[342] Enteignung (expropriation; expropriation; espropriazione).
Inhalt: I. Begriff; Allgemeines; Gesetzliche Bestimmungen. II. Gegenstand der E. III. Entschädigung der Eigentümer und Nebenberechtigten. IV. Rückerwerbsrecht. V. Benützung fremden Grundes für Vorarbeiten. VI. Regelmäßiges Verfahren. VII. Außerordentliches Verfahren. VIII. Kosten. Literatur.
I. E. ist die zwangsweise Entziehung oder Beschränkung fremden Eigentums insbesondere Grundeigentums oder dinglicher Rechte, zu der das Recht, nach Maßgabe des gesetzlichen Verfahrens im Interesse des öffentlichen Wohls eingeräumt wird. Das Recht zur E. wird den Eisenbahnen zur Sicherung ihrer Ausführung fast in allen Ländern verliehen. Seine Ausführung ist verschieden geordnet.
Die gesetzliche Regelung ist erfolgt: a) entweder allgemein für jede E., mag sie zu Eisenbahn- oder sonstigen Zwecken stattfinden; b) für die E. zu Eisenbahnzwecken; [342] c) für die E. zu gunsten bestimmter einzelner Bahnen. Zu a, Allgemeine Enteignungsgesetze, sind erlassen: in Belgien: die G. vom Jahre 1810 und vom 17. April 1835 (abgeändert durch G. vom 27. Mai 1870 und 9. September 1907); in Bayern: G. über die Zwangsabtretung des Grundeigentums für öffentliche Zwecke vom 17. November 1837, in einzelnen Richtungen geändert durch das Einführungsgesetz zur bayerischen Zivilprozeßordnung von 1869 und das bayerische Ausführungsgesetz zur Reichszivilprozeß- und Konkursordnung; in Frankreich: Loi sur l'expropriation pour cause d'utilité publique vom 3. Mai 1841 (Bulletin des lois, Band 22), Nr. 808, S. 601, G. vom 13. April 1850 und 27. Juli 1870; in Hamburg: Expropriationsgesetz vom 14. Juli 1879; Lübeck: G. vom 22. Juli 1898; in England: Die Land clauses consolidation act vom 8. Mai 1845, 8 Vict., cap. 18, mit der Land clauses consolidation acts amendment act vom 20. August 1860. 23 u. 24 Vict. cap. 6 und für Eisenbahnen speziell noch die gleichzeitig zur Anwendung kommende Railway clauses consolidation act vom 8. Mai 1845, 8 Vict., cap. 20 (Browne and Theobald, The law of railway companies London, 4. Aufl. 1911, S. 133, 478 und 256); in den Niederlanden: G., betreffend die Enteignung im Interesse des öffentlichen Wohls vom 28. August 1851 (Gesetzblatt Nr. 125), abgeändert durch G. vom 7. November 1910 (Gesetzblatt Nr. 313); in der Schweiz: Bundesgesetz, betreffend die Verbindlichkeit zur Abtretung von Privatrechten, vom 1. Mai 1850; in Italien: das Enteignungsgesetz vom 25. Juni 1865; in Ungarn: das Enteignungsgesetz vom 29. Mai 1881, LVI. Gesetzartikel; in Preußen: G. über die E. von Grundeigentum vom 11. Juni 1874; im Großherzogtum Baden gilt das Enteignungsgesetz vom 29. Juni 1899 nach der durch G. vom 5. Oktober 1908 bewirkten Fassung vom 24. Dezember 1908; im Großherzogtum Hessen: G., die E. von Grundeigentum betreffend, vom 26. Juli 1884. In Württemberg wurde erst unter dem 20. Dezember 1888 (RGB. Nr. 42) ein G., betreffend die Zwangsenteignung von Grundstücken und von Rechten an Grundstücken erlassen. In Elsaß-Lothringen war lange das G. vom 3. Mai 1841 maßgebend. Am 20. Juni 1887 wurde ein G. betreffend die Feststellung der Entschädigungen im Fall der Zwangsenteignung veröffentlicht. In Rußland ist das Recht zur E. durch kaiserl. Erlaß vom 19. Mai 1887 geregelt, der Art. 575 ff. des russischen bürgerlichen Gesetzbuches, die E. von Liegenschaften betreffend, in verschiedenen Beziehungen abändert. Zu b: in Mecklenburg-Schwerin: V. O. vom 6. Januar 1842, die Veräußerungsverpflichtung behufs Eisenbahnanlagen betreffend; in Sachsen-Weimar: das Eisenbahnexpropriationsgesetz vom 2. Februar 1842; im Herzogtum Gotha: G. über die Verpflichtung zur Abtretung von Grundstücken und zur Aufgabe damit zusammenhängender Rechte bei Anlegung einer Eisenbahn, vom 28. April 1842; im Herzogtum Meiningen: Expropriationsgesetz vom 28. Juni 1844; in Österreich: G. betreffend die E. zum Zweck der Herstellung und des Betriebs von Eisenbahnen vom 18. Februar 1878. Zu c: im Königreich Sachsen: G. vom 24. Juni 1902; Ausf.-V. vom 24. November 1902; in Mecklenburg-Schwerin: V. O. betreffend die Veräußerungsverpflichtung behufs Eisenbahnanlagen zur Verbindung der Seestädte mit der Berlin-Hamburger Eisenbahn vom 29. März 1845; für die Werrabahn ein besonderes von Sachsen-Weimar und den Herzogtümern Gotha und Meiningen im Jahre 1855 erlassenes G.
Das Recht zur E. wird für bestimmte, dem öffentlichen Interesse dienende Zwecke und bestimmten Personen erteilt; es gewährt dem Inhaber die Befugnis, zu verlangen, daß die für den betreffenden Zweck erforderlichen Rechte an fremdem Grundeigentum dem Berechtigten entzogen und dem Enteignenden übertragen werden. In letzterer Beziehung unterscheidet es sich von der Ausübung des Staatsnotrechts, wobei zur Befriedigung eines dringenden Bedürfnisses auch fremdes Eigentum oder ein anderes daran zustehendes Recht tatsächlich in Anspruch genommen, wenn nötig, auch dem Berechtigten entzogen, niemals aber auf einen anderen übertragen wird. Ist die Übertragung erforderlich, so kann dies nur im Wege der nachfolgenden E. geschehen. In den Enteignungsgesetzen ist in der Regel nur das eigentliche Recht der E. geregelt; in einzelnen sind jedoch auch einschlägige Bestimmungen über die Eigentumsentziehung in Notfällen getroffen (s.u.).
Der Erwerb des Enteignungsrechts ist sehr verschieden geordnet, a) Es ist im Gesetz selbst bestimmten Unternehmungen beigelegt, u. zw.: α) unbedingt dergestalt, daß der zur Ausführung des Unternehmens Berechtigte ohneweiters zur E. befugt ist. Dies gilt für die oben unter c bezeichneten, zu gunsten bestimmter einzelner Bahnen erlassenen Enteignungsgesetze, ferner für Eisenbahnen in Ungarn (durch § 1 des G. vom 29. Mai 1881 wird das Enteignungsrecht zur[343] Anlage von der allgemeinen Benutzung dienenden Lokomotiv- oder Pferdeeisenbahnen erteilt); in Gotha (§ 3 des G. vom 28. April 1842); in Bayern für konzessionierte Eisenbahnen (V. O. vom 20. Juni 1855); in Preußen ist vor der Wirksamkeit des Enteignungsgesetzes vom 11. Juni 1874 in § 8 des G. über die Eisenbahnunternehmungen vom 3. November 1838 den Eisenbahnen das Recht der E. verliehen; den vor dem 11. Juni 1874 konzessionierten Bahnen steht es deshalb noch auf Grund dieser Bestimmung zu; β) in der Weise bedingt, daß bestimmte Arten von Unternehmen zwar für die Verleihung des Enteignungsrechtes im G. als geeignet bezeichnet werden, jedoch noch eine Anerkennung der Gemeinnützigkeit durch ein staatliches Organ erfordert wird, wie dies im § 1 des österreichischen Enteignungsgesetzes vom 18. Februar 1878 für die Eisenbahnen bestimmt ist. b) Zur Verleihung des Rechts bedarf es eines besonderen legislatorischen Akts, einer Private Bill in England, eines G. in Italien, eines kaiserl. Erlasses in Rußland, einer königl. Entschließung in Württemberg, einer landesherrlichen Verordnung in Preußen (§ 2 des G. vom 11. Juni 1874), und wenn die Verleihung an das Deutsche Reich, einen deutschen Bundesstaat, an Privatpersonen und Privatgesellschaften erfolgen soll, in Hessen (Art. 2 des G. vom 26. Juli 1884). c) Ein Staatsorgan hat darüber zu befinden, ob das Unternehmen einen die E. rechtfertigenden öffentlichen Nutzen gewähre. Hierher gehört die gesetzliche Regelung in Frankreich, wo nach Art. 2 des G. vom 3. Mai 1841 die Gerichte die E. nur zuerkennen dürfen, wenn der öffentliche Nutzen festgestellt ist, und wenn die Eisenbahn oder die andere Bauausführung durch ein G. genehmigt ist. Durch ein G. vom 27. Juli 1870 ist für die Genehmigung von Zweigeisenbahnen unter 20 km Länge ein Dekret des Staatsoberhaupts für ausreichend erklärt worden. Ähnlich in Belgien; auch hier bildet die Voraussetzung die Bewilligung der Eisenbahn- oder anderen Bauten durch G., wenn aber die Länge der Eisenbahn 10 km nicht übersteigt, durch ein königl. Dekret (G. vom 10. Mai 1862). In der Schweiz kann die Bundesversammlung beschließen, daß das Enteignungsgesetz auf öffentliche Werke Anwendung findet; auf die kraft Art. 21 der Bundesverfassung von Bundes wegen errichteten ist es ohneweiters anwendbar (Art. 1 des Bundesgesetzes vom 1. Mai 1850). Hierdurch wird das Recht für die Bedürfnisse des Unternehmens erworben. Seine Ausübung ist daher nicht beschränkt auf den Bedarf bei der ersten Anlage einer Eisenbahn; auch die während des Betriebs notwendigen Erweiterungen der einzelnen Anlagen, z.B. Herstellung eines zweiten Gleises, Erweiterung von Stationen u. dgl. berechtigen zur E.
In den Niederlanden muß für Eisenbahnbauten der öffentliche Nutzen durch Gesetz festgestellt werden (Verfassung Art. 151). Erst dann kann das Enteignungsrecht durch königlichem Erlaß verliehen werden.
Obwohl die E., d.h. die Entziehung des Eigentums und die Übertragung auf den Unternehmer, durch den Staat erfolgt, ist das Subjekt der E. nicht dieser, sondern der Unternehmer, der für sein Unternehmen der E. bedarf. Dem Letzteren ist deshalb auch in den Enteignungsgesetzen die Entschädigungspflicht zugewiesen. Anders in Frankreich. Nach Art. 3 des G. vom 11. Juni 1842 und dem G. vom 19. Juli 1845 hat der Staat die Entschädigung bei E. zu zahlen, weil er demnächst Eigentümer der Bauten wird. Den Eisenbahnen wird jedoch durch die Konzessionsbedingungen (Art. 21 des Cahier des charges) die Verpflichtung zur Zahlung der Entschädigungen auferlegt.1
II. Gegenstand der E. sind, soweit Eisenbahnen in Betracht kommen, nur unbewegliche Vermögensstücke, Grundstücke mit ihrem Zubehör, Gebäude und die daran zustehenden dinglichen Rechte. Die E. kann in der völligen Entziehung des Eigentums, in einer partiellen durch Auflage dinglicher Lasten, wie Servituten oder vorübergehende Benutzung, oder in der Beseitigung der dritten Personen daran zustehenden dinglichen Rechte bestehen. (In den Niederlanden besteht die E. nur in der völligen Entziehung des Eigentums.) Veräußerungsverbote schließen die E. nicht aus. Das Grundeigentum des Staates ist nur insoweit der E. nicht unterworfen, als es dem Privatrechtsverkehr entzogen ist. Die Unzulässigkeit der E. des im Privatrechtsverkehr stehenden Staatsguts kann nicht aus sachlichen Gründen, sondern nur aus Gesetzesbestimmungen, die die Unzulässigkeit aussprechen, hergeleitet werden. Dem Privatrechtsverkehr entzogene Sachen können erst dann und nur insoweit enteignet werden, als sie von der hierfür zuständigen Stelle ihrer öffentlichen Zweckbestimmung entkleidet werden. Gegenstand der E. sind alle dem Verwendungsbedürfnis des Enteignungsberechtigten entgegenstehenden dinglichen Rechte an dem betreffenden Grundstück, namentlich das Eigentumsrecht, Servituten und alle Realberechtigungen privatrechtlicher[344] Natur; in Österreich nur das Eigentum an dem Gegenstande der E., oder ein mit dem Eigentum eines anderen Gegenstandes verbundenen dinglichen Rechtes an dem Gegenstand der E. Wo nach dem bestehenden Recht Pächtern und Mietern ein dingliches Recht an dem Pacht- oder Mietobjekt zusteht, ist auch dieses Gegenstand der E. Verschiedene Gesetze gewähren aber den Pächtern und Mietern; denen nur ein persönliches Forderungsrecht zusteht, gleichwie den dinglich Berechtigten einen Entschädigungsanspruch gegen den Enteigner, entweder bedingungslos oder unter gewissen Voraussetzungen. Die Frage, ob auch der Raum über und unter der Erdoberfläche Gegenstand der E. sei, ob insbesondere bei Anlage von Tunneln die E. des Eigentümers der darüberliegenden Grundfläche erforderlich sei, ist in den Enteignungsgesetzen nicht entschieden. Sie beantwortet sich nach den in den einzelnen Ländern hierüber geltenden Rechtsgrundsätzen. Die Notwendigkeit der Verwendung für das Unternehmen liegt nicht nur dann vor, wenn der Zweck auf andere Weise gar nicht erreicht werden kann, sondern auch in dem Fall, wenn, wie es in Art. 42 des hessischen Gesetzes heißt, der öffentliche Zweck nach allen vorliegenden Umständen und Verhältnissen am besten und Sachgemäßesten durch die vorgeschlagene Verwendung erreicht wird. Besondere Bestimmungen in dieser Richtung enthält Art. 2 des Werrabahngesetzes, Art. 5 des württembergischen, § 23 des preußischen Gesetzes.
III. Die Entschädigung ist in Geld zu leisten. Ausnahmen von dieser Regel finden sich nur ganz vereinzelt. Eine in Preußen bestehende Ausnahme ist für die E. der Eisenbahnunternehmungen ohne Bedeutung. In Ungarn ist eine Naturalausgleichung in Land in dem Falle statthaft, wenn der Enteignende den bei dem Eigentümer gebliebenen Teil der Grundfläche mit einer angrenzenden anderen Grundfläche derart zu ergänzen sich anheischig macht, daß diese auch nach der E. seinem früheren Zwecke entsprechend verwendet werden kann und wenn der Eigentümer diese Art der Entschädigung annimmt (§ 26 des G. vom 29. Mai 1881). Bei vorübergehender E. ist die Entschädigung entweder in Gestalt einer Rente oder durch Kapitalsabfindung zu leisten.
Die für die Bemessung der Entschädigung geltenden Grundsätze der verschiedenen Enteignungsgesetze stimmen im wesentlichen darin überein, daß der dem Enteigneten durch die E., d.h. Entziehung des Enteignungsobjekts erwachsende Schade zu ersetzen ist. Die Nutzbarkeit des enteigneten Grundstücks, der Nutzen, der vermöge seiner Lage, Größe und Beschaffenheit nach allgemeiner Schätzung daraus gezogen werden kann, und der Nachteil, der mit seiner Entziehung naturgemäß verbunden ist, geben daher den Maßstab für die Höhe der Entschädigung. Nicht zu berücksichtigen sind die Vorteile, die der Enteignete vermöge besonderer persönlicher Eigenschaften daraus zu ziehen weiß, wie anderseits die Entschädigung nicht deshalb niedriger zu bemessen ist, weil für den Enteigneten infolge mangelnder Geschicklichkeit oder anderer persönlicher Verhältnisse die Nutzung hinter der allgemein anerkannten oder anzuerkennenden Verwertbarkeit zurückgeblieben ist. Nur wenige Enteignungsgesetze beschränken sich darauf, den allgemeinen Grundsatz für die Bemessung der Entschädigung auszusprechen; in den meisten Gesetzen ist genau angegeben, welche Nachteile zu berücksichtigen sind. Im einzelnen kommen für die Bemessung der Entschädigung der verschiedenen Rechte die nachbezeichneten Grundsätze zur Anwendung:
Die für die Entziehung des Eigentums zu gewährende Entschädigung muß ersetzen: a) den Wert des abzutretenden Grundstücks selbst mit aufstehenden Gebäuden, Früchten u. dgl. Maßgebend ist der Verkaufswert, den das Grundstück erfahrungsgemäß hat, wenn aber ein Marktpreis nicht besteht, der Preis, den der Eigentümer nach Ort und Zeit vermöge der Benutzbarkeit des Grundstücks unter günstigen Verhältnissen voraussichtlich zu erlangen im stände sein würde. Nach § 24 des badischen G. soll der Veräußerungswert im Durchschnitt der letzten sechs Jahre zu gründe gelegt werden. Der auf bloßer Vorliebe des Eigentümers beruhende Wert (Affektionswert) bleibt gänzlich außer Betracht. Maßgebend ist der gegenwärtige, d.h. der zur Zeit der Feststellung der Entschädigung oder der Verhandlung hierüber bestehende Wert. Dies ist nur in vereinzelten Gesetzen ausgesprochen, wie z.B. im ungarischen G. vom 29. Mai 1881, § 25, und im Art. 10 des württembergischen G. vom 20. Dezember 1888, folgt aber aus der Natur der E. als einer einseitigen Entziehung des Eigentums durch einen Staatsakt, dem kein Obligationsverhältnis unter den Beteiligten vorhergeht. Diese Regel hat jedoch einige Ausnahmen. Vorübergehende ungünstige Konjunkturen, die gerade zur Zeit der Schätzung bestehen, z.B. infolge eines Krieges, dürfen nicht den Maßstab für die Schätzung bilden. Anderseits ist[345] eine Werterhöhung des Grundstücks infolge des Unternehmens, zu dessen Gunsten die E. erfolgt, nicht zu berücksichtigen; in den meisten Enteignungsgesetzen ist dies ausdrücklich ausgesprochen. Endlich hat der Eigentümer keinen Anspruch auf Entschädigung für solche Anlagen (Bauten, Anpflanzungen u.s.w.) auf dem zu enteignenden Grundstück, die in fraudem legis, d.h. nur zu dem Zweck, eine höhere Entschädigung zu erzielen, gemacht worden sind. Hierauf zielende Bestimmungen enthalten beinahe sämtliche Enteignungsgesetze, die entweder nur allgemein diesen Grundsatz aufstellen, (wie Art. 52 des französischen G. vom 3. Mai 1841, Art. 43 des italienischen G. vom 25. Juni 1865, § 13 des preußischen G. vom 11. Juni 1874, § 7 des österreichischen G. vom 18. Februar 1878, Art. 13 des württembergischen G. vom 20. Dezember 1888), oder von einem bestimmten Zeitpunkt des Enteignungsverfahrens ab überhaupt ohne Einwilligung des Unternehmers Meliorationen bei Meidung der Nichtberücksichtigung verbieten, (so Art. 12 des bayerischen G. vom 17. November 1837, Art. 13 des württembergischen G. vom 20. Dezember 1888, Art. 23 des schweizerischen G. vom 1. Mai 1850, Art. 8 und 13 des für die Werrabahn erlassenen G., Art. 9 des hessischen G. vom 26. Juli 1884, Art. 39 des niederländischen G. vom 28. August 1851).
Nicht völlige Klarheit und Übereinstimmung besteht in betreff der Frage, ob und inwieweit der Eigentümer Ersatz für die Vorteile fordern darf, die er vermöge seiner persönlichen (Gewerbs- oder sonstigen) Verhältnisse aus der Sache ziehen kann (Art. 5, Nr. 2, des bayerischen G. vom 17. November 1837). Die hierdurch entstehende Erhöhung der Entschädigung darf aber 30% des Schätzungswerts nicht übersteigen. Das preußische G. vom 11. Juni 1874 (§ 10), das hessische G. vom 26. Juli 1884 (§ 8) und das württembergische G. vom 20. Dezember 1888 (Art. 12) gestatten die Berücksichtigung der bisherigen Benutzungsart des Enteignungsobjekts nur bis zu dem Geldbetrag, der erforderlich ist, damit der Eigentümer ein anderes Grundstück in derselben Weise und mit gleichem Ertrag benutzen kann. In der Mehrzahl der übrigen Gesetze findet sich nur der allgemeine Grundsatz, daß die durch die Abtretung entstehenden Nachteile zu ersetzen seien; es ist dann nach den Umständen des einzelnen Falles zu beurteilen, inwieweit die mit der bisherigen Benutzung erzielten Vorteile als durch die E. entzogen anzusehen und deshalb zu entschädigen seien. Im Geltungsgebiet aller Enteignungsgesetze hat aber der Eigentümer Anspruch auf die Vergütung der ihm durch die Beschaffung eines Ersatzgrundstücks erwachsenen Kosten, insbesondere also der Kosten des Vertragsabschlusses und auch der Übersiedlung auf das neuerworbene Grundstück.
Wird nur ein Teil eines Grundstücks enteignet, so ist die abzutretende Fläche als Teil des Ganzen zu schätzen und zu entschädigen. Darin liegt zweierlei: Einmal muß der Mehrwert vergütet werden, den die Teilfläche in ihrem Zusammenhang mit der verbleibenden Fläche hatte. Ein solcher wird z.B. dann vorhanden sein, wenn die abzutretende Fläche nach ihrer Größe oder Gestaltung eine geringere Brauchbarkeit aufweist. Ferner aber muß der Minderwert vergütet werden, der den verbleibenden Restflächen durch die Abtrennung des zu enteignenden Teils erwächst. Hier kommen alle Nachteile in Betracht, welcher Art sie auch sein mögen, die vom Eigentümer hätten ferngehalten werden können, wenn er im Besitz des ganzen Grundstücks verblieben wäre. Diese Vergütungen würden auch ohne besondere gesetzliche Bestimmung zu gewähren sein, weil sie den Ersatz für einen durch die E. erwachsenden Schaden enthalten. Meist finden sich aber in den Enteignungsgesetzen ausdrückliche Bestimmungen dieses Inhalts, so im § 5 ff. des badischen G. von 1908, in Art. 5, Nr. 2, a und b, des bayerischen, Art. 9 des Werrabahngesetzes, § 23 des ungarischen, § 8 des preußischen, § 6 des österreichischen, Art. 7 des hessischen, Art. 11 des württembergischen G., Art. 584, Nr. 8, des russischen bürgerl. Gesetzbuchs, Art. 41 des niederländischen G. vom 28. August 1851. Nach Art. 40 des italienischen G. soll bei einer teilweisen E. als Entschädigung die Differenz des Werts des Grundstücks vor der E. und des aus dem übrigbleibenden Teil zu erzielenden Preises geleistet werden, wodurch dasselbe in anderer Form ausgesprochen ist. Über die Frage, ob eine Werterhöhung, die die übrig bleibende Grundfläche etwa durch das Unternehmen erfahren sollte, auf die gesamte oder wenigstens auf die Entschädigung für den Minderwert des Restgrundstücks in Anrechnung gebracht werden dürfe, gehen nicht nur die Ansichten (s. Grünhut, Das Enteignungsrecht, Wien 1873, § 7, S. 121ff.), sondern auch die Bestimmungen der verschiedenen Enteignungsgesetze auseinander. Gestattet ist die Anrechnung in Art. 51 des französischen G. vom 3. Mai 1841 (ebenso in Belgien, Art. 30 und 54 des G. von 1807), in Art. 41 des italienischen G.[346] vom 25. Juni 1865, in Art. 11, Abs. 3, des württembergischen G. vom 20. Dezember 1888, in Art. 3 des schweizerischen G. vom 1. Mai 1850 nur insofern, als der Abtretungspflichtige durch das Unternehmen von besonderen Lasten, die ihm oblagen, befreit wird. Ausdrücklich ausgeschlossen ist die in Art. 12 des Werrabahngesetzes. Nach Art. 9 des bayerischen, § 25 des ungarischen, § 10 des preußischen, § 7 des österreichischen, § 8 des hessischen und § 10 des württembergischen G. kommt eine Werterhöhung, die das zu enteignende Grundstück erst infolge der Anlage erfährt, bei der Ermittlung der Entschädigung nicht in Betracht; hiernach wird auch die Anrechnung einer solchen Werterhöhung auf den Minderwert des Reststücks als ausgeschlossen gelten müssen.
