VI

Das Weisen-Kapitel

[633] 76

Als Schatzverkünder gelte dir

Ein Mann, der weiß was trefflich ist,

Der Denker, der das Wort erwägt,

Als Weiser sei er hochgeschätzt;

Verehrung eines solchen Manns

Führt Übel nicht, führt Wohl dir zu.


77

Er lehre lauter, deute fein

Und halte rein die Ordenszucht:

Als Freund ist er den Guten wert,

Nur Schlechte sehn den Feind in ihm.


78

Ergib dich schlechten Freunden nicht,

Ergib dich nicht gemeinem Volk,

Die edle Freundschaft halte hoch,

Den besten Männern schließ' dich an.


79

Wahrheitbeseligt, heiter, froh,

Geklärten Geistes, reinen Sinns:

Im Dauerglück der Heilsordnung

Verweilt der Weise wonniglich.


80

Kanäle schlichten Bauern durch das Feld,

Die Bogner schlichten spitze Pfeile zu,

Die Zimmrer schlichten schlanke Balken ab,

Sich selber, wahrlich, machen Weise schlicht.


[634] 81

Wie hoch erhabner Felsengrat

In Stürmen unbeweglich steht,

So stehn im Tadel, stehn im Lob

Die Weisen unerschüttert da.


82

Wie tiefer klarer Alpensee

Hell durchsichtig im Lichte liegt,

Wird durch der Wahrheit lautres Wort

Hell durchsichtig der Weisen Sinn.


83

Die Edlen wandern hin an alle Orte,

Kein Wunscheston erklingt in den Gestillten,

Vom Wohl berührt so wie berührt vom Wehe,

Kein schrilles Wort vernimmt man von den Weisen.


84

Nicht für dich selbst und nicht für einen andern,

Nicht wünsche Söhne, Reichtum, Königsherrschaft,

Nicht wünsch' dir widerrechtliches Gedeihen:

Sei redlich du und tüchtig, standhaft, weise.


85

Gar wenige des Menschenvolks

Durchkreuzen diesen Weltenstrom;

Das ganze übrige Geschlecht

Eilt nur am Ufer hin und her.


86

Doch jene Wahrheitdürstenden,

Ergeben einem einzigen Ziel,

Dem völlig klar verkündeten,

Dem klar erkannten Wahrheitwerk:

Sie werden kreuzen dieses Reich,

Den ungeheuern Todesstrom.


[635] 87

Gemeinem Wesen abgewandt,

Weih' edlem Werk der Weise sich:

Als Bettelmönch vom Hause fort,

Der Heimatstätte fern und fremd,

Gelüste ihn der Einsamkeit,

Der schwer genießbaren, Genuß;


88

Entgangen gierer Leidenschaft,

Erlöst vom Wünschen, willensrein,

Entglühe allertiefstem Grund

Der Weise jeden Herzenshang.


89

Die in vollkommner Heiligung

Gestählten Herzvollendeten,

Die wunschentwunden Wandelnden,

Die Daseinsende-Seligen,

Die wahnerwacht Erstrahlenden:

Das sind die Welterloschenen.

Quelle:
Die Reden Gotamo Buddhos. Bd. 3, Zürich/Wien 1957, S. 633-636.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Klopstock, Friedrich Gottlieb

Hermanns Schlacht. Ein Bardiet für die Schaubühne

Hermanns Schlacht. Ein Bardiet für die Schaubühne

Von einem Felsgipfel im Teutoburger Wald im Jahre 9 n.Chr. beobachten Barden die entscheidende Schlacht, in der Arminius der Cheruskerfürst das römische Heer vernichtet. Klopstock schrieb dieses - für ihn bezeichnende - vaterländische Weihespiel in den Jahren 1766 und 1767 in Kopenhagen, wo ihm der dänische König eine Pension gewährt hatte.

76 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.

442 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon