476. Das hülfreiche Kaboutermanneken.

[573] Mündlich von E.E. Stroobant und andern.


Bei Turnhout geschah es, daß ein Bursche ein Mädchen sehr lieb hatte. Das hatte schon lange gedauert, ohne daß die Eltern eines der beiden etwas davon geahnt hätten. Endlich war der Bursche deß müde, und trat eines Tages vor den Vater des Mädchens und bat ihn um seine Einwilligung zu ihrer Ehe. Der Alte war aber ein überaus stolzer und übermüthiger Mann, und der Bräutigam war ihm zu arm; darum sprach er: »Ich weiß nicht, wie ihr daran denken könnt, meiner Tochter Hand haben zu wollen. So ihr mir nicht tausend blanke Gülden aufzählen könnt, darf euch das nicht in Sinn kommen.«

Das war dem guten Jungen ein Schlag aufs Herz, und er schlich betrübt nach Hause und wußte nicht, was er anfangen sollte. Zu Hause aber hatte er nicht lange Ruhe; denn das Zählen seiner kleinen Baarschaft machte ihm keine Freude mehr; es waren ja noch lange keine tausend Gülden, die er doch haben mußte. Darum ging er aufs Feld und gedachte dort, sich sein Leben zu nehmen; denn er hatte an nichts mehr Lust. Wie er nun so ging und ging, ohne selbst zu wissen, wohin, da stand auf einmal ein Kaboutermanneken neben ihm, und das fragte ihn, warum er also betrübt sei. Der Bursche erzählte es mit weinenden Augen; als er am Ende war, lachte das Kaboutermanneken und sprach: »Ei, nur tausend Gülden; das ist ja nicht der Mühe[573] werth, um sich deßhalb ein grau Haar wachsen zu lassen.« – »Ja«, sagte der Bursche, »wenn man sie aber nicht hat?« – »Nun, nun«, antwortete das Kaboutermanneken, »dann kann man sie immer noch bekommen. Du bist stets ein braver Junge gewesen, und darum ließ sich der Sache wohl helfen. Geh nur nach Hause und zähle dein Geld, und komm wieder und sage mir, was daran fehlt.« – »Was daran fehlt«, schluchzte der Bursche, »das weiß ich nur zu gut, achthundert Gülden.« – »Hast nicht wohl gezählt«, sprach das Kaboutermanneken und lachte, »geh und zähle noch einmal.«

Da lief der Bursche voll Freude weg und zählte zu Hause sein Geld, und siehe, es waren tausend Goldgülden. Stracks kehrte er um, denn er hielt es für seine erste Pflicht, dem Kaboutermanneken zu danken: aber er fand es nicht mehr, und wie oft er auch rief: »Kaboutermanneken! Kaboutermanneken!« es kam nicht mehr wieder. Dann rannte er wieder zurück, packte das Geld zusammen, zog seinen Sonntagsstaat an und ging zu dem Vater seines Mädchens, dem er tausend Gülden vorzählte. Acht Tage drauf war die Hochzeit, und die beiden Leutchen lebten noch lange nachher in Frieden und Freude.

Quelle:
Wolf, Johann Wilhelm: Niederländische Sagen. Leipzig: Brockhaus, 1843, S. 573-574.
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