Das dem Eigentümer verbleibende Restgrundstück kann möglicherweise dergestalt entwertet werden, daß seine zweckmäßige Benutzung entweder ganz ausgeschlossen ist oder die Aufwendung unverhältnismäßiger Kosten voraussetzt, was z.B. bei teilweiser E. von Gebäuden eintreten wird. Für solche Fälle geben fast sämtliche Enteignungsgesetze dem Eigentümer das Recht, zu verlangen, daß der Expropriant das ganze Grundstück oder wenigstens den Teil mitübernehme und entschädige, für den diese Voraussetzung zutrifft. In einzelnen G. ist auch dem Exproprianten die Befugnis beigelegt, die Erstreckung der E. auf das Ganze zu fordern, wenn durch eine unverhältnismäßig erhebliche Entwertung der Restfläche die Entschädigung für den Minderwert sehr hoch sein würde. Die Voraussetzungen, unter denen dem Eigentümer der Anspruch auf Mitübernahme des Ganzen oder des entwerteten Teils gewährt wird, sind in den einzelnen G. in sehr verschiedener Weise bestimmt, entweder nur in allgemeiner prinzipieller Weise, wie namentlich Art. 23 des italienischen, § 9 des preußischen, Art. 16 und 17 des hessischen, Art. 11, Abs. 4, des württembergischen G., Art. 584 des russischen bürgerl. Gesetzbuchs oder in spezifizierter Weise, wie in Art. 4 des Werrabahngesetzes und § 13 und 14 des ungarischen G., oder zugleich durch Fixierung eines Minimalgehalts der Restfläche angegeben, wie in Art. 51 des französischen, § 92 der Land clauses act von 1845, Art. 38 des niederländischen und in Art. 4 des schweizerischen G., oder endlich auf Teilenteignungen von Gebäuden nebst Zubehör beschränkt, wie in Art. 3 des bayerischen G. Das Recht, die E. des ganzen Grundstücks zu fordern, steht unter bestimmten, in den einzelnen G. verschieden geordneten Voraussetzungen dem Exproprianten zu, nach Art. 11 des württembergischen, Art. 5 des schweizerischen G. und § 94 der englischen Land clauses act von 1845 (s. hierüber auch Grünhut a. a. O., S. 149162).
Neben dem Eigentümer sind auch dinglich Berechtigte wegen der ihnen durch die E. zugefügten Nachteile zu entschädigen. Zumeist wird es sich um Beseitigung des dinglichen Rechts handeln. Unbedingt ist der Fortbestand solcher Rechte, z.B. das Recht einer Wasserleitung unter dem Bahnkörper, mit dem Unternehmen nicht unverträglich, deshalb auch meist in den Enteignungsgesetzen dem Unternehmer gestattet, diese oder wenigstens Rechte bestimmter Gattungen zu übernehmen. Werden die Nebenrechte nicht übernommen, so nehmen die Nebenberechtigten entweder Teil an der für den Eigentümer festgesetzten Entschädigung, oder sie sind von dem Unternehmer besonders zu entschädigen. Letzteres wird jedenfalls immer dann eintreten müssen, wenn dem Nebenberechtigten ein Nachteil zugefügt wird, für den die Entschädigung des Eigentümers keine Deckung gewährt. Die Bestimmungen der Enteignungsgesetze stimmen in dieser Beziehung durchaus nicht überein. Im wesentlichen offen gelassen ist die Frage, ob die Nebenberechtigten selbständig zu entschädigen sind: indem preußischen (§ 11) und dem hessischen Enteignungsgesetz (Art. 13), in dem württembergischen in betreff der Dienstbarkeiten (Art. 14). Eine selbständige Entschädigung der Nebenberechtigten, sofern nicht für sie die Entschädigungssumme an Stelle des enteigneten Grundstücks tritt, wie z.B. für die Nießbrauchsberechtigten, verlangt Art. 6 des bayerischen, Art. 16 des Werrabahngesetzes, Art. 39 des französischen, Art. 43 des schweizerischen, § 4 des österreichischen G. Nach § 28 des ungarischen Gesetzes sind die Ansprüche der Nebenberechtigten (Mieter, Pächter und der ein Nutznießungs- oder anderes Servitutsrecht Besitzenden) in der Regel aus der Entschädigungssumme, bzw. mit den gesetzlichen Zinsen derselben zu begleichen. Wenn die E. die Lösung des im Grundbuche einverleibten Miet- oder Pachtvertrages nach sich zieht, oder wenn durch die E. eine Grundservitut aufhört, die dem dominierenden Grunde zum größeren Vorteile gereichte als der Wert des enteigneten Grundes vermindert wurde, so sind die Ansprüche der Mieter, Pächter oder der Eigentümer des herrschenden Grundes besonders zu entschädigen.
Was die Nebenberechtigungen im einzelnen betrifft, so tritt für die Berechtigten die Entschädigungssumme an Stelle des Enteignungsobjekts, u. zw., wenn das Gebrauchsrecht, wie[347] beim Nießbrauch, sich auf die ganze Sache erstreckt, die gesamte Entschädigung; wenn das Gebrauchsrecht nur ein partielles ist, ein im Enteignungsverfahren festzusetzender entsprechender Teil. Dem Nebenberechtigten liegt die Pflicht ob, eine angemessene Kaution zu bestellen oder, wenn eine für die Benutzung einer Geldsumme nicht ausreichende bereits bestellt sein sollte, diese angemessen zu vervollständigen. Der Anspruch auf Benutzung der ganzen oder eines Teils der Entschädigungssumme, ist dem Inhaber des betreffenden Rechts ausdrücklich gewährt in Art. 39 des französischen, Art. 17 des Werrabahngesetzes, Art. 45 des niederländischen G. Da diese Regelung in der Sache selbst begründet ist, wird danach überall da verfahren werden müssen, wo nicht ausdrückliche Gesetzesbestimmungen entgegenstehen. Für Grunddienstbarkeiten wird in der Regel eine besondere Schätzung erforderlich sein, u. zw. einerseits des Nachteils, den die Dienstbarkeit für das dienende, anderseits des Vorteils, den sie für das herrschende Grundstück hat, weil dieser sich mit jenem nur in seltenen Fällen decken wird. Wenn in den Enteignungsgesetzen nicht ausdrücklich bestimmt ist, daß diese Rechte bei der für den Eigentümer festzustellenden Entschädigung berücksichtigt werden sollen, wie in § 28 des ungarischen G. und Art. 44 des niederländischen G., wird die Entschädigung für diese Nebenrechte immer besonders festzusetzen und der aus der Dienstbarkeit für das dienende Grundstück sich ergebende Minderwert von der Entschädigung des Eigentümers abzurechnen sein. Die Gebrauchsrechte der Pächter und Mieter haben nur in einzelnen Rechtsgebieten dingliche Natur. Wo dies der Fall, sind diese im wesentlichen ebenso zu entschädigen, wie die Inhaber persönlicher Dienstbarkeiten und unter Berücksichtigung eines im Einzelfall erlittenen besonderen Schadens. Als ein solcher müssen die Umzugskosten angesehen werden. Steht den Pächtern und Mietern kein dingliches, sondern nur ein persönliches Forderungsrecht zu, so würden sie, wenn durch die E. der fernere Gebrauch des Pacht- oder Mietobjekts unmöglich gemacht wird, an sich einen Entschädigungsanspruch gegen den Verpächter oder Vermieter nicht erheben können, weil dieses Verhältnis ohne seine Schuld eingetreten ist. Sie würden demnach nur von der ferneren Zahlung des Pacht- oder Mietzinses frei sein. Beinahe sämtliche Enteignungsgesetze enthalten über die Ansprüche der Pächter und Mieter Bestimmungen. Nach § 29 des ungarischen G. kann der Pächter oder Mieter die Lösung des Vertrages nur dann fordern, wenn das ganze Pachtobjekt enteignet wird; bei teilweiser E., wenn die Vertragsbedingungen nicht erfüllt werden können, oder wenn das Pachtobjekt eine solche Änderung erleidet, daß es seiner früheren Bestimmung nicht mehr entspricht. In § 5 des österreichischen G. sind auch die Pächter und Mieter (Bestandnehmer) als solche Berechtigte bezeichnet, auf die bei Bemessung der Entschädigung auf die ihnen durch die E. erwachsenden Nachteile Rücksicht zu nehmen ist, und ist angenommen, daß deren Vergütung dem Eigentümer obliegt. Ein Anspruch auf Ersatz des ihnen durch die E. zugefügten Schadens gegen den Unternehmer steht den Pächtern und Mietern zu nach Art. 5, Nr. 3, des bayerischen, ebenso nach Art. 21 und 39 des französischen G. Der Eigentümer ist zu diesem Zweck verpflichtet, der Verwaltung von dem bestehenden Pacht- oder Mietverhältnis Kenntnis zu geben und im Unterlassungsfall für die Entschädigung der Pächter und Mieter verhaftet. (§ 21 a. a. O.) Nach Art. 14 des württembergischen G. können Pächter und Mieter das erweisliche Interesse an der Fortsetzung der Pacht oder Miete bis zu deren Ablauf oder bis zum nächsten Kündigungstermin vom Unternehmer ersetzt verlangen. Der Art. 17 des Werrabahngesetzes legt, wenn in dem Vertrag nichts anderes bestimmt ist, im Fall der E. des ganzen Pachtobjekts dem Unternehmer die Pflicht zur Entschädigung für die aus der Aufhebung des Vertrags dem Pächter oder Mieter erwachsenen Nachteile auf. Bei teilweiser E. des Pachtobjekts kann der Pächter oder Mieter unter denselben Voraussetzungen wie nach § 29 des ungarischen G. die Aufhebung des Vertrags verlangen, und muß dann der Unternehmer diese, wie auch die Verpächter oder Vermieter entschädigen. Wird die Aufhebung des Vertrags nicht verlangt, so hat der Unternehmer die Pächter und Mieter für die vorübergehende Nutzung eines Ersatzgrundstücks zu entschädigen und von dem für die Abtretung oder immerwährende Benutzung eines Teils des Vertragsgegenstands bestimmten Entschädigungskapital den Betrag zu gewähren, der den mit jährlich 31/2% auf die Dauer der Pachtzeit zu berechnenden Zinsen gleichkommt. Auch in England sind Pächter und Mieter besonders vom Unternehmer zu entschädigen. Bei teilweiser E. des Vertragsobjekts bleibt der Vertrag für die Restfläche bestehen, der Pachtzins wird ermäßigt, Pächter und Mieter haben aber Anspruch auf[348] Ersatz des ihnen durch die Abtrennung zugefügten Schadens (§§ 119121 der Land clauses act von 1845). Nach dem niederländischen Gesetz ist dem Pächter oder Mieter, dessen Pacht- oder Mietezeit noch ein oder mehrere Jahre dauern soll, eine Entschädigung im Betrage von 2 Jahren Pacht- oder Mietzins zu gewähren. Sind aber die auf dem Grunde stehenden Früchte mehr wert, oder die Aufwendungen der letzten 2 Jahre höher als der zweijährige Pacht- oder Mietzins, dann wird der Wert der Früchte oder der Betrag der Aufwendungen vergütet.
Dauert der Miet- oder Pachtvertrag kürzer als 1 Jahr, dann wird der Zins eines vollen Jahres, oder der Wert der Bodenfrüchte, falls dieser höher ist, vergütet. Der § 11 des preußischen und Art. 12 des hessischen G. erkennen nur an, daß Pächter und Mieter für den ihnen erwachsenden Schaden zu entschädigen seien, lassen aber unentschieden, ob als Entschädigung die Nutzung der Entschädigungssumme zu gewähren, oder ob ihnen aus der Entschädigungssumme oder durch Feststellung einer besonderen Entschädigung Ersatz zu leisten ist. Hypothekengläubiger, die durch die E. ihr Pfandobjekt verlieren, werden aus der Entschädigungssumme, die dem Eigentümer bezahlt wird, befriedigt. Ein weiterer Entschädigungsanspruch steht ihnen nicht zu. Ihre dingliche Berechtigung verleiht ihnen aber die Befugnis, wegen Feststellung der Entschädigung selbständig Anträge zu stellen. In dieser Weise ist das Verhältnis der Hypothekengläubiger in der Mehrzahl der deutschen Staaten, in Frankreich, den Niederlanden und in Italien, geordnet.
Neben der Pflicht zur Entschädigung der Enteigneten ist den Unternehmern oder doch den Eisenbahnunternehmern in vielen Enteignungsgesetzen eine weitere Verpflichtung auferlegt worden, die im Enteignungsverfahren zur Erörterung kommt und auch auf die Bemessung der Entschädigung von Einfluß ist. Zweck dieser Verpflichtung ist der Schutz der Umgebung des Unternehmens, insbesondere auch der benachbarten Grundstücke gegen die von dem letzteren drohenden Gefahren. Der Unternehmer wird verpflichtet, die Anlagen herzustellen, die nach dem Ermessen der zuständigen Verwaltungsbehörde erforderlich sind, um derartige, dem öffentlichen oder den Privatinteressen drohenden Gefahren zu beseitigen. Nach einzelnen G. besteht diese Verpflichtung nur bei den für die öffentliche und die Sicherheit des benachbarten Grundeigentums erforderlichen Anlagen, so nach § 16 des sächsischen G. von 1902, Art. 18 des Werrabahngesetzes und Art. 7 des schweizerischen G. Das preußische G. (§ 14), das württembergische (Art. 7), das russische bürgerl. Gesetzbuch (Art. 584, Nr. 11) und das hessische (Art. 14) verpflichten ihn zur Herstellung der zur Sicherung gegen Gefahren und Nachteile für notwendig erachteten Anlagen. Wesentlich denselben Inhalt hat § 15 des ungarischen G. Hiernach darf durch das Unternehmen die Benutzung der nebenan liegenden Besitzungen weder gehindert, noch über Bedarf erschwert werden. Der Enteignende ist dazu verpflichtet, die zu den Nachbarbesitzen führenden Wege und Brücken, sowie die zur Leitung des Wassers erforderlichen Gräben, Kanäle und Schleusen entsprechend herzustellen. Sehr ins einzelne gehende Bestimmungen über die von Eisenbahnunternehmern herzustellenden Works for the accommodation of the owners and occupiers of lands adjoining the Railway enthalten die §§ 68 ff. der englischen Railway clauses act von 1845. Insoweit durch derartige Anlagen die Nachteile, die den bei Teilenteignungen verbleibenden Restflächen durch die E. erwachsen, geändert werden, sind sie selbstredend nicht zu entschädigen.
Vollendet wird die E. durch den Eigentumsübergang des Enteignungsobjekts auf den Unternehmer. Über die Voraussetzungen und den Zeitpunkt des Eigentumsübergangs s. unten Enteignungsverfahren. Hierin liegt die eigentliche Vollziehung der E. und, sofern die Enteignungsgesetze nicht eine abweichende Bestimmung enthalten, zugleich der Zeitpunkt der Perfektion des Enteignungsgeschäfts. Denn die E. ist ihrer rechtlichen Natur nach ein einseitiger Staatsakt, dem kein privatrechtliches Obligationsverhältnis unter den Beteiligten vorausgeht. In einzelnen G. ist jedoch im Widerspruch mit der hier vertretenen Rechtsauffassung dem Eigentümer das Recht verliehen, die Entschädigung gegen Abnahme des Grundstücks zu verlangen, wenn der Unternehmer vor der Vollziehung der E. das Unternehmen aufgeben oder den Enteignungsantrag unterlassen sollte. Dieser Anspruch steht dem Eigentümer zu; in Hessen (§ 68) nach rechtskräftiger Feststellung des Plans, in Österreich (§ 37) vor Ablauf eines Jahrs nach dem Enteignungserkenntnis, in. Preußen (§ 42) nach Feststellung der Entschädigung durch die Verwaltungsbehörde, in der Schweiz (Art. 42) nach rechtskräftiger Feststellung der Entschädigung durch die Schätzungskommission oder das Bundesgericht. Macht der Eigentümer von diesem Anspruch keinen Gebrauch oder tritt der[349] Unternehmer vor dem vorgedachten Zeitpunkt zurück, so haftet der letztere dem ersteren für die ihm durch das Enteignungsverfahren erwachsenen Nachteile (§ 38 des österreichischen G.). In England sind die Unternehmer nach § 18 der Land clauses act von 1845 verpflichtet; die Interessenten von der beabsichtigten E. ihrer Grundstücke oder ihrer Rechte in Kenntnis zu setzen und sie können von der Zeit dieser Mitteilung an nicht mehr zurücktreten (§ 21). Nach Art. 55 des französischen G. vom 3. Mai 1841 ist mit der Rechtskraft des gerichtlichen Enteignungserkenntnisses, das die zu enteignenden Grundstücke und ihre Eigentümer feststellt, die E. noch vor Festsetzung der Entschädigung perfekt, und von beiden Teilen kann diese Festsetzung und vom Eigentümer die Zahlung der Entschädigung verlangt werden. Das Eigentum wird von dem Unternehmer hypothekenfrei und frei von allen privatrechtlichen Lasten erworben, soweit diese von ihm nicht übernommen sind; soweit für die Inhaber der betreffenden Rechte nicht besondere Entschädigungen festgesetzt sind, tritt an die Stelle des Enteignungsobjekts die für den Eigentümer festgestellte Entschädigung. S. Art. 11 des bayerischen, Art. 42 des Werrabahngesetzes, Art. 45 des schweizerischen, § 45 des preußischen, Art. 19 und 20 des hessischen G.
Übereinstimmend mit der oben vertretenen Ansicht gewährt Art. 40 des württembergischen G. dem Eigentümer nicht das Recht, nach Feststellung der Entschädigung deren Zahlung gegen Annahme des Grundstücks zu verlangen, sondern nur den Anspruch auf Schadenersatz wegen der ihm durch das Enteignungsverfahren erwachsenen Nachteile, wenn die Entschädigung nicht binnen dreier Monate nach ihrer Feststellung gezahlt oder hinterlegt ist. Eine ähnliche Regelung besteht in den Niederlanden (Art. 55 des Enteignungsgesetzes).
IV. Ein Rückerwerbsrecht ist dem Enteigneten und seinen Rechtsnachfolgern für den Fall, daß das Enteignungsobjekt dem betreffenden öffentlichen Zweck entsprechend nicht oder nicht mehr verwendet wird, fast in sämtlichen Enteignungsgesetzen gegeben. Sehr verschieden sind aber die Voraussetzungen und der Inhalt des Rückerwerbsrechts selbst geregelt. In ersterer Beziehung haben viele Enteignungsgesetze nur den Fall im Auge, daß das enteignete Grundstück überhaupt zu dem Unternehmen keine Verwendung findet, sei es, daß es zu dessen Ausführung nicht erforderlich ist, oder daß das Unternehmen noch vor der Ausführung aufgegeben wird. Nur vereinzelt ist auch für den Fall Bestimmung getroffen, daß das enteignete Grundstück nach seiner Verwendung zum Unternehmen für dessen Zwecke entbehrlich wird. Das Rückerwerbsrecht steht entweder dem Enteigneten überall da zu, wo die bestimmungsmäßige Verwendung nicht stattfindet, mag der Unternehmer die Weiterveräußerung des Grundstücks beabsichtigen oder nicht, oder es ist nur das Vorkaufsrecht bei Teilenteignungen gegeben, das dem jeweiligen Inhaber der Stammparzelle zusteht. Ein Wiederkaufsrecht für den Fall, daß das Unternehmen aufgegeben wird, gegen Rückzahlung der empfangenen Entschädigung gewähren: Art. 12 des bayerischen, innerhalb eines Jahrs nach Empfang der Entschädigung; Art. 6 des Werrabahngesetzes für den Fall, daß das Grundstück nicht innerhalb eines Jahrs nach Eröffnung der ganzen Bahn zu der Bahn oder ihren Zubehörungen Verwendung findet, oder daß es weiter veräußert werden soll, binnen einer zweijährigen Frist; Art. 47 des schweizerischen G., wenn das Grundstück ohne hinreichenden Grund nicht binnen zweier Jahre nach der Abtretung zu dem Abtretungszweck verwendet ist, oder wenn das Unternehmen aufgegeben wird, gegen Rückerstattung der Entschädigung, jedoch unter Berücksichtigung etwa eingetretener Werterhöhungen oder Wertminderungen. Art. 69 des hessischen G. gewährt dem früheren Eigentümer, wenn innerhalb dreier Jahre von der Zustellung des Enteignungsausspruchs das Unternehmen aufgegeben wird oder das Grundstück verkauft werden soll, das Wiederkaufsrecht gegen Rückerstattung der Entschädigung, der der Betrag etwaiger Werterhöhungen zuzusetzen ist, für die weitere Zeit bis zum Ablauf von acht Jahren aber das Vorkaufsrecht, das innerhalb vier Wochen nach Empfang der Anzeige ausgeübt werden muß. Ähnlich Art. 590 des russischen bürgerl. Gesetzbuchs, wonach für den Fall des Entbehrlichwerdens des Grundstücks oder des Eingehens des Unternehmens der Eigentümer innerhalb zehn Jahren das Recht des Wiederkaufs gegen Rückerstattung der Entschädigung, für die Folgezeit aber das Vorkaufsrecht hat. Art. 61 des niederländischen G. gewährt dem früheren Eigentümer das Wiederkaufsrecht gegen Rückerstattung der Entschädigung, wenn nicht innerhalb eines Jahres, nachdem das gerichtliche Urteil, wobei die E. ausgesprochen ist, rechtskräftig geworden ist, das Unternehmen begonnen ist, oder dieses länger als 1 Jahr eingestellt sein möchte, überhaupt, wenn das Unternehmen offenbar nicht[350] zustande gebracht wird. In Frankreich (Art. 61) und in Italien (Art. 6) muß bekanntgemacht werden, daß die nicht verwendeten Grundstücke zurückerworben werden können. Innerhalb dreier Monate haben sich die früheren Eigentümer zu erklären, wenn sie den Rückerwerb verlangen. Der zu zahlende Preis wird mangels einer gütlichen Verständigung gerichtlich festgesetzt. Das Rückerwerbsrecht erstreckt sich nicht auf die auf Verlangen des Eigentümers mitübernommenen Parzellen, es müßte denn das ganze Grundstück sich als für die Ausführung des Unternehmens entbehrlich darstellen (Art. 60 bis 62 des französischen, Art. 6063 des italienischen G.). Ähnliche Bestimmungen gelten in Belgien nach Art. 23 des G. vom 17. April 1835. Der Rückkaufpreis wird gerichtlich bestimmt, falls der Eigentümer es nicht vorzieht, die erhaltene Entschädigung zurückzuzahlen. Nur ein Vorkaufsrecht im Fall von Teilenteignungen, das dem zeitigen Eigentümer der Restparzelle zusteht, kennt das preußische G. (§ 37). Dieses beschränkt die Ausübung des Vorkaufsrechts auf eine zweimonatliche Frist, von der Anzeige ab gerechnet. Wegen des in England den Eigentümern der Restparzelle zustehenden, eigentümlich gestalteten Vorkaufsrechts, s. §§ 127 ff. der Land clauses act von 1845.
