|
[58] Der Erhabene sprach
Nun will ich das Geheimste dir verkünden – hör mich willig an! –
Wenn dieses Wissen du erlangt, dann wirst vom Übel du erlöst.
Königs-Wissen und -Geheimnis, das höchste Läutrungsmittel ist's,
Deutlich faßbar, heilig, ewig, und doch zu üben kinderleicht.
Die Menschen, welche glaubenslos sich dieser Lehre nicht vertraun,
Verfehlen mich, – sie kehren um auf des Todes, der Wandrung Bahn.
Durch mich ist ausgespannt dies All, die Welt – unsichtbar bin ich selbst –
Die Wesen alle sind in mir, ich aber bin in ihnen nicht.
Und wied'rum sind sie nicht in mir – sieh mein, des Herrschers Wundermacht! –
Mein Ich weilt in den Wesen nicht, doch trägt es sie und bildet sie.
Wie der Wind in dem leeren Raum allüberall beständig geht,
So auch die Wesen allesamt weilen in mir – das fasse recht!
Die Wesen all beim Weltenend' gehn ein in meine Urnatur,
Bricht dann ein neu Weltalter an, dann schaffe ich sie wieder neu.
Fußend auf meiner Urnatur schaff' ich sie neu und wieder neu,
Die ganze Schar der Wesen hier, streng nach dem Willen der Natur.
Und all dies Tun und wieder Tun legt mir doch keine Fesseln an;
Ganz gleichmütig bin ich dabei und häng' an diesen Taten nicht.
Ich wache drüber, – die Natur gebiert, was steht und was sich regt;
Aus diesem Grund, o Kuntî-Sohn, bewegt sich weiter fort die Welt.
Die Toren nur mißachten mich in meiner menschlichen Gestalt,
Sie kennen nicht mein höh'res Sein, den großen Herrn der Wesen all.
Eitles hoffend, Eitles wirkend, Eitles wissend, verstandberaubt,
Halten sie an die trügende Natur böser Dämonen sich.[59]
Die Edlen aber halten sich an meine göttliche Natur,
Mich ehren sie und mich allein als ew'gen Urquell alles Seins.
Sie rühmen mich ohn' Unterlaß, streben zu mir hin fest und treu,
Sie huld'gen in Verehrung mir und weihen sich der Andacht ganz.
Der Erkenntnis Opfer bringen andre dar und verehren mich,
Der ich All-Eins und vielfach doch gesondert überall hinschau' –
Ich bin das Opfer, Gottesdienst, der Manen Trank, das heil'ge Kraut,
Das Opferlied, das Opferschmalz, das Feuer und die Spende ich!
Ich bin der Vater dieser Welt, bin Mutter, Schöpfer, Ahnherr auch,
Bin Lehre, Läutrung, heilges Om, bin Rik, Sâman und Yajus auch1.
Weg, Erhalter, Herrscher, Zeuge, Wohnort, Zuflucht und guter Freund,
Ursprung, Vergehen, fester Stand, der Schatz, der ew'ge Same auch.
Die Wärme schaff' ich, Regen, Flut halt' ich zurück, laß' strömen ich,
Ich bin Unsterblichkeit und Tod, bin Sein und Nichtsein, Arjuna!
Die vedenkund'gen frommen Somatrinker,
Sie streben opfernd nach der Bahn zum Himmel;
Wenn sie erlangt die reine Welt des Indra,
Genießen sie im Himmel Götterfreuden.
Wenn dort den großen Himmel sie genossen,
Wenn ihr Verdienst erschöpft, gehn sie zur Erde;
So, die sich halten an der Veden Satzung,
Erlangen Gehn und Kommen, wunschbesessen.
Doch die nur mir Verehrung weihn und an nichts andres denken mehr,
Diesen ganz mir Hingegebnen gewähr' die volle Wohlfahrt ich.
Auch die glaubensvoll ergeben andern Göttern Verehrung weihn,
Selbst diese ehren doch nur mich, wenn auch nicht grade regelrecht.
Denn der Genießer und der Herr von allen Opfern bin nur ich;
In Wahrheit kennen sie mich nicht, drum sinken wieder sie hinab2.
Die sich Göttern und Vätern weihn, gehn zu Göttern und Vätern hin,
Geisterdiener zu den Geistern; wer mich verehrt, der kommt zu mir.
Wer in Verehrung Blüt' und Blatt, Frucht und Wasser mir bietet dar,[60]
Solch Huld'gungsopfer frommen Sinns nehm' ich an und genieß' es auch.
Was du tust und was du issest, was du opferst und was du gibst,
Wenn du büßest, Sohn des Kuntî, – dies alles bringe du mir dar!
So wirst frei du von den Fesseln, die gut und böses Tun dir bringt,
Ob du nun handelst oder nicht, erlöset gehst du ein zu mir.
Gleich bin zu allen Wesen ich, ich habe weder Feind noch Freund,
Doch die liebend mich verehren, die sind in mir, in ihnen ich.
Ein großer Sünder selbst, wenn er mich verehrt und nur mich allein,
Soll gelten als ein guter Mann, weil er sich recht entschieden hat.
Er wird gar bald ein frommer Mann und geht zu ew'gem Frieden ein!
Erkenne dies, o Kuntî-Sohn – wer mich verehrt, geht nicht zugrund!
Wenn sie an mich nur halten sich – stammen sie auch aus schlechtem Schoß,
Weiber, Vâiçyas und Çûdras selbst – sie wandeln doch die höchste Bahn.
Wieviel mehr reine Brahmanen und fromme Königsweisen auch!
In diese nicht'ge, arge Welt hineingestellt, verehre mich!
An mich denkend, mich verehrend, mir opfernd, huld'ge mir allein!
Gibst du in Andacht mir dich hin, dann gehst du einstmals ein zu mir.
Buchempfehlung
Grabbe zeigt Hannibal nicht als großen Helden, der im sinnhaften Verlauf der Geschichte eine höhere Bestimmung erfüllt, sondern als einfachen Menschen, der Gegenstand der Geschehnisse ist und ihnen schließlich zum Opfer fällt. »Der Dichter ist vorzugsweise verpflichtet, den wahren Geist der Geschichte zu enträtseln. Solange er diesen nicht verletzt, kommt es bei ihm auf eine wörtliche historische Treue nicht an.« C.D.G.
68 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.
432 Seiten, 19.80 Euro