Desinfektionsapparate

[283] Desinfektionsapparate (apparatus for desinfection; appareils à désinfection; apparecchi per disinfezione) dienen besonderen Zwecken und sind diesen entsprechend gebaut.

1. Bei der Desinfektion von Einrichtungsgegenständen der Personenwagen sowie für infizierte Effekten der Reisenden wird in Österreich ein Dampfdesinfektionskasten verwendet.


Dieser hat einen Fassungsraum von 1 m3, ist aus Holzwänden gebaut; seine Innenflächen sind mit Zinkblech luftdicht ausgekleidet und besitzen zur Beschickung eine seitlich angebrachte Öffnung, die durch eine mit Gelenken befestigte Türe oder durch einen abnehmbaren Deckel geschlossen werden kann. Im Innern des Kastens sind 3 Gitter aus dreikantigen Holzstäben in gleichen Abständen übereinander angebracht, wovon je nach dem Umfange der zu desinfizierenden Gegenstände eines oder zwei entfernt werden können.

An der der Öffnung gegenüberliegenden Wand ist außen das Dampfeinleitungsrohr angebracht, an dessen oberem Ende der Verbindungsschlauch befestigt wird.

Das untere Ende dieses Rohres mündet innen am Boden des Kastens mit mehreren Öffnungen.

In der Mitte der oberen Wand befindet sich eine kleine Öffnung für den ausströmenden Dampf und am Boden eine solche, um das Kondensationswasser abfließen zu lassen.

Der Kasten ist mit 4 beweglichen eisernen Handhaben versehen, mittels deren er von 4 Personen übertragen werden kann. Zu diesem Kasten gehört auch ein kleines Holzgestell, auf das beim Desinfizieren Akte, Dokumente, Wertpapiere u.s.w. gelegt werden, so daß die Papierflächen parallel zu den Seitenwänden des Kastens, also senkrecht auf dessen Bodenfläche zu stehen kommen, wodurch das Eindringen des Dampfes zwischen die Blätter erleichtert wird.


2. Der Sprayapparat zur Desinfektion des Wageninnern ist ähnlich wie ein Inhalationsapparat gebaut. Es wird durch eine kleine Spirituslampe Wasser erwärmt, der Dampf strömt durch ein Röhrchen aus und reißt (wie bei einem Injektor) die in einem separaten Gefäße befindliche Formaldehydlösung mit. Mit diesem kleinen Apparate nähert sich der Desinfektionsarbeiter allen inneren Wagenteilen und läßt den Formaldehyddampf einwirken.

3. Desinfektionsapparat (Patent Jul. Pintsch, Berlin) für Personenwagen, die in denselben hineingeschoben werden (s. Desinfektion) und es unnötig macht, die Polster, Lederteile, Holzleisten u.s.w. zu entfernen.

Dieser in der Eisenbahnhauptwerkstätte Potsdam seit Oktober 1909 in Betrieb befindliche Vakuumdesinfektionsapparat besteht aus einem 33 m langen, gußeisernen, an beiden Enden durch Böden verschließbaren Kessel von 5 m Durchmesser, in dem als Fortsetzung der vor dem Apparate befindlichen Eisenbahngleise in gleicher Höhe ein Schienenpaar von derselben Spurweite, jedoch mit Rücksicht auf die weit voneinander liegenden Unterstützungen (Füße s.u.) von 220 mm Höhe angebracht ist Der Raum zwischen den Schienen ist durch eine Gitterblechlaufbahn ausgefüllt. Zur Begrenzung der Schienenbahn sind hinten Hemmschuhe und gegen Beschädigung des hinteren Bodens außerdem eine Bufferbohle angebracht.

Der Langkessel besteht aus 15 gußeisernen Ringträgern, die 14 gußeiserne, aus einzelnen Platten zusammengesetzte Schüsse tragen. Die Schüsse sowohl wie die Ringträger sind so stark gebaut, daß Deformationen durch das Eigengewicht, Belastung durch einen eingeschobenen[283] Wagen von 60 t und den äußeren Luftdruck bei völligem Vakuum nicht eintreten. Die Füße zur Lagerung dieses Längskessels sind mit Rollen versehen, die sich in der Richtung der Längsachse des Apparates bewegen können. Damit ist der Längenausdehnung des Apparates bei der Erwärmung Rechnung getragen, die nach den vorgenommenen Messungen 20 mm bei 75° C beträgt.

Der vordere Boden des Langkessels bildet die Einfahrtsöffnung und ist nach einer Seite hin beweglich. Er ist mit Tritten und einer Laufbahn ausgestattet und wird durch Klappschrauben an den Rand des Langkessels gedrückt. Die Abdichtung erfolgt durch einen in eine Nute eingelegten Gummiring, der eine möglichst geringe Dichtungshöhe hat.

Die Vorder- und Hinterböden bestehen aus je einem Fassungsring aus Stahlguß nach besonders gebauten Querschnitt und aus einem nach innen gewölbten, teils geschweißten, teils genieteten Flußeisenblech von der Form einer Kugelkappe. Für den vorderen Deckel von etwa 4000 kg Gewicht ist eine besondere, bewegliche Krananlage nötig.

Die Heizung des Apparates erfolgt durch Frischdampf vermittels eines Rohrsystems. Der Dampf tritt durch ein oberes lang durch den Kessel laufendes Hauptrohr ein, an das 252 Rohre in Halbringform angeschlossen sind und in ein gemeinschaftliches Kondensationsrohr führen. Die Länge des Rohrsystems beträgt 1960 m; es ist damit eine Gesamtheizfläche von 210 m2 erreicht, die im stände ist, den Kessel von – 15° C auf + 60° C zu erwärmen.

Zur Beschleunigung des Anwärmens der Luft sind je ein Ventilator in der Mitte des Langkessels an jeder Seite, die nach entgegengesetzten Richtungen hin wirken, angebracht, die die Luft innerhalb des Apparates bewegen, so daß die Berührung der Luft mit dem Heizrohrsystem intensiver wird.

Unten in der Mitte des Langkessels ist ein Verdampfer zur Aufnahme der Desinfektionsflüssigkeit (Formalin) untergebracht. Dieser ist im wesentlichen ein oben offenes Gefäß, dessen Boden eine doppelte Wandung hat. In den Bodenraum wird der Dampf zum Verdampfen des Formalins eingeführt. Der Behälter wird während des Betriebs von außen gefüllt; das Formalin verdampft in dem luftverdünnten Raum des Apparates außerordentlich schnell.

Für die Erkennung der Temperatur im Langkessel sind zwei elektrisch beleuchtete Thermometer angebracht. Das eine hängt frei im Raum, das zweite ist in einem Gefäß mit Wasser angebracht, um die höchste Temperatur im freien Räume, die auf die Lackierung wirkt und mit dem in Wasser eingetauchten Thermometer die Wärme in den Polstern u.s.w. beurteilen zu können. Zum bequemen Begehen des Apparates bei eingeschobenen Wagen sind durch den Langkessel an beiden Seiten Laufbretter angebracht. Der Kessel läßt sich durch 12 Glühlampen gut beleuchten. Der Apparat hat einen Rauminhalt von ungefähr 490 m3 und einschließlich des Kranes ein Gewicht von 135.000 kg. Zur Entlüftung des Langkessels ist eine Siemens-Schuckertsche Luftpumpe mit direktem Drehstrommotorenantrieb (20 H. P.) in unmittelbarer Nähe des Kessels aufgestellt.

Die vom Kessel durch eine 175 mm weite gußeiserne Rohrleitung angesaugte Luft wird in eine nach dem Kesselhause führende Rohrleitung ausgestoßen, die unter dem Rost eines Dampfkessels von 90 m2 Heizfläche ausmündet oder auch direkt in den Schornstein geleitet werden kann. Es können somit bei pestverdächtigen oder dergleichen Wagen die etwa mitgerissenen Keime verbrannt und unbedingt unschädlich abgeführt werden. Glasers Annalen, 1910, I. Bd., 2. Heft, S. 29).

4. Als D. für Personenwagen können auch im weiteren Sinne die Entstaubungsanlagen aufgefaßt werden, von denen verschiedene Systeme in Verwendung stehen (»Romul«, »Hansa«, »Borsig«, »Bauart Falk«, »Grether«, »Vakuum-Cleaner«, »Axien« u.s.w.), die teils ortsfest, teils fahrbar eingerichtet sind.

Für die Desinfektion von Viehwagen werden weiters verwendet:

5. Einfache tragbare Spritzapparate nach Art der in Weinbergen üblichen Peronosporaspritzen, wobei der Arbeiter, der die Spritze am Rücken trägt, die Pumpe in stete Bewegung setzt, während der zweite, im Wagen befindliche Arbeiter mittels eines langen Messingrohres, dem anderen Ende des am Spritzapparat befindlichen Kautschukschlauches, Wände, Boden und Decke des Wagens mit der Desinfektionsflüssigkeit bespritzt.

6. Fahrbare D.

Diese bestehen aus einem kupfernen zylindrischen, etwa 20 bis 30 l fassenden Behälter, in den entweder die bereits zubereitete Sodalauge oder die Desinfektionsflüssigkeit eingefüllt wird, oder in dem sich ein Rührwerk befindet, um diese Lösung herzustellen. Wird die Lösung in heißem Zustande eingebracht, so ist dieses Gefäß gegen Wärmeverluste zu schützen.

Das Verspritzen der Desinfektionsflüssigkeit geschieht entweder durch einen an dem[284] Apparate angebrachten Injektor mittels Dampf oder durch unter Druck stehendes Wasser oder durch eigene Pumpen, wenn die Desinfektionsflüssigkeit heiß (90° C) eingebracht wird. Da durch das Einbringen der heißen Sodalauge viel Wärme verloren geht (besser ist es, eine konzentrierte Lösung des chemischen Desinfektionsmittels in den Apparat einzugießen und heißes Wasser einzuleiten), so hat man auch D. erbaut, die in Verbindung mit einem Warmwasserkessel stehen und gemeinschaftlich auf einem Wagen montiert sind.

Mit letzterem Apparate (System Lübbecke, Hamburg, Bahnhof Hamburg-Sternschanze) kann man unter Verwendung eines Schlauches ununterbrochen heiß waschen und auch unter Zuhilfenahme der beiden kupfernen Behälter mit Sodalauge oder Formaldehydlösung (bzw. Kresolschwefelsäurelösung) normal oder verschärft desinfizieren. Der Warmwasserkessel ist für Steinkohlenheizung eingerichtet, hat einen Inhalt von 750 l, 61 Flammrohre von 65 mm innerer Weite und 18 m2 Heizfläche und wird an die Druckwasserleitung angeschlossen. Das durch den Kessel geführte Wasser wird bis auf 90° C erwärmt und durch den in der Wasserleitung befindlichen Druck kräftig auf die zu reinigenden und zu desinfizierenden Flächen getrieben.

Lassak.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 3. Berlin, Wien 1912, S. 283-285.
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Faksimiles:
283 | 284 | 285
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