V. Zur Vorbereitung der Ausführung des Unternehmens, insbesondere zur Trassierung der Eisenbahnen, bedarf es meist der Vornahme von Arbeiten auf dem für die Führung der Bahn in Aussicht genommenen Gelände. Diese können nur mit Erlaubnis der Eigentümer des Geländes vorgenommen werden, sofern diese nicht gesetzlich verpflichtet sind, diese Arbeiten auf ihrem Eigentum und die damit notwendig verbundenen Beschädigungen zu dulden. Eine derartige Verpflichtung ist den Eigentümern zugunsten der Unternehmer, denen von der zuständigen Behörde die Erlaubnis zur Vornahme der Vorarbeiten zu dem Unternehmen erteilt worden ist, in verschiedenen Enteignungsgesetzen auferlegt und ihnen nur Anspruch auf Ersatz des ihnen dadurch entstehenden Schadens, zuweilen auch auf vorgängige Leistung einer Kaution gewährt. Das Verfahren im näheren ist in verschiedener Weise geordnet. S. § 84 der Land clauses act von 1845, Art. 8 und 9 des schweizerischen, Art. 7 des italienischen, §§ 7 und 8 des ungarischen, § 5 des preußischen, § 42 des österreichischen, Art. 3 des hessischen, Art. 6 des württembergischen G., Art. 9 des niederländischen G.
VI. Das Enteignungsverfahren hat die Aufgabe, die E. in der gesetzlichen Weise durchzuführen. Dazu gehört insbesondere 1. die Feststellung des Gegenstands der E., sowohl nach seiner Größe als nach seiner Beschaffenheit, 2. der Anlagen, die nach den Gesetzen der Unternehmer im öffentlichen oder im Privatinteresse zur Beseitigung von Gefahren und Nachteilen herstellen muß; 3. der entschädigungsberechtigten Personen; 4. der Entschädigungsbeträge, ferner 5. die Fürsorge, für die Leistung der Entschädigung und die Übertragung des Enteignungsgegenstands auf den Exproprianten, die Vollziehung der E. Nach den verschiedenen Enteignungsgesetzen kommen diese Aufgaben in sehr verschiedener Weise zur Erledigung. Verschiedenheiten treten hauptsächlich in folgenden Richtungen zutage: Die Einwirkung auf den Fortgang des Enteignungsverfahrens steht nach den meisten Enteignungsgesetzen nur dem Exproprianten zu; in einzelnen ist auch dem Expropriaten ein beschränktes Antragsrecht eingeräumt; selten nur wird das auf Antrag des Exproprianten begonnene Verfahren von Amts wegen ohne weitere Anträge vollständig durchgeführt. Für die verschiedenen Akte ist das Enteignungsverfahren häufig in einzelne Abschnitte zerlegt, deren jeder mit einer Entscheidung der zuständigen Behörde seinen Abschluß findet. So ist in mehreren Gesetzen ein Planfeststellungs-, ein Entschädigungsfeststellungs- und ein Vollzugsverfahren vorgeschrieben; in anderen sind die hierin zu erledigenden Funktionen auf ein einziges Verfahren oder auf zwei Abschnitte beschränkt. Sehr verschieden ist der Übergang des Eigentums geordnet, in einigen Gesetzen bereits an die Feststellung des Enteignungsobjekts, die der Feststellung der Entschädigung vorausgeht, geknüpft, nach anderen erst nach Leistung der Entschädigung und vermöge eines besonderen Akts der zuständigen Behörde eintretend. Die definitive Feststellung der Entschädigung ist meist den Gerichten überwiesen, während die vorläufige Feststellung durch die Verwaltungsbehörde erfolgt, der auch die Feststellung des Plans und des Enteignungsobjekts zufällt. Auch hier finden sich Ausnahmen, indem vereinzelt den Gerichten das Enteignungserkenntnis übertragen ist. Darüber, inwieweit die Entschädigung durch gütliche Vereinbarung des Unternehmers mit dem Hauptberechtigten festgesetzt werden kann, finden sich in den Gesetzen sehr verschiedenartige Bestimmungen. Endlich ist in mehreren Enteignungsgesetzen in Fällen des dringlichen Bedürfnisses der Vollzug der E. oder doch die Einweisung in den Besitz des Enteignungsobjekts schon in einem Stadium des Verfahrens für statthaft erachtet, in dem noch nicht sämtliche Bedingungen[351] hierfür erfüllt sind. Das Enteignungsverfahren in den einzelnen Staaten ist in seinen wesentlichen Umrissen das folgende:
Im Königreich Sachsen ist das Verfahren durch das G. vom 24. Juni 1902 (3. Abschnitt, §§ 34 ff.) und die Ausführungsverordnung vom 24. Juni 1902, das abgekürzte Verfahren und das Verfahren in dringlichen Fällen durch G. von 1902, §§ 67 ff. und § 70, geregelt. Als Unterlage des Verfahrens dient der vom Ressortministerium zu genehmigende ausführliche Plan über die Anlage und Zubehörungen nebst Verzeichnis der für diese in Anspruch zu nehmenden Grundstücke und Rechte. Die Enteignungsbehörde hat die Unterlagen während 3 Wochen an ihrer Amtsstelle zu jedermanns Einsicht aufzulegen. Sodann wird der Unternehmer, die Eigentümer der im Plane und im Verzeichnisse verzeichneten Eigentümer, die Personen, die Widerspruch erhoben haben, sowie die Vertreter der von der Anlage betroffenen Gemeinden und Gutsbezirke und die Sachverständigen zum Feststellungstermin geladen und nach einer Verhandlung eine Entschließung über die strittigen Punkte getroffen. Die Entschädigungsberechnung wird durch die Sachverständigen aufgestellt und im Enteignungstermin dem Unternehmer und den übrigen Beteiligten mitgeteilt und auf Grund der Verhandlung vom leitenden Beamten möglichst sofort durch Bescheid festgestellt und den Beteiligten eröffnet. Gegen den die Entschädigung feststellenden Bescheid der Enteignungsbehörde steht dem Unternehmer und den Entschädigungsberechtigten der Rekurs zu. Der Rekursbescheid kann binnen Jahresfrist durch Klage im Rechtswege angefochten werden (§ 32, 33 des G. von 1902).
In Bayern ist von dem Unternehmer die E. unter Vorlage der erforderlichen Urkunden, Risse und Kostenanschläge bei der Kreisregierung nachzusuchen, die die Genehmigung des Ministeriums des Innern zur Einleitung des Enteignungsverfahrens einzuholen hat. Alsdann erfolgt die Instruktion durch die Distriktspolizeibehörde, die die Beteiligten zu ermitteln und zu einem Termin zu laden hat. Im Termin ist eine gütliche Vereinbarung zu versuchen, wenn aber solche nicht zu erzielen, über die Abtretungsfrage zu verhandeln. Die Entscheidung über die Frage der Abtretung steht in erster Instanz der Kreisregierung, in zweiter Instanz dem Verwaltungsgerichtshof zu. Ist die Abtretungspflicht durch rechtskräftige Entscheidung oder durch gütliche Vereinbarung festgestellt, so wird die Entscheidung durch die Distriktsverwaltungsbehörde auf Antrag des Unternehmers, wenn dieser aber binnen sechs Monaten den Antrag nicht stellt, auch auf Antrag des Eigentümers festgesetzt auf Grund einer in einem Termin mit kontradiktorischer Verhandlung vorgenommenen Schätzung Sachverständiger. Gegen diese Entscheidung kann binnen eines Monats die Klage bei dem Gericht der belegenen Sache erhoben werden. Der Unternehmer kann aber nach der Entscheidung der Distriktsverwaltungsbehörde und nach Zahlung der von dieser festgesetzten Entschädigung und der dem Expropriaten erwachsenen Kosten die Einweisung in den Besitz des Enteignungsobjekts verlangen (Art. 45 ff. des Einführungsgesetzes der Zivilprozeßordnung vom 29. April 1869).
In Baden (§§ 16 ff. des G. vom 5. Oktober 1908) zerfällt das Enteignungsverfahren in 3 Abschnitte: das Abtretungs-, das Entschädigungs- und das Vollziehungsverfahren. Im Abtretungsverfahren wird über Zulässigkeit und Umfang der E. entschieden. Der beim Bezirksamt einzureichende Antrag des Unternehmers wird öffentlich bekanntgemacht und in einer besonderen Tagfahrt unter Zuziehung der Beteiligten von der Abtretungskommission (bestehend aus einem Beamten des Bezirksamtes, einem oder mehreren technischen Beamten oder Sachverständigen und dem Bürgermeister des Ortes) geprüft und begutachtet. Wird eine Einigung mit den Beteiligten nicht erzielt, so gelangt der Beschluß der Kommission an das Ministerium des Innern, das den Antrag entweder zurückweist oder dem Staatsministerium zur Entscheidung überweist. Diese Abtretungsentscheidung des Staatsministeriums stellt auch den Plan des Unternehmens fest.
Falls vor der Kommission eine Vereinbarung über Abtretung und Entschädigung zu stande kommt, so wird ein die Parteien bindendes Protokoll errichtet.
Das Entschädigungsverfahren wird vom Landeskommissär oder einem andern Bevollmächtigten des Ministeriums geleitet. Die Verhandlungen, die er unter Zuziehung von 24 Beisitzern leitet, werden durch einen Feststellungsbescheid abgeschlossen. Dieser kann von jedem Beteiligten innerhalb zweier Monate vor den ordentlichen Gerichten durch Klage angefochten werden. Nach Zahlung oder Hinterlegung der Entschädigungssumme wird das Vollziehungsverfahren durch die Enteignungserklärung des Landeskommissärs abgeschlossen. Sie stellt nur fest, daß die E. endgültig und rechtswirksam geworden ist.[352]
Nach dem Werrabahngesetz wird das Enteignungsverfahren von einem Kommissär geleitet, der die Berechtigten von Amts wegen ermittelt und nach Verhandlung über die Abtretungsfrage, über die vom Unternehmer herzustellenden Anlagen und über die Entschädigung unter Zuziehung von Schätzern in einem oder in mehreren Terminen über alle diese Fragen Entscheidung trifft. Hiergegen findet nur innerhalb zehn Tagen Berufung an das Staatsministerium statt. Nach Zahlung der Entschädigung erfolgt die Besitzeinweisung des Unternehmers, womit zugleich das Eigentum übergeht (Art. 19 bis 46 des Gesetzes).
In Belgien wird die E. durch ein Gesetz oder eine königl. Verordnung festgestellt. Die Pläne liegen 14 Tage im Gemeindehause zur Einsicht der Interessenten aus. Die Eigentümer der zu enteignenden Grundstücke werden schriftlich von der Auslegung benachrichtigt. Die gegen den Plan erhobenen Einsprüche werden von dem Schöffenkollegium gesammelt und von dem Gemeinderat oder vom Provinzialausschuß begutachtet. Diese Verwaltungsakten werden sodann an die Kanzlei des Zivilgerichts geschickt. Das die Erfüllung der gesetzlichen Formalitäten bezeugende gerichtliche Urteil wird sofort zur Eintragung dem bureau de la conservation des hypoteques zugestellt. Es vollzieht den Eigentumsübergang auf den Enteignenden und wirkt von der Eintragung an gegen jeden Dritten. Durch das Gesetz vom 9. September 1907 wurden die Formalitäten vereinfacht und die Fristen verkürzt.
In Frankreich wird mit der Feststellung des Plans zugleich die E. vorgenommen. Die Besitzergreifung darf jedoch erst nach Feststellung und Zahlung oder Hinterlegung der Entschädigung erfolgen. Die Grundlage des Verfahrens bildet ein für jede Gemeinde aufzulegender Plan, gegen den Einwendungen erhoben werden können. Diese werden durch eine Kommission erörtert. Nach Abschluß der Verhandlungen bestimmt der Präfekt die zu enteignenden Grundstücke und übergibt alsdann die Verhandlungen dem Gericht, das das Enteignungserkenntnis erläßt. Hiergegen ist nur die Kassationsbeschwerde zulässig (Art. 421 des G. von 1841). Ein nach dem Ausspruch des Präfekten abgeschlossener Vergleich hat die Wirkungen der E.; die Nebenberechtigten können nur die Höhe der Entschädigung anfechten. Die Feststellung der Nebenberechtigten geschieht durch den Eigentümer oder Nießnutzer, der sie bei Meidung eigener Entschädigungspflicht zu bezeichnen hat (Art. 22). Die Höhe der Entschädigung wird durch eine Jury bestimmt, deren Entscheidung ebenfalls nur mit der Kassationsbeschwerde anfechtbar ist (Art. 29 bis 43). Binnen sechs Monaten nach dieser Entscheidung der Jury ist die Entschädigung zu leisten, widrigenfalls der Unternehmer diese zu verzinsen hat. An Stelle der Zahlung tritt die Hinterlegung, wenn der Zahlung an den Entschädigungsberechtigten Hindernisse entgegenstehen. Erst nach Leistung der Entschädigung darf die Besitznahme des Grundstücks erfolgen (Art. 53, 54). In dringenden Fällen kann aber auf Grund einer nach dem Enteignungserkenntnis zu erwirkenden Verordnung des Amtsoberhaupts, die das Enteignungsnot verfahren für zulässig erklärt, nach Erlegung einer vom Gericht zu bestimmenden Kaution die alsbaldige Einweisung in unbebaute Grundstücke verlangt werden. Die definitive Feststellung der Entschädigung erfolgt dann auf Antrag des Unternehmers oder des Eigentümers (Art. 6576).
Eine ungefähr ähnliche Regelung besteht in den Niederlanden. In jeder beteiligten Gemeinde werden die Pläne, gegen die Einwendungen erhoben werden können, offengelegt. Diese Einwendungen werden durch die Gemeindeverwaltung erörtert (Art. 58). Darnach erfolgt der Antrag an das Parlament zur Erklärung des öffentlichen Wohls. Nachdem das betreffende Gesetz zustande gekommen ist, werden wieder Pläne offengelegt und die dagegen erhobenen Einwendungen durch eine Kommission erörtert. Hierauf untersucht der Ressortminister die Verhandlungen, wonach die zu enteignenden Grundstücke durch königl. Erlaß bestimmt werden (Art. 1016). Der Unternehmer muß nun versuchen, das Objekt auf gütlichem Wege vertragsmäßig zu erwerben. Gelingt dies nicht, dann tritt das gerichtliche Verfahren ein. Das Gericht erläßt das Enteignungserkenntnis und stellt zu gleicher Zeit die Entschädigung fest. Hiergegen ist nur Kassationsbeschwerde zulässig (Art. 1754). Binnen sechs Monaten nach dem rechtskräftig gewordenen gerichtlichen Urteile ist die Entschädigung zu leisten, oder zu hinterlegen, wenn der Zahlung Hindernisse entgegenstehen, widrigenfalls das gerichtliche Enteignungserkenntnis in Wegfall kommt. Erst nach Leistung oder Hinterlegung der Entschädigung darf die Besitznahme des Grundstücks erfolgen (Art. 5560). Das Enteignungsnotverfahren ist insoweit Eisenbahnanlagen in Betracht kommen in den Niederlanden nicht bekannt.[353]
In England werden Plan und Enteignungsobjekte durch die Private bill, die das Enteignungsunternehmen konzessioniert, festgestellt. Der Plan ist ein Jahr vor dem betreffenden Antrag an das Parlament in Lokalblättern bekanntzumachen und außerdem unter Benachrichtigung der Grundeigentümer bei der Gerichtsschreiberei des Friedensrichters, der Plan für eine Eisenbahn außerdem auch bei dem Handelsamt niederzulegen. Nach der zweiten Lesung der Bill erfolgt eine kontradiktorische Verhandlung vor dem Ausschuß für Privatbills, nötigenfalls mit Beweisaufnahme. Nach Vorlage des Entwurfs einer Bill durch den Ausschuß beschließt das Parlament. In der Bill werden die zu enteignenden Grundstücke genau bestimmt, d.h. es wird Bezug genommen durch eine gleichlautende Formel auf die Pläne, auf denen die zu enteignenden Grundstücke, und auf das sog. Book of reference, in dem die Namen der Grundstückseigentümer verzeichnet sind. Abschriften dieser Pläne u.s.w. müssen in den Bureaus des Unter- und des Oberhauses hinterlegt werden. Die Stelle des Enteignungsausspruchs vertritt die Benachrichtigung der bei der E. beteiligten Berechtigten durch den Unternehmer, daß er bereit sei, wegen der Entschädigung mit ihnen zu verhandeln (§§ 18 ff. der Land clauses act von 1845). Wenn innerhalb 21 Tagen von der Benachrichtigung an eine gütliche Vereinbarung nicht zu stande kommt, kann der Unternehmer die Bestellung einer Abschätzungsbehörde verlangen. Die Entschädigung wird, wenn der Anspruch 50 ₤ nicht übersteigt, durch zwei Friedensrichter, andernfalls in der Regel durch eine vom Sheriff zu berufende Jury festgesetzt. An Stelle der Jury bestimmt jedoch je ein von jeder Partei bestellter Surveyor (Sachverständiger), oder wenn sich die beiden nicht einigen können, ein von zwei Friedensrichtern ernannter Surveyor die Entschädigung, wenn der geladene Entschädigungsberechtigte vor der Jury nicht erscheint, oder wenn er abwesend ist oder nicht aufgefunden werden kann. Der Entschädigungsberechtigte kann jedoch, wenn er die so festgesetzte Entschädigung für unzureichend hält, Feststellung durch einen Schiedsspruch verlangen. Die Festsetzung durch Schiedsrichter (Arbitrators) an Stelle der Jury können die Entschädigungsberechtigten bei allen 50 ₤ übersteigenden Ansprüchen verlangen; das Verlangen muß jedoch gestellt werden, bevor der Unternehmer beim Sheriff die Einberufung der Jury beantragt. Auch tritt die Festsetzung durch die Jury ein, wenn der Schiedsspruch nicht binnen dreier Monate gefällt ist (§§ 22 ff. der Land clauses act von 1845 und § 6 der Railway clauses act von 1845; Arbitration act von 1889). Bei E. für Eisenbahnen kann der Enteigner beantragen, daß an Stelle der angeführten Abschätzungsbehörden der High Court of Justice (durch einen Richter der High Court mit oder ohne Jury) die Abschätzung vornehme. Sobald die Zahlung der festgesetzten Entschädigung, oder in den in § 76 der Land clauses act bezeichneten Fällen ihre Hinterlegung bei der Bank von England oder zu Gerichtshänden erfolgt ist, darf der Unternehmer das Grundstück in Besitz nehmen (§ 77); nötigenfalls wird er durch den Sheriff in den Besitz eingewiesen (§ 91). In dringenden Fällen ist die Besitznahme vor der Feststellung der Entschädigung statthaft, nachdem der Unternehmer die vom Eigentümer verlangte oder die durch einen vom Handelsamt bestellten Surveyor bestimmte Kaution bestellt und die demnächstige Zahlung der Entschädigung in einer Schuldverschreibung, die mit seinem Siegel versehen und von zwei Bürgen unterschrieben ist, versprochen hat.
Schweiz. Der Unternehmer hat dem Gemeinderat einen Plan einzureichen, der 30 Tage lang ausgelegt wird. Während dieser Zeit ist die Einsicht des Plans gestattet und können Einwendungen gegen die E., Forderungen wegen Herstellung von Anlagen nach Art. 6 und 7 und Ansprüche an das Enteignungsobjekt geltend gemacht werden (Art. 10 bis 16 des G. vom 1. Mai 1850). Über die Abtretungspflicht entscheidet der Bundesrat (Art. 25). Im übrigen hat eine Schätzungskommission über die erhobenen Ansprüche und Forderungen zu entscheiden, auch die Entschädigungen auf Grund eingeholter Schätzungen festzusetzen. Diese Festsetzung erfolgt auch in Ansehung der Grundstücke, über deren Abtretungspflicht noch nicht entschieden ist. Gegen die Entscheidung der Schätzungskommission ist binnen 30 Tagen Beschwerde beim Bundesgericht statthaft (Art. 2641). Sobald die Entscheidung Rechtskraft erlangt hat, kann Erfüllung der Verpflichtungen beider Teile verlangt werden (Art. 42). Die Zahlung der Entschädigung ist zu Händen der Regierung des Kantons zu leisten, die daraus den Eigentümer und die Nebenberechtigten befriedigt (Art. 43). Mit der Entschädigungsleistung geht das Eigentum an dem Grundstück lastenfrei auf den Unternehmer über (Art. 44 und 45). In dringlichen Fällen kann der Unternehmer gleich nach der Schätzung die Abtretung verlangen, vorausgesetzt,[354] daß dadurch die definitive Festsetzung der Entschädigung nicht beeinträchtigt wird. Er ist jedoch verpflichtet, eine von der Schätzungskommission zu bestimmende Kaution zu leisten und die Entschädigungssumme vom Tag der Abtretung an zu verzinsen (Art. 46).
In Italien kann von Feststellung des Plans durch die Genehmigung des Unternehmens abgesehen werden, wenn vorher Einzelpläne vorgelegt, veröffentlicht und Einwendungen dagegen vorgebracht sind, über die in der Genehmigungserklärung entschieden ist (Art. 17 bis 21 des G. vom 25. Juni 1865). Ist dies nicht geschehen, so sind nunmehr Einzelpläne anzufertigen, die auf Anordnung des Präfekten 14 Tage in der Gemeinde offengelegt werden. Während dieser Zeit sind Einwendungen der Interessenten zulässig, über die der Präfekt, wenn aber die Genehmigung von einem höheren Organ ausgegangen ist, dieses Organ zu entscheiden hat. Hiermit sind die Enteignungsobjekte bestimmt und wird nun von dem Präfekten die Ausführung des Unternehmens angeordnet. Das Entschädigungsverfahren wird mangels einer gütlichen Einigung des Unternehmers mit dem Eigentümer von Amts wegen eingeleitet und ist vom Präfekten bei dem Gericht der belegenen Sache zu veranlassen. Letzteres ernennt Schätzer und teilt deren Befund dem Präfekten mit, worauf dieser dem Unternehmer die Zahlung oder Hinterlegung der Entschädigung aufgibt und die wirkliche E. ausspricht mit gleichzeitiger Ermächtigung des Unternehmers zur Besitznahme. Der Enteignungsausspruch wird in der amtlichen Zeitung veröffentlicht und im Hypothekenbuch eingetragen. Jeder an dem Enteignungsobjekt Berechtigte kann binnen 30 Tagen die Entschädigung mit Beschwerde als ungenügend anfechten (Art. 16 bis 56).
