, und nahm das Weib und zog es in den Kreis. Gleich darauf hörten sie ein gräulich Getöse in der Luft, wie von vielen Jägern und Hunden, und darob zitterte das Weib sehr und erzählte dem Soldaten alles. Der Soldat aber gab sein Pferd einem von seinen Kameraden, nahm des Weibes Haarflechten und schlang diese um seinen linken Arm, während er mit der rechten Hand das Schwert ausgestreckt vor sich hielt.[349]

Als die wilde Jagd nun kam, da sprach das Weib leise zu dem Soldaten: »Ohne mich reiten, ohne mich reiten, sieh, da kommt er.« Der Soldat hielt die Haarflechten mit aller Kraft fest, das Weib aber rang sich los, ließ ihr Haar in seinen Händen und entfloh; und alsbald packte sie der Jäger und warf sie quer über sein Pferd, so daß das Haupt mit den Armen an einer Seite und die Beine an der anderen Seite herunterhingen.

Als der Soldat Morgens in die Stadt kam, erzählte er sein Abentheuer und zeigte die Haare an seinem Arm. Die Leute wollten ihm aber nicht glauben, und gingen hin und öffneten den Sarg, und da fanden sie das Weib ohne Haare darin liegen.

Quelle:
Wolf, Johann Wilhelm: Niederländische Sagen. Leipzig: Brockhaus, 1843, S. 349-350.
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