458. Das erste Bund.

[556] Mündlich.


Ein Mädchen, die bei Brüssel auf einem Pachthofe wohnte, wollte an einem Kirmeßmontage gerne zum Reigen gegangen sein; aber der Pachter, der ein gar wunderlicher Kauz war, wollte das nicht zugeben, und wies ihr ein großes Feld mit Düngerhaufen, und befahl ihr, bis zum[556] Mittage den Dünger aus einander zu breiten. Das war aber eine fast unmögliche Sache; denn des Düngers war sehr viel, und das arme Mädchen setzte sich halb verzweifelt auf die Erde und weinte. Da stand plötzlich ein kleines, altes, häßliches Männchen neben ihr und fragte, was ihr fehle, und sie erzählte alles. »Da ist Rath für«, antwortete das Männchen und machte »husch«, und zwei Düngerhaufen flogen aus einander und legten sich ganz gehörig auf das Feld hin. Dann fuhr das Männchen fort: »Sieh, so mach' ich es auch mit dem andern Dünger, wenn du mir versprichst, mir das erste Bund zu schenken, welches du morgen machen wirst.« Deß war das Mädchen zufrieden, und in zehn Minuten war all der Dünger auf seiner Stelle, und das Mädchen ging zum Tanz.

Als der Pachter sie daselbst sah, verwunderte er sich und wollte schelten; aber das Mädchen sprach, er könne sich nur zufrieden geben, denn alle Arbeit sei gethan. Da ging er auf den Acker und fand, daß das Mädchen wahr gesprochen. Doch schien ihm die Sache nicht richtig, und er holte Mieken vom Tanze und führte sie zum Pfarrer, damit sie dort bekenne, wie das zugegangen. Der Pfarrer zog die Stirne kraus und sprach: »Aha, da ist der Teufel noch einmal klug. Höre, Mieken, binde morgen früh deinen Unterrock nicht, sondern gehe am besten im Hemde in die Scheune, und binde dort ein Bund Stroh und wirf das vors Thor; thust du das nicht, dann bist du verloren.«

Mieken erschrak höchlich darob und that buchstäblich, wie ihr geheißen war. Kaum hatte sie aber das Bund Stroh vors Thor geworfen, als der Teufel es packte und in tausend Stückchen zerriß.

Quelle:
Wolf, Johann Wilhelm: Niederländische Sagen. Leipzig: Brockhaus, 1843, S. 556-557.
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