Ungarn. Für jede berührte Gemeinde ist eine Skizze des geplanten Unternehmens und eine Expropriationskonskription, die zusammen den Enteignungsplan bilden, anzufertigen (§§ 3132 des G. vom 29. Mai 1881) und dem Minister einzureichen, der die Erörterung und Feststellung des Entwurfs durch eine Kommission veranlaßt. Zu diesem Zweck wird nach Mitteilung des Expropriationsentwurfs an die Gemeinde und Auslegung in einem Termin über die Einwendungen der Interessenten verhandelt und alsdann Beschluß gefaßt, der binnen dreier Tage mit Berufung an den Handelsminister angefochten werden kann. Über den Rekurs entscheidet der Minister endgültig. Die Entscheidung der Kommission kann durch einen Vergleich der Beteiligten ersetzt werden (§§ 33 bis 39). Nachdem der Plan durch rechtskräftige Entscheidung oder Vergleich festgestellt ist, kann der Handelsminister, wenn er die Bauarbeiten im allgemeinen Interesse für dringlich hält, dem Unternehmer den Beginn unter gewissen Bedingungen gestatten (§ 45). Der festgestellte Enteignungsplan wird dem Gericht der belegenen Sache zugestellt, das von Amts wegen das Entschädigungsverfahren einleitet und die Entschädigung auf Grund eines etwaigen friedlichen Ausgleiches, sonst auf Grund einer Schätzung Sachverständiger festsetzt. Hiergegen ist nur die Berufung zulässig, über die in zweiter Instanz die königliche Tafel und in dritter Instanz die königliche Kurie entscheidet. Nachdem der Entschädigungsbeschluß in Rechtskraft erwachsen ist, kann sich der Unternehmer in den Besitz des Enteignungsobjekts setzen (§§ 4659).
Das preußische und das österreichische Enteignungsgesetz stimmen darin überein, daß das Enteignungsverfahren in drei selbständige Abschnitte, die Planfeststellung, die Entschädigungsfeststellung und die eigentliche E. (Vollzug der E.) zerfällt.
In Preußen ist für jeden Gemeinde- oder Gutsbezirk ein Auszug aus dem (für Eisenbahnen vom Minister der öffentlichen Arbeiten) vorläufig festgestellten Plan nebst Verzeichnissen der zu enteignenden Grundstücke und der im öffentlichen oder Privatinteresse herzustellenden Anlagen 14 Tage im Gemeinde- oder Gutsbezirk offenzulegen und dies bekanntzumachen. Die während dieser Zeit eingegangenen Einwendungen werden in einem Lokaltermin von einem Kommissar der Bezirksregierung, im Geltungsgebiet der Kreisordnung vom 13. Dezember 1872 von einem Kommissar des Bezirksausschusses erörtert und es wird dann von der Behörde über den Gegenstand der E., gegebenenfalls auch über die Frist für die Ausübung des Rechts, sowie über die herzustellenden Anlagen Entscheidung getroffen. Hiergegen ist Rekurs an den Minister der öffentlichen Arbeiten statthaft in 14 Tagen (§§ 1522 des Enteignungsgesetzes vom 11. Juni 1874 und § 150 des Zuständigkeitsgesetzes vom 1. August 1883). Das Entschädigungsverfahren wird nach rechtskräftiger Feststellung des Plans auf Antrag des Unternehmers, dem ein über die dingliche Belastung des Grundstücks Auskunft gebender Auszug aus dem Grund- oder Hypothekenbuch beizulegen ist, eingeleitet. Über die Entschädigungsfrage wird ebenfalls vor einem Kommissar der Bezirksregierung (des Bezirksausschusses)[355] in einem Termin, zu dem der Unternehmer, der Eigentümer und die Nebenberechtigten, die sich zur Teilnahme an dem Verfahren gemeldet haben, persönlich, die übrigen Beteiligten durch Bekanntmachung in öffentlichen Blättern zu laden und Schätzer hinzuzuziehen sind, verhandelt, und alsdann von der Behörde Entscheidung getroffen. Für die Nebenberechtigten muß die Entschädigung besonders festgestellt werden, wenn sie nicht in der dem Eigentümer zu zahlenden Entschädigung enthalten ist, außerdem aber auch dann, wenn der Eigentümer oder der Nebenberechtigte auf Feststellung seines Anteils anträgt. Gegen diese Entscheidung steht nur binnen sechs Monaten der Rechtsweg offen. Wegen solcher nachteiliger Folgen der E., die erst nach der Schätzung erkennbar werden, bleibt jedoch dem Entschädigungsberechtigten ein persönlicher Anspruch gegen den Unternehmer bis zum Ablauf von drei Jahren nach Ausführung des ihn benachteiligenden Teils der Anlage (§§ 2431 des Enteignungsgesetzes). Die Vollziehung der E. setzt die Leistung der Entschädigung voraus, kann also regelmäßig erst nach definitiver Feststellung der Entschädigung, wenn die Frist für die Beschreitung des Rechtswegs abgelaufen oder der Rechtsweg erledigt ist, erfolgen. In Fällen der Dringlichkeit, die bei E. für Eisenbahnen die Regel bilden, kann die Vollziehungsbehörde durch einen binnen dreier Tage beim Minister der öffentlichen Arbeiten anfechtbaren Beschluß aussprechen, daß die E. noch vor Erledigung des Rechtswegs nach Leistung der Entschädigung erfolge. Ist dies geschehen, so kann jeder Beteiligte binnen sieben Tagen bei dem Gericht der belegenen Sache die Feststellung des Zustands von Gebäuden oder künstlichen Anlagen beantragen. Die Entschädigung ist zu hinterlegen, wenn außer dem Eigentümer Berechtigte vorhanden sind, deren Ansprüche an die Entschädigungssumme noch nicht feststehen; ferner, wenn das Grundstück mit Grundschulden oder Hypotheken belastet ist, und wenn es Stammgut-, Fideikommiß- oder Lehenseigenschaft hat; andernfalls ist sie zu zahlen (§§ 3238). Mit der Zustellung des Enteignungsbeschlusses (Vollziehung der E.) geht das Grundstück frei von allen, vom Unternehmer nicht übernommenen privatrechtlichen Lasten auf diesen über. Die gleiche Wirkung in Ansehung der Befreiung von Lasten hat auch die Abtretung infolge einer Vereinbarung zwischen Unternehmer und Eigentümer dann, wenn die Vereinbarung bei der Verhandlung über die Entschädigungsfrage erfolgt und von dem Kommissar zu Protokoll genommen ist, oder wenn im Fall einer vor der definitiven Planfeststellung erfolgten Vereinbarung das Enteignungsverfahren gegen die Nebenberechtigten durchgeführt worden ist (§§ 45 und 46).
Das Enteignungsverfahren in Württemberg stimmt mit dem preußischen zum größten Teil überein. Dies gilt insbesondere von dem Planfeststellungsverfahren, das von dem preußischen hauptsächlich nur darin abweicht, daß der Planfeststellungsbeschluß nach beglaubigter Abschrift des festgestellten Plans nochmals in der Gemeinde nach vorgängiger Ankündigung acht Tage offengelegt wird, daß auf die innerhalb der dafür bestimmten vierzehntägigen Frist hiergegen erhobene Beschwerde eines Beteiligten von dem Verwaltungsgerichtshof Entscheidung getroffen, durch die Beschwerdeerhebung aber das weitere Verfahren bis zur Feststellung der Entschädigung durch die Enteignungsbehörde nicht aufgehalten wird (Art. 24 und 25 des Enteignungsgesetzes vom 20. Dezember 1888). Sollten später an dem festgestellten Plan erhebliche Änderungen in dem Umfang der E. oder den Verhältnissen des Unternehmens zu dem benachbarten Grundeigentum vorgenommen werden, so ist das Planfeststellungsverfahren, jedoch mit Beschränkung auf die veränderten Teile des Plans, zu wiederholen (Art. 26).
Gegen die Feststellung der Entschädigungssumme kann innerhalb sechs Monaten vom Enteigneten und den Nebenberechtigten gerichtliche Klage erhoben werden, von dem Unternehmer nur dann, wenn infolge einer Klage die Sache bereits rechtshängig ist (Art. 41). Die Vollziehung der E. ist ohne Rücksicht auf das Recht der Klageerhebung gegen die Feststellung der Entschädigung statthaft. Sie erfolgt auf Grund einer Beurkundung der Unterpfandsbehörde, daß ihrer Verfügung entsprechend die Entschädigung gezahlt oder hinterlegt sei, durch die Enteignungsverfügung (Art. 37). In einfachen Enteignungsfällen und wegen Dringlichkeit der Ausführung des Unternehmens kann nach Befinden des Staatsministeriums das Planfeststellungsverfahren mit dem weiteren Verfahren verbunden werden. Der Enteignungsverfügung muß aber auch in diesem Fall die endgültige Feststellung des Plans vorausgehen (Art. 38). Ein Antrag auf Einstellung der Vornahme von Änderungen an dem enteigneten Grundstück kann nur binnen dreier Tage von der Zustellung der Enteignungsverfügung ab und nur in Verbindung mit dem Antrag auf Vornahme eines Augenscheins[356] zur Sicherung des Beweises gestellt werden (Art. 42). Wird die Einleitung des Entschädigungsfeststellungsverfahrens nicht innerhalb der dafür bestimmten Frist beantragt, oder nicht innerhalb drei Monaten nach Zustellung des Entschädigungsfeststellungsbeschlusses die Entschädigung gezahlt oder hinterlegt, so tritt das Enteignungsverfahren außer Wirkung und der Eintrag über dessen Einleitung ist in den öffentlichen Büchern zu löschen. Wegen der durch das Enteignungsverfahren den Beteiligten erwachsenen Nachteile steht ihnen ein Entschädigungsanspruch gegen den Unternehmer zu (Art. 40).
In Österreich hat der Eisenbahnunternehmer dem Eisenbahnministerium das Detailprojekt und, für jede Katastralgemeinde getrennt, Grundeinlösungspläne und Verzeichnisse der zu enteignenden Grundstücke und Rechte vorzulegen. Wenn eine vorläufige Prüfung keine Bedenken ergibt, ordnet das Eisenbahnministerium die politische Begehung der Bahn durch eine Kommission an. Vorher werden Grundeinlösungspläne, Verzeichnisse der Enteignungsobjekte und Verzeichnisse der Enteigneten in jeder Gemeinde ausgelegt mit der Bestimmung einer Frist zur Erhebung von Einwendungen gegen die E. Die Verhandlung über die Einwendungen erfolgt in einem Termin, in dem zunächst auf eine gütliche Einigung hinzuwirken ist. Kommt solche nicht zu stande, so hat die politische Landesbehörde den Gegenstand und Umfang der E. durch ein oder mehrere Enteignungserkenntnisse festzustellen. Die Erkenntnisse können nur von dem Unternehmer und von den Enteigneten, die Einwendungen erhoben haben, mit Rekursbeschwerde, die bei der politischen Landesbehörde einzureichen ist, binnen acht Tagen angefochten werden. Über die Beschwerde entscheidet das Ministerium des Innern unter Mitwirkung des Eisenbahnministeriums und der andern etwa beteiligten Ministerien (§§ 1118 des Enteignungsgesetzes vom 18. Februar 1878). Die Feststellung der Entschädigung erfolgt auf Antrag des Unternehmers, wenn dieser aber innerhalb eines Jahres nach Rechtskraft des Enteignungserkenntnisses sie nicht beantragt hat, auch auf Antrag des Enteigneten. Eine gütliche Vereinbarung über die Entschädigung ist nur zulässig, wenn keine dinglich Berechtigten, die aus der Entschädigung zu befriedigen sind, vorhanden sind, oder wenn diese in einer öffentlichen oder legalisierten Urkunde zugestimmt haben. Die Feststellung der Entschädigung erfolgt durch das Gericht der belegenen Sache, die Schätzung durch Sachverständige. Glaubt der Unternehmer, daß die Entschädigung durch Ausführung einer Anlage, zu der er nicht verpflichtet ist, herabgemindert werden würde, so kann er verlangen, daß die Entschädigung für beide Fälle festgestellt werde. Eine im Termin getroffene Vereinbarung ist, wenn dinglich Berechtigte vorhanden sind, nur dann zu Protokoll zu nehmen, und hat nur dann die Wirkung eines gerichtlichen Vergleichs, wenn die vereinbarte Entschädigung nicht hinter der von den Schätzern angegebenen zurückbleibt. Mangels gütlicher Vereinbarung entscheidet das Gericht; die nicht aus der Entschädigung zu zahlenden Beträge für Nebenberechtigte sind besonders festzusetzen. Gegen diese Entscheidung steht binnen 14 Tagen der Rekurs an das Oberlandesgericht offen; der ordentliche Rechtsweg ist ausgeschlossen. Innerhalb der Rekursfrist kann jede Partei bei dem Gericht, das die Erhebungen für die Ermittlung veranlaßt hat, auf Beweis zu ewigem Gedächtnis antragen. Wenn die Entschädigung festgestellt ist für den Fall der Ausführung weiterer Anlagen und ohne solche, so steht dem Unternehmer binnen dreier Monate das Recht zu, zu entscheiden, welche Entschädigungsart maßgebend sein soll (§§ 2232). Die Entschädigung ist binnen 14 Tagen nach Abschluß eines Vergleichs oder Zustellung dieser Entscheidung, die die Entschädigung feststellt, zu leisten, andernfalls von diesem Zeitpunkt ab zu verzinsen. Auch kann nach 14 Tagen der Enteignete die Leistung der Entschädigung gerichtlich erwirken. Die Leistung erfolgt in den Fällen, in denen nach allgemeinen Rechtsvorschriften Hinterlegung an Stelle der Zahlung tritt, und wenn die Entschädigung auch zur Befriedigung dritter Personen zu dienen hat, durch Hinterlegung bei Gericht, sonst durch Zahlung (§§ 33, 34, 36). Der zwangsweise Vollzug der E. durch die politische Landesbehörde setzt die Zahlung oder die Hinterlegung der festgestellten oder vereinbarten Entschädigung voraus. Er wird dadurch nicht aufgehalten, daß die Entscheidung, die die Entschädigung festgestellt hat, durch Rekurs angefochten worden ist (§ 35).
In Hessen muß dem Enteignungsverfahren ein Versuch des Unternehmers vorausgehen, die Abtretung durch gütliche Einigung mit dem Eigentümer oder sonstigen Berechtigten herbeizuführen. Mißlingt dieser Versuch, so ist der Antrag auf Einleitung des Enteignungsverfahrens an den Kreisrat zu richten. Der Antrag muß, da Planfeststellung und Entschädigungsfeststellung verbunden werden, außer der genauen[357] Bezeichnung des Enteignungsobjekts und des Eigentümers auch über die Belastung des Grundstücks, über die dinglich Berechtigten, die Pächter und Mieter Auskunft geben, ebenso über die dem Eigentümer und sonstigen Berechtigten angebotenen Entschädigungen und die Anlagen, die der Unternehmer im Interesse der benachbarten Grundstücke oder im öffentlichen Interesse herzustellen beabsichtigt. Beizufügen ist ein Lageplan mit Längen- und Querprofilen und ein Grundbuchs- oder Flurbuchsauszug. Der Plan nebst Eingabe wird in jeder Gemeinde 14 Tage zu jedermanns Einsicht ausgelegt und zur Verhandlung über den Plan und die Entschädigung wird ein Termin vor einer Lokalkommission anberaumt und öffentlich bekanntgemacht mit der Aufforderung an die Beteiligten, ihre Rechte und Interessen geltend zu machen. Auch werden Unternehmer, Eigentümer und die aus den öffentlichen Büchern ersichtlichen sowie die vom Unternehmer zu bezeichnenden übrigen Nebenberechtigten von dem Termin durch besondere Zustellung der Bekanntmachung in Kenntnis gesetzt. Im Termin wird über alle den Plan und die Entschädigung betreffenden Punkte verhandelt, eine Vereinbarung über die Abtretung oder die Entschädigung zu Protokoll genommen und gegebenenfalls die Schätzung durch Sachverständige vorgenommen. Die Entscheidung, die dem Provinzialausschuß zusteht, erstreckt sich auf 1. die Abtretung, 2. die vom Unternehmer herzustellenden Anlagen und 3. die Entschädigung. In dringenden Fällen kann die Entscheidung zunächst auf 1 und 2 beschränkt und die Zulässigkeit der Einweisung des Unternehmers in den Besitz gegen Hinterlegung der von den Schätzern angenommenen Entschädigung ausgesprochen werden. Gegen die Entscheidung zu 1 und 2 steht der Rekurs an das Ministerium des Innern und der Justiz binnen 14tägiger Frist, gegen die Entscheidung zu 3 binnen sechsmonatiger Frist der Rechtsweg zu (Art. 2146 des Gesetzes vom 26. Juli 1884). Wegen nachteiliger Folgen der E., die erst nach der Terminsverhandlung hervortreten, steht dem Unternehmer bis zum Ablauf von drei Jahren ein persönlicher Anspruch gegen den Eigentümer der Anlage zu (Art. 45). In dringenden Fällen wird nach Rechtskraft des Dringlichkeitsbeschlusses und Hinterlegung der Entschädigung die Besitzeinweisung des Unternehmers ausgesprochen. Die E. erfolgt nach rechtskräftiger Feststellung des Plans und der Zahlung oder Hinterlegung der Entschädigung, auch wenn diese erst vorläufig festgestellt ist. In diesem letzteren Fall und wenn wegen Dringlichkeit die Besitzeinweisung stattgefunden hat, kann beim Gericht der belegenen Sache binnen 7 Tagen nach Zustellung des Beschlusses die Feststellung des Zustandes des Enteignungsobjekts zum ewigen Gedächtnis beantragt werden. Für die Hinterlegung der Entschädigung gelten im wesentlichen die Vorschriften des preußischen Enteignungsgesetzes (Art. 47 bis 58).
Rußland. Nach Veröffentlichung des kaiserlichen Erlasses, mit dem die E. bestimmt wird, hat die zuständige Behörde zunächst mit dem Besitzer der zu enteignenden Liegenschaft wegen des äußersten Preises zu verhandeln. Die Behörde prüft diesen Preis nach dem Wert der Liegenschaft und nach den Vorschriften über das Abschätzungsverfahren und berichtet hierüber an den Reichsrat, der die Angelegenheit sodann dem Kaiser zur endgültigen Entscheidung unterbreitet. Wenn der Betrag der einem Besitzer zuerkannten Entschädigung nicht 3000 Rubel übersteigt und zu seiner Zahlung nicht die Erwirkung eines besonderen Kredits erforderlich ist, auch weder der Besitzer noch der Unternehmer Einwendungen gegen die Abschätzung erhoben haben, so wird die Sache durch den zuständigen Minister erledigt. Wenn die Entschädigung durch Einigung festgestellt wird, so ist für das enteignete Grundstück ein Kaufbrief in vorgeschriebener Form auszufertigen. Wenn der geforderte Preis dem wahren Wert der zu enteignenden Liegenschaft nicht entsprechend befunden wurde, so erfolgt die Feststellung und Abschätzung des Bestands. Die Feststellung des Bestands erfolgt nach den Bestimmungen der Zivilprozeßordnung durch einen Beamten der Ortspolizei unter Zuziehung von zwei oder drei in der Nähe der Liegenschaft wohnenden Zeugen. Zu der Feststellung wird der Besitzer der Liegenschaft oder dessen Bevollmächtigter innerhalb einer Frist von 6 Monaten geladen. Erscheint er innerhalb dieser Frist nicht, so erfolgt die Feststellung ohne ihn. Die Abschätzung erfolgt unter Beobachtung gewisser Förmlichkeiten durch einen Ausschuß, der unter dem Vorsitz des Adelsmarschalls des Bezirks, aus dem Friedensrichter des Orts, dem Souschef, dem Vorsitzenden oder einem Mitglied des Landschaftsamts, oder einem Mitglied der Stadtverwaltung und dem Steuerinspektor besteht Gegen den Beschluß des Ausschusses können die Parteien innerhalb 14 Tagen Einwendung erheben.
Für E. zu Eisenbahnzwecken gelten in Rußland außerdem die nachstehenden Vorschriften:[358]
1. Wenn für eine abgesteckte und von der Regierungsinspektion genehmigte Eisenbahnlinie ein Grundstück unverzüglich erforderlich ist, so findet die Feststellung des Bestands auf Grund einer Bescheinigung der Inspektion und mit Genehmigung des Gouverneurs binnen 14 Tagen statt.
2. Wenn die für die Bestandsbeschreibung vom Gesetz geforderten Nachweisungen zur Zeit der Feststellung nicht vorgelegt werden können, so wird diese dennoch bewirkt, und die Nachweisungen können der Abschätzungskommission nachträglich vorgelegt werden.
3. Der Plan der enteigneten Grundstücke wird von allen bei der Abschätzung beteiligten Personen durch Unterschrift bestätigt.
4. Die Bestandsbeschreibung wird zusammen mit dem Plan dem Gouverneur behufs Verfügung über die Abschätzung des enteigneten Grundstücks vorgelegt. Hiernach sind alle die E. solcher Grundstücke betreffenden Ansprüche der Besitzer an die Abschätzungskommission zu richten.
5. Wenn außer dem nach der Bestandsbeschreibung in Anspruch genommenen Grundstückteil in der Folge noch ein weiterer Teil desselben Grundstücks in Anspruch genommen werden soll, so erfolgt dies auf dem durch diese Vorschriften angegebenen Weg durch Aufstellung einer Ergänzungsbestandsbeschreibung und eines Ergänzungsplans.
Alle durch die Aufstellung der Bestandsbeschreibung und der Pläne entstehenden Kosten hat die Eisenbahn zu tragen.
Wenn die Abtretung der für den Bau von Privateisenbahnen erforderlichen Grundstücke nicht durch gütliche Übereinkunft erreicht werden kann, so werden diese Grundstücke unverzüglich der gesetzlichen Abschätzung unterworfen und nach Feststellung und Sicherstellung der Entschädigungssummen der Eisenbahngesellschaft übergeben. Wird die Eisenbahn vom Staat gebaut, so bedarf es keiner Sicherstellung.
Die Übergabe von Grundstücken für Eisenbahnzwecke nach Aufstellung der Bestandsbeschreibung darf nur erfolgen, wenn dies durch kaiserl. Erlaß genehmigt ist.
VII. Das geschilderte Verfahren kann als das ordentliche Enteignungsverfahren bezeichnet werden, obwohl es auch die Fälle von dringlicher E. umfaßt, in denen von der Regel abgewichen wird. Daneben ist aber in verschiedenen Enteignungsgesetzen ein außerordentliches Verfahren vorgesehen, entweder für Notfälle oder für Inanspruchnahme einer nur vorübergehenden Benutzung oder für beides. Notfälle in diesem Sinn sind nicht identisch mit den Fällen der Dringlichkeit der E., von denen oben die Rede war. Hier handelt es sich um Bedürfnisse, die so dringender Natur sind, daß nicht einmal die Erledigung der Planfeststellung abgewartet werden kann, für die daher die Anwendung des Staatsnotrechts gerechtfertigt erscheint. Das außerordentliche Verfahren ist überall ein abgekürztes; die Entschädigung wird entweder vorläufig oder definitiv in summarischer und mehr formloser Weise ermittelt. Derartige Bestimmungen finden sich im bayerischen G. vom 17. November 1837, Art. I, 73, und Art. VII, für Fälle öffentlichen Notstands; im schweizerischen G. vom 1. Mai 1850, Art. 1721, für nur zeitweise Abtretungen und für E., die nur zum Zweck unwesentlicher Änderungen oder Erweiterungen öffentlicher Werke oder zu deren Unterhaltung oder zur Herstellung von Anlagen im Interesse der öffentlichen oder der Sicherheit des einzelnen erforderlich sind; im italienischen G. vom 25. Juni 1865, Art. 71, für vorübergehende Besitznahme in Fällen höherer Gewalt oder unaufschieblichen Bedürfnisses; im ungarischen G. vom 29. Mai 1881, §§ 66 bis 84, für Fälle zeitweiligen Bedürfnisses; im preußischen G., § 4, für Fälle vorübergehender Beschränkung; im österreichischen G. vom 18. Februar 1878 für Fälle von Betriebsstörungen; im hessischen G. vom 20. August 1884 für Notfälle, wie Überschwemmungen, Kriegsereignisse und ansteckende Krankheiten; im württembergischen G. (Art. 38, Abs. 4), wenn durch unvorhergesehene Ereignisse die begonnene Ausführung oder der Betