271.
An Carl Fuchs

[1346] [Turin] 27. Dezember 1888


Alles erwogen, lieber Freund, hat es von jetzt ab keinen Sinn mehr, über mich zu reden und zu schreiben; ich habe die Frage, wer ich bin, mit der Schrift, an der wir drucken, »Ecce homo«, für die nächste Ewigkeit ad acta gelegt. Man soll sich fürderhin nie um mich bekümmern, sondern um die Dinge, derentwegen ich da bin. [- -] Zunächst wird »Nietzsche contra Wagner«, herauskommen: wenn alles gerät, auch noch französisch. Das Problem unsres Antagonismus ist hier so tief genommen, daß eigentlich auch die Frage Wagner ad acta gelegt[1346] ist. Eine Seite »Musik« über Musik in der genannten Schrift ist vielleicht das merkwürdigste, was ich geschrieben habe ... Das, was ich über Bizet sage, dürfen Sie nicht ernst nehmen; so wie ich bin, kommt Bizet tausendmal für mich nicht in Betracht. Aber als ironische Antithese gegen Wagner wirkt es sehr stark; es wäre ja eine Geschmacklosigkeit ohnegleichen gewesen, wenn ich etwa von einem Lobe Beethovens hätte ausgehen wollen. [- -]

Die stupide Taktlosigkeit Fritzschs, mich in seinem eignen Blatte zu verhöhnen, hat den großen Nutzen, daß sie mir einen Anlaß bot, Fritzsch zu schreiben: »wie viel wollen Sie für meine ganze Literatur? In aufrichtiger Verachtung Nietzsche«. Antwort: c. 11000 Mark. – Gesetzt, daß ich auf diese Weise im letzten Augenblick Alleinbesitzer meiner Werke werde (– denn auch C. G. Naumann besitzt nichts von mir), so war die Dummheit Fritzschs ein Glücksfall ersten Rangs. – Ich will schon dafür Sorge tragen, daß Sie zur rechten Zeit alle meine Schriften, die Ihnen fehlen, zugeschickt bekommen: warten Sie nur noch ein wenig! – Der Gedanke mit Rostock, gesetzt auch, daß es ein Interim-Gedanke von zwei Jahren wäre, scheint mir sehr vorzüglich, namentlich in der Übung und Einübung der eigentlichen Dirigenten-Qualitäten, – auch sonst ...

Lieber Freund, ich bitte Sie dringend darum, Ihre Schrift über Wagner an meinen Verleger Herrn C. G. Naumann zu schicken: Sie dürfen sie mir mit einer kleinen Vorrede widmen. – Wir müssen die Deutschen durch esprit rasend machen ...

Den Tristan umgehn Sie ja nicht: er ist das kapitale Werk und von einer Faszination, die nicht nur in der Musik, sondern in allen Künsten ohnegleichen ist. –

Ich schlage vor, den ausgezeichneten Aufsatz des Herrn Gast über mich als Vorrede zu ihrer Schrift gegen Wagner voranzudrucken: macht einen prachtvollen Eindruck.

Titel: Der Fall Nietzsche

von Peter Gast und Carl Fuchs[1347]

Quelle:
Friedrich Nietzsche: Werke in drei Bänden. München 1954, Band 3, S. 1346-1348.
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Briefwechsel, Kritische Gesamtausgabe, Abt.1, Bd.1, Briefe von Nietzsche, Juni 1850 - September 1864. Briefe an Nietzsche Oktober 1849 - September 1864.
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Sämtliche Briefe. Kritische Studienausgabe in 8 Bänden.
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