1087. Die armen Seelen im Feuer.

[46] Als sie die Kirche zu Gurtnellen bauten, haben sie den Kalk in der Intschialp gebrannt. In der Nähe des Ofens stand eine Bretterhütte für die Arbeiter. Eines Tages sahen sie »Einen« im Türg'richt der Bretterhütte stehen. Da sagte der Meister: »Ohä, jetzt haben wir noch zu wenig; wir müssen noch einen Kalk brennen.« Und so stellte es sich heraus. Der Unbekannte im Türg'richt war eine arme Seele, die schon »g'rächet« war für den folgenden Kalk.

Der Erzähler dieser Sage und mehrere ältere Personen von Gurtnellen fügen hinzu: »Früher haben sie auch bei uns zu gewissen Zeiten auf den Anhöhen Feuer gemacht wie jetzt am 1. August, und zwar so, dass man von einem Feuer zum andern gesehen hat. Dabei haben sie auch gebetet, und es habe sich oft dabei etwas merken lassen, haben die Alten gesagt. Jedenfalls haben sich arme Seelen dem Gibätt nahg'ha. Der Brauch ist jetzt noch in Unterwalden, und dort beten sie auch bei diesen Feuern.«

Ein Silener sagte mir, er habe noch zwei alte Männer gekannt, die behaupteten, sie hätten in jungen Jahren am ersten Fastensonntag auf dem Belmeten ein Feuer angezündet.


Albin Baumann, 75 Jahre alt, Gurtnellen.

Quelle:
Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945, S. 46.
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