[110] Die Goldmakrele oder Dorade (Coryphaena hippurus, chrysurus, argyrurus, dolfyn, virgata und japonica, Lampugus pelagicus) erreicht eine Länge von reichlich anderthalb Meter und ein Gewicht von funfzehn bis zwanzig Kilogramm. Ihre Färbung erscheint verschieden je nach der Beleuchtung. »Während einer Windstille«, sagt Bennett, »prangt die Goldmakrele, wenn sie auf der Oberfläche des Wassers schwimmt, prachtvoll glänzendblau oder purpurfarben, mit metallischem Schimmer von jedem denkbaren Wechsel und Wandel, je nachdem sie sich im Lichte oder im Schatten befindet; nur der Schwanz behält seine goldgelbe Farbe bei. Aus dem Wasser gezogen und auf das Deck gebracht, ändern sich die Farben in andere, ebenso schöne um: der glühende Purpur und das Goldgelb gehen in ein glänzendes Silberfarb über, auf welchem oben die ursprünglichen Purpur- und Goldtöne spielen. Die Veränderlichkeit der Färbung währt eine geraume Zeit fort, nimmt nach und nach an Stärke ab und verblaßt endlich in ein düsteres Ledergrau.«
Die Goldmakrele bevölkert alle Weltmeere des warmen und der gemäßigten Gürtel und ebenso das Mittelländische wie das Rothe Meer. Nur während der Laichzeit sieht man sie an den Küsten, sonst immer entfernt von diesen, und in der Regel gewahrt man sie nur bei bewegtem Meere, so daß unter den Seeleuten die Meinung sich verbreitet hat, es müsse Sturm aufkommen, wenn sie in der Nähe des Schiffes sich zeige. Ihre Nahrung besteht aus allerlei kleinen Fischen, insbesondere aus denen, welche die oberen Wasserschichten bewohnen, also namentlich aus den verschiedenen Arten der fliegenden Fische. Bennett fand in ihrem Magen auch Kopffüßler, und zwar Tintenfische und Argonauten. Sie ist, wenn auch nicht immer, so doch sehr häufig die Ursache, daß die fliegenden Fische über das Wasser sich erheben. »Eine große Goldmakrele«, so erzählt Hall, »welche lange Zeit mit dem Schiffe gezogen und den wundervollen Glanz ihrer Färbung uns wiederholt gezeigt hatte, bemerkte plötzlich vor sich einen Schwarm der fliegenden Fische, drehte das Haupt nach ihnen, kam zur Oberfläche empor und sprang mit solcher Schnelligkeit aus dem Wasser, daß es schien, als ob eine Geschützkugel durch die Luft fahre. Die Länge dieses Sprunges mochte reichlich sechs Meter betragen, war aber doch nicht genügend, um Beute zu gewinnen. Unmittelbar nach dem Auffallen konnte man den Raubfisch mit blitzartiger Schnelligkeit durch die Wellen gleiten sehen, und bald mußte man bemerken, daß er nach jedem Sprunge die Schnelligkeit des Schwimmens steigerte. Das Meer war so glatt wie ein Spiegel; man vermochte also jeder seiner Bewegungen zu folgen und auf weithin das Jagdgebiet zu übersehen. Die fliegenden Fische, welche wohl wußten, wie heiß sie verfolgt wurden, schwammen nicht mehr, sondern flogen fast [110] beständig, das heißt fielen ein und erhoben sich augenblicklich wieder. Sie erregten die Theilnahme der Zuschauer dadurch, daß sie jedesmal die Richtung ihres Sprunges änderten, in der Hoffnung, ihrem heißhungerigen Feinde zu entkommen; dieser aber folgte ihnen unerbittlich und nahm ebenfalls sofort einen anderen Weg an, wenn er bemerkte, daß er nicht mehr auf der Spur der von ihm gehetzten Fliegfische war.
Gar nicht lange währte es, und der Raum zwischen diesen und ihrem Verfolger verkürzte sich mehr und mehr; ihre Flüge wurden kürzer, gleichzeitig auch flatternder und unsicherer, während die ungeheueren Sprünge der Goldmakrele zu beweisen schienen, daß deren Schnelligkeit und Kraft sich immer noch vermehre. Schließlich konnte man sehen oder vermeinte dies doch, wie der erfahrene Seejäger seine Sprünge mit einer solchen Gewißheit des Erfolges einrichtete, daß er sich immer eben da in das Wasser stürzte, wo auch die fliegenden Fische einfallen mußten. Zuweilen geschah letzteres in einer zu weiten Entfernung vom Schiffe, als daß man mit Bestimmtheit hätte sehen können, was vorging; wenn man jedoch im Takelwerke emporstieg, konnte man gewahren, wie eines der Beutestücke nach dem anderen verschlungen wurden.« Von der bewunderungswürdigen Muskelkraft der Goldmakrele erfuhr Boteler ein Pröbchen, welches ihn und alle übrigen Officiere des von ihm befehligten Kriegsschiffes in gerechtes Erstaunen setzte. [111] Einer dieser Fische erhob sich auf der Windseite dicht vor dem Buge des Schiffes, sprang längs der Seite desselben durch die Luft und schlug mit solcher Gewalt gegen den Stern, daß er einen etwa dort stehenden Menschen sicherlich arg geschädigt haben würde. Zuerst, betäubt durch den Anprall, fiel der Fisch hülflos zu den Füßen des Steuermannes nieder, erholte sich jedoch bald und sprang und zappelte nun derartig umher, daß man ihm erst einige Schläge mit der Axt auf den Kopf versetzen mußte, bevor man ihn ohne Besorgnis anfassen konnte. Die größte Höhe, zu welcher er sich über das Wasser erhob, betrug sechs Meter, und die Länge des Sprunges, »wäre derselbe durch jenen Anprall nicht abgekürzt worden, hätte funfzig Meter erreichen müssen«.
Außer den fliegenden Fischen nimmt die Goldmakrele übrigens auch allen Auswurf der Fische an; denn ihre Gefräßigkeit wetteifert mit der eines Haies. Fand man doch selbst im Magen eines gespießten Fisches dieser Art eiserne Nägel von zwölf Centimeter Länge.
Gegen den Herbst hin nähern sich die Schillerfische den Küsten, um zu laichen. Im Mittelmeere hat man beobachtet, daß sie nur felsige Gestade wählen, flache hingegen meiden. Deshalb fängt man sie wohl an der Küste der Provence, nicht aber an der von Languedoc. Auf hohem Meere verwenden die Matrosen die bereits erwähnte Nachbildung eines fliegenden Fisches als Köder oder versuchen vom Bugspriete aus einen geschickten Stoß mit dem Dreizacke auszuführen, gebrauchen auch wohl lange Angelleinen. In der Nähe der Küste bedient man sich nur der Netze. Kleinere Goldmakrelen sollen noch heutigen Tages, wie schon Geßner erwähnt, in Reusen oder mit Meerwasser gefüllten Teichen eingesetzt und hier groß gezogen werden, da ihr Wachsthum, wie man behauptet, das aller anderen Fische übertrifft. Mir erscheint diese Angabe kaum glaublich. Das Fleisch wird sehr geschätzt und gut bezahlt. Als besonderer Leckerbissen gilt, laut Bennett, das die Flossen umgebende Stück.
*
Buchempfehlung
Die Sängerin Marie Ladenbauer erblindet nach einer Krankheit. Ihr Freund Karl Breiteneder scheitert mit dem Versuch einer Wiederannäherung nach ihrem ersten öffentlichen Auftritt seit der Erblindung. »Das neue Lied« und vier weitere Erzählungen aus den Jahren 1905 bis 1911. »Geschichte eines Genies«, »Der Tod des Junggesellen«, »Der tote Gabriel«, und »Das Tagebuch der Redegonda«.
48 Seiten, 3.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.
428 Seiten, 16.80 Euro