[567] Eine zweite Art derselben Untersippe, der Teufelssturmvogel (Procellaria haesitata, meridionalis, diabolica, brevirostris und l'Herminieri, Fulmarus haesitatus und meridionalis, Aestrelata haesitata und diabolica), welcher am häufigsten im Antillenmeere aufzutreten scheint, ist wiederholt an den englischen und französischen Küsten, selbst in Unterungarn, erlegt worden. Die weiße Stirn wird durch schmale Wellenlinien und kleine Flecke von blaßbrauner Färbung gezeichnet, Scheitel, Genick und Kopfseiten sind dunkel-, Hinterhals und Nacken licht-, Unterrücken und Oberflügeldecken schwarzbraun, Oberrückenfedern mehr aschgrau, Oberschwanzdecken, Halsseiten und Untertheile weiß, die Seiten braun, graulich getrübt, die Unterschwanzdeckfedern am Ende aschgrau, die Schwingen an der Wurzel breit weiß, die Handschwingen übrigens schwarz, die Armschwingen dunkelbraun, die merklich zugerundeten, schwarzbraunen Steuerfedern im Wurzeldrittel ebenfalls weiß. Das Auge ist dunkelbraun, der Schnabel schwarz; der gelbe Fuß hat schwarze Schwimmhäute. Die Länge beträgt vierzig, die Breite einhundert, die Fittiglänge dreißig, die Schwanzlänge dreizehn Centimeter.
Im Fluge soll der Eissturmvogel eine gewisse Aehnlichkeit mit manchen Möven, insbesondere mit den Elfenbeinmöven, haben. Der Schiffer sieht ihn mit ausgebreiteten, fast unbeweglichen [567] Flügeln leicht über die erregten Wogen gleiten und soviel wie möglich denselben Abstand vom Wasser einhalten, auch wacker gegen den Sturm kämpfen und nur selten sich ausruhen.
Im Schwimmen bekundet er viel Geschick, badet sich in den reißendsten Strömungen zwischen den Klippen oder rudert leicht über die Wasserfläche; auf dem Lande hingegen zeigt er sich sehr hülflos, und wenn er zu Fuße sich bewegen soll, rutscht er mehr, als er geht, auf der Laufsohle dahin. Die Stimme klingt gackernd wie »Gägägägerr«, im Zorne knarrend wie »Karw«. In seinem Wesen unterscheidet er sich nicht von anderen Arten der Familie. Vor dem Menschen fürchtet er sich nicht, nähert sich daher ohne Bedenken den Schiffen und mit wahrer Zudringlichkeit den Fischern oder Walfischfängern. »Beim Aufhauen des Walfisches«, sagt Holboell, »ist er so dreist, daß man ihn zu tausenden mit Rudern und Bootshaken todtschlagen kann.« Aehnliche Sorglosigkeit zeigt er beim Neste, von welchem er sich kaum vertreiben läßt. Gegen seinesgleichen ist er gesellig, und ein einzelner wird von den Beobachtern immer als verschlagener angesehen. Um andere Vögel bekümmert er sich wenig, obgleich er unter ihnen umherfliegt und auf denselben Bergen mit ihnen brütet.
Die Walfischfänger behaupten, daß Speck seine liebste Nahrung wäre; sorgfältige Beobachter, wie Faber, fanden, daß er allerlei Seethiere und nicht allein diese, sondern zeitweilig auch das an den Klippen wachsende Löffelkraut verzehrt. Faber lernte keinen Vogel außer ihm kennen, welcher Medusen anrührt. Die Nahrung nimmt er entweder schwebend vom Wasser auf oder erst, nachdem er sich auf den Wellen niederließ; beim Zerlegen der Walfische schwimmt er fressend auf dem Wasser hin und her. Obwohl er zu tauchen vermag, kann man ihn doch nicht als Stoßtaucher bezeichnen, und deshalb gelingt es ihm auch wohl nur selten, schneller bewegliche Thiere zu erbeuten. An Gefräßigkeit steht er hinter keinem seiner Verwandten zurück.
Man hat ihn auf allen hochnordischen Inseln als Brutvogel gefunden, in Europa namentlich auf St. Kilda, einer der Hebriden, und auf Island, außerdem auf Jan Mayen und Spitzbergen.
[568] Auf den Westmanöern bei Island ist derselbe, laut Faber, unter allen Brutvögeln der häufigste, und seine Anzahl kann einigermaßen danach berechnet werden, daß die Einwohner wenigstens zwanzigtausend Junge ausnehmen; es brüten demnach mindestens vierzigtausend Stück daselbst. Ihre Anzahl nimmt aber alljährlich zu, weil viele von den Jungen nicht erreicht werden können, obwohl sich die Vogler mit Hülfe von starken Seilen an den Felswänden herablassen. »Mitten im März«, schildert Faber, »nähert sich der Eissturmvogel den Brutplätzen; im Anfange des Mai, zuweilen schon um die Mitte des April, wird das eine große, rundliche, reinweiße Ei gelegt, entweder auf die nackten Absätze der Felsen oder in eine kleine Erdgrube oben auf den Felseninselchen. So wie der Zeugungstrieb die meisten in den Felsen brütenden Vögel so kirr macht, daß man sie mit einiger Behendigkeit vom Neste nehmen kann, so wird auch dieser so zahm, daß ich ihn erst lange mit Erdklößen warf, um ihn vom Eie zu jagen, ohne daß es mir möglich war. Nicht eher als in den ersten Tagen des Juli kriecht das Junge aus dem Eie; gegen Ende dieses Monates ist es halb erwachsen und mit langen graublauen Flaumen bedeckt. Schon dann speit es ebenso gut wie die Alten seine thranige Flüssigkeit zuweilen über zwei Drittel Meter weit gegen den aus, welcher es nehmen will, indem es diese Feuchtigkeit mit Bewegungen, als wolle es sich erbrechen, aus dem unteren Theile des Schlundes hervorwürgt. Dieser Vorrath wird nicht so leicht erschöpft. Gegen Ende des August sind die Jungen flügge und außerordentlich fett, riechen aber sehr übel. Die Einwohner von Westmanöer ziehen dann auf den Felseninselchen umher, tödten sie zu tausenden und salzen sie zum Wintervorrath ein. Um die Mitte des September verlassen Alte und Junge die Brutplätze und ziehen auf das offene Meer hinaus, wo sie den Winter zubringen, so daß auf Island keiner zu dieser Zeit gesehen wird.«
Außer dem Menschen stellen der Jagdfalk und Seeadler den Alten und Jungen und die großen Raubmöven namentlich den letzteren nach, weil sie wohl wissen, daß ihnen die Alten außer dem Anspeien mit jener thranigen Flüssigkeit keinen Widerstand entgegensetzen können.
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