|
Delrio, Disquis. mag. l. II, quaest. XVIII, p. 189.
In dem westlichen Flandern hat sich vor fünfzehn Jahren (d.h. am Ende des sechzehnten Jahrhunderts) folgende Geschichte zugetragen.
Ein Bauer saß mit seinem Söhnlein in der Schenke und zechte und schrieb, wie dieß der Gebrauch ist, für jeden Krug Bier ein Strichlein mit Kreide auf seine Mistgabel. Als er fortgehen wollte, ließ er die Wirthin rufen und fragte, wie viel er verzehrt habe. Die Wirthin aber fragte ihn hinwiederum, wie viel er Striche auf seiner Gabel hätte. Als das der Bauer nicht sagen wollte, erzürnte das Weib und sprach, nachdem sie lang mit ihm gestritten, mit heftigem Muthe zu ihm: »Heut sollst du[374] nicht nach Haus kommen dafür, das versichere ich dir, oder ich komme nicht zurück.« Der Bauer lachte deß und warf ihr das Geld, was er rechtlich verzehrt, auf den Tisch und ging weg.
Als er aber ans Wasser kam und in den Kahn stieg, konnte er den Kahn nicht vom Lande bringen und rief darum drei vorüberziehenden Soldaten zu: »Heda, gute Gesellen, wollet mir doch helfen, mein Schifflein vom Lande bringen, will gerne ein Trünkchen Bier zum Besten geben.« Die Soldaten kamen herbei und halfen dem Bauern; aber es war alles umsonst und der Kahn war fest und blieb fest. »Warte einmal«, sprach da einer von den Soldaten, der keuchte und schwitzte von großer Mühe und Arbeit, »laß uns die Sachen aus dem Schifflein werfen, die da in der Mitte liegen, dann wird's besser gehen.« Und also thaten sie; doch kaum hatten sie das letzte Stück heraus, als sie eine ungeheure Kröte am Boden des Kahnes fanden, die zwei Augen hatte wie glühende Kohlen. Einer von den Soldaten zog sogleich sein Schwert, stieß es dem Ungethüm in den Leib und warf dieß dann über Bord ins Wasser, wo die andern ihm noch viele Stiche in den Bauch gaben, denn die Kröte schwamm im Wasser auf dem Rücken.
Nun versuchten sie noch einmal, den Kahn vom Lande zu bringen, und siehe, es ging ohne alle Mühe; worob der Bauer gar zufrieden die Soldaten in den Arm nahm und mit ihnen zum Wirthshaus zurückging. Nachdem sie sich Bier bestellt, fragte der Bauer die Magd, wo die Frau sei. »Ach«, sprach da die Magd, »meine Frau liegt im Bett am Sterben.« »Hoho«, lachte drauf der Bauer, »meinst du, ich wär' nicht nüchtern? habe sie ja vor einem kleinen Viertelstündlein noch gesehen, und war sie ja noch ganz munter und gesund, hat mich noch ausgescholten.« – »Ist aber[375] so«, antwortete die Magd, »könnt's selber sehen, wenn ihr wollt.«
Da ging der Bauer mit den Soldaten in die Kammer, wo die Frau lag, und hörten sie ganz erbärmlich wimmern von Schmerzen; denn sie hatte viele Stiche im Bauche und im Rücken. Fragte der Bauer die Magd, woher das gekommen sei. Sagte die Magd, sie wisse es nicht, denn ihre Frau sei nicht aus dem Haus gegangen.
Drob ist der Bauer zum Magistrat geeilt und hat dem alles angezeigt, und als man die Frau untersuchte, hat sie die Stiche und Wunden gerade an denselben Orten gehabt, wo die Soldaten die große Kröte hin gestochen, woraus klar hervorgeleuchtet, daß die Kröte nichts anderes war, als jene Wirthsfrau, welche die Gestalt des Thiers angenommen, um den Bauer zu hindern, daß er nicht nach Haus käme.