[193] 33. Die Reise im Braukessel

Es war einmal eine Frau auf einem Hof auf Dovre, die war eine Hexe. Es war an einem Julabend. Ihre Magd war gerade dabei, einen Braukessel zu waschen. Inzwischen nahm die Frau ein Horn hervor und rieb den Besen ein, und sogleich fuhr sie durch den Schornstein davon. Das Mädchen fand, das sei eine leichte Kunst, und rieb ein wenig von der Salbe an den Kessel. Nun fuhr sie auch davon, und es gab kein Anhalten, bis sie an die Blaukuppe kam. Da fand sie eine ganze Menge Trollhexen und auch Herrn Urian selbst, und er hielt ihnen eine Predigt, und als sie damit fertig waren, wollte Herr Urian sie zählen, ob sie alle da seien. Da erblickte er das Mädchen, das im Braukessel saß. Die kannte er nicht, denn sie hatte sich nicht bei ihm eingeschrieben. Und er fragte die Frau, mit der sie gekommen war, ob sie sich einschreiben wolle. Die Frau war dafür, und Herr Urian gab dem Mädchen ein Buch und hieß sie ihren Namen einschreiben. Aber sie schrieb, was die Schulkinder auf dem Lande gewöhnlich schreiben, wenn sie Federn ausprobieren: »Gott ist mein Vater, in Jesu Namen!« Deshalb durfte sie das Buch behalten, denn der Teufel wagte nicht, es wieder zurückzunehmen.

Aber nun gab es Lärm und Getöse auf dem Berge, könnt ihr euch denken. Die Hexen nahmen Peitschen und schlugen auf die Sachen, die ihre Pferde vorstellen mußten, und auf einmal fuhren sie auf und davon in die Luft hinauf. Das Mädchen war auch nicht faul, nahm auch eine Peitsche und hieb auf den Braukessel ein und flog hinter ihnen drein. Einmal kamen sie aus der Luft herunter und machten auf einem[193] hohen Berge halt. Unten war ein breites Tal mit einem großen Wasser, und auf der anderen Seite war wiederum ein hoher Berg. Als die Trollhexen ausgeruht hatten, schlugen sie wieder mit den Peitschen und ritten weiter. Das Mädchen fragte sich, ob sie wohl auch hinüberkommen werde. Schließlich hieb sie auch auf den Braukessel ein und kam gut und richtig auf die andere Seite hinüber.

»Das war ein ganz verteufelter Sprung für einen Braukessel«, sagte sie, aber in diesem Augenblick verlor sie das Buch und fiel zur Erde und kam nicht weiter, weil sie vom Teufel gesprochen und ihn genannt hatte und doch nicht im Buche eingeschrieben war. Den Rest des Weges mußte sie gehen und im Schnee waten, denn freie Fahrt hatte sie auch nicht mehr, und der Weg war noch viele Meilen weit.

Quelle:
Stroebe, Klara: Nordische Volksmärchen. 2: Norwegen. Jena: Eugen Diederichs, 1922, S. 193-194.
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