Sechstes Kapitel.

[51] 1. Wenn er den Veda beendigt, bade er.

2. Oder nach achtundvierzigjähriger Lehrzeit.

3. Einige (gestatten das Baden) auch nach zwölfjähriger.

4. Nachdem er vom Lehrer die Erlaubniss empfangen.

5. Der Veda ist: Vorschrift, Anwendung, Erörterung.54[51]

6. Einige sagen (er soll den Veda) mit den sechs Anga (gelernt haben).

7. Nicht nach der blossen Form.55

8. Nach Belieben aber (ist das Baden) des Opferkundigen.56

9. Nachdem er (die Füsse) des Lehrers umfasst, das Brennholz angelegt, tritt er nördlich von dem Verschlage57 auf Kuçahalme, deren Spitzen nach Osten liegen, östlich von acht Wassergefässen.

10. Mit dem Spruche: »Die Feuer, welche in die Wasser eingegangen sind: das zu verbergende, das zu verdeckende, der Strahl, das Geistschlagende, das nicht wankende, das zerbrechende, das Körper verderbende, das Sinnschlagende, diese lasse ich zurück. – Welches leuchtend ist, das ergreife ich hier« – nimmt er aus dem einen Gefässe Wasser.58[52]

11. Damit benetzt er sich, indem er spricht: »Mit diesem benetze ich mich zum Glücke, zum Ruhme, zur Göttlichkeit, zum Gottesglanze.«

12. Mit dem Spruche: »Wodurch ihr Glück bereitet, wodurch ihr den Trank erlangtet, womit ihr die Augen benetztet, welches euer Ruhm ist, o Açvins.«59

13. (Und mit den drei Sprüchen:) »Ihr Wasser seid!«60 bei jedem Verse.[53]

14. Aus den drei übrigen (benetzt er sich) stillschweigend.61

15. Mit dem Verse: »Löse den obersten«62 nimmt er den Gürtel ab, legt ihn nieder, legt ein anderes Kleid an und verehrt die Sonne,

16. Indem er spricht: »Aufgehend, mit leuchtenden Waffen63 steht Indra mit den Maruts da; er steht mit den frühe kommenden da. Du bist der Zehnspender, mache mich zum Zehnspender; zur Kunde64 lasse mich gelangen.« – »Aufgehend .... er steht mit den am Tage kommenden da. Du bist der Hundertspender, mache mich .....« – »Aufgehend ..... er steht mit den am Abend kommenden da. Du bist der Tausendspender, mache mich .....« –

17. Nachdem er saure Milch oder Sesam gegessen, lasse er sich den Schopf, die Haare und Nägel65 beschneiden und reinige mit Udumbara- Holz- die Zähne, indem er spricht:[54] »Zum Speiseessen reihet euch, Soma der König kam herbei; er wird den Mund mir reinigen durch Würde und durch Herrlichkeit.«

18. Nachdem er sich gesalbt und wieder gebadet, nimmt er die Salbe für die Nase und den Mund und spricht: »Erfreue mein Aus- und Einathmen! Erfreue mein Auge! Erfreue mein Ohr!«

19. Mit den Worten: »Väter, werdet rein!« giesse er das Waschwasser für die Hände nach Süden aus, salbe sich und spreche leise: »Möge ich schön sehend werden mit den Augen, schön glänzend mit dem Antlitz, schön hörend mit den Ohren!«

20. Dann legt er ein ungebrauchtes oder nicht mit Lauge gewaschenes66 Kleid an, mit den Worten: »Zur Anlegung, zur Ruhmverleihung67, zum langen Leben bin ich alterndes Leibes und lebe hundert Jahre; zur Mehrung der Habe werde ich mich bekleiden.«

21. Dann das Oberkleid mit den Worten: »Mit Ruhm kommet zu mir, Himmel und Erde! mit Ruhm, Indra und Bṛĭhaspati! Ruhm und Segen kommen zu mir, Ruhm werde mir zu Theil!«

22. Wenn er nur Ein Gewand hat, so bedecke er sich (noch einmal) mit dem oberen Theile des zuerst angelegten.

23. Dann nimmt er Blumen und spricht: »Welche Jamadagni nahm für den Glauben, für die Lust, für den Sinn, die ergreife ich mit Ruhm und mit Segen.«

24. Dann bindet er sie sich (an das Haupt) mit den Worten: »Welchen Ruhm Indra den Apsaras verlieh, weiten, breiten, die mit diesem verflochtenen Blumen binde ich an, als Ruhm für mich.«[55]

25. Mit dem Turban umwindet er sich das Haupt, mit dem Verse: »Jung, schön gekleidet.«68

26. Mit den Worten: »Schmuck bist du, möge mir ferner Schmuck sein!« (befestigt er) die beiden Ohrringe.

27. Mit dem Spruche: »Des Vṛĭtra«69 salbt er beide Augen.

28. Mit den Worten: »Glänzend bist du!« sieht er sich im Spiegel an.

29. Den Sonnenschirm nimmt er in Empfang mit den Worten: »Bṛĭhaspati's Bedeckung bist du. Verdecke mich vor dem Bösen, verdecke mich nicht vor Glanz und Ruhm.«

30. Mit den Worten: »Ihr seid zwei Stützen, schützet mich nach allen Seiten!« legt er die beiden Sandalen an.

31. Mit den Worten: »Gegen alle Verderblichen schütze mich überall!« nimmt er den Rohrstab.

32. Wenn er den Zahnputzer und die anderen Gegenstände nimmt, ist der Spruch feststehend; bei dem Kleide, dem Sonnenschirme und den Schuhen70 aber nur, wenn sie neu sind.

54

»Vorschrift« sind Aussprüche des Brâhmaṇa, durch welche eine bestimmte Handlung vorgeschrieben wird. – »Anwendung«, d.h. die mantra, Sprüche oder Verse, welche bei den Handlungen anzuwenden sind. – »Erörterung«, d.h. nach Karka s.v.a. arthavâda, Erklärung der Bedeutung. Der Kalpataru erklärt es durch mîmâṃsâ.

55

Jr.: na granthamâtre, nicht blos in der wörtlichen Fassung, sondern mit Verständniss des Sinnes.

56

Wer das Ceremoniell des Opfers genau vollziehen kann, dem wird auf seinen Wunsch das Bad gestattet, wenn er auch mit dem Veda nicht gründlich vertraut ist. Denjenigen Schülern also, welche den erwähnten Bedingungen der Reife zum Abgange nicht entsprechen, darf der Lehrer die Erlaubniss, das Bad zu vollziehen, nicht ertheilen. Vgl. Harihara im Saṃsḳâra Kaust. Fol. 165, b.

57

Nach Kp. und Vp. wird ein mit Tüchern umhangener Verschlag errichtet; innerhalb desselben opfert der Schüler verschiedene Spenden, hauptsächlich die unten 2, 10, 3–9 genannten. Die Diener des Lehrers stellen nördlich von diesem Verschlage acht Gefässe mit Wasser in der Richtung von Süden nach Norden auf und legen östlich von denselben die oben erwähnten Kuçahalme hin. Das Abgangsbad des Schülers besteht nun darin, dass er sich in der im Folgenden beschriebenen Weise mit dem Wasser der Gefässe wäscht.

58

Das Feuer, welches in das Wasser eingedrungen (wie RS. 7, 49, 4. 10, 51, 3) ist vielgestaltig, theils den Menschen feindlich, theils freundlich. Der Sinn des Spruches ist nun, dass der Schüler die acht feindlichen Gestalten in dem Wasser zurücklässt, die eine freundliche dagegen in der Handvoll Wasser herausnimmt und sich damit benetzt. Bei Gobhila (3, 4, 14) schüttet er zuerst das feindliche Feuer in einer Handvoll Wasser auf die Erde und benetzt sich dann mit der zweiten. Die Namen der feindlichen Feuer sind mehrfach verunstaltet. Statt mayûkha (Jr. mayûsha) steht AS. 16, 1, 7 mroka, bei Bhavadeva, welcher den Spruch bei Gobhila ergänzt, manauka. Es lohnt nicht, die verschiedenen, zum Theil wenig annehmbaren Erklärungen der Commentare mitzutheilen.

59

Jr. ergänzt zu der 3 Dual, das Pronomen bhavantau. Das Fehlen des Augments in avamṛĭçatâm soll nach Jr. Rk. vedische Licenz sein. Die Erlangung des Trankes soll sich darauf beziehen, dass die Açvins, weil sie dem Cyavana die Jugend wiedergegeben, einen Theil am Somaopfer erlangten (MBh. 3, cap. 121–125); das Salben der Augen (C. liesst axyau, die anderen axau) auf die Geschichte des Upamanyu (Jr. upamanyor axiṇĭ, s. MBh. 1, 721 u.f.). Ich zweifle an der Richtigkeit dieser Auffassung; der ganze Spruch scheint bei Pâraskara, wie so häufig, sehr entstellt zu sein, ich weiss aber keine sichere Hülfe. Bei Bhavadeva lautet der, von Gobhila nur durch die drei ersten Worte angedeutete Vers folgendermassen: yena striyam akṛĭṇutaṃ yenâpâmṛĭshataṃ surâṃ yenâxân abhyashincataṃ yenemâṃ pṛĭthivîṃ mahîṃ yadvâṃ tad açvinâ yaças tena mâm abhishincatam. Es wird also wohl gar nicht von Augen, sondern von Würfeln die Rede sein. Vgl. AS. 14, 1, 35. 36.

60

VS. 11, 50–52.

61

Die ganze Handlung wird also folgendermassen vollzogen: Die Worte, welche bei dem ersten Gefässe gesprochen werden, bestehen aus folgenden drei Absätzen: a) »Die Feuer .... zurück.« (§. 10) b) »Welches leuchtend .... hier.« (§. 10) c) »Mit diesem ..... zum Gottesglanze.« (§. 11.) An die Stelle von b) treten beim zweiten bis zum fünften Gefässe der Reihe nach die vier §. 12. 13 erwähnten Sprüche, das Benetzen selbst aber geschieht bei diesen Gefässen wieder, wie beim ersten Gefässe, mit dem Spruche c). Bei den drei letzten Gefässen wird nur a) gesprochen, das Benetzen aber geschieht stillschweigend.

62

VS. 12, 12.

63

Vgl. krit. Anm. Jr. erklärt bhrâjabhṛĭshtir: »durch den eigenen Glanz allen anderen Glanz vermindernd« (hrâsaka).

64

âvidam habe ich geschrieben statt âvidan der Handschriften.

65

BCRk. haben nakhân.

66

Im Texte wird wohl dhautaṃ vâmautreṇa zu schreiben sein. Vgl. Kâty. Ç7, 2, 18.

67

dhâsyai wird von den Commentaren als Dativ gefasst (paridhânâya); ob es der Conj. Fut. sein könnte: »ich will mich ankleiden, ich will Ruhm erlangen,« ist mir zweifelhaft.

68

Der Vers, welcher nicht in der VS. steht, ist hier doch nur mit, den Anfangsworten bezeichnet, weil er schon oben, 2, 2, 9 vollständig angeführt ist.

69

VS. 4, 3, b.

70

Rk. fügt hier noch den Stab hinzu.

Quelle:
Indische Hausregeln. In: Abhandlungen der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft, Band 6. Leipzig 1878, S. 51-56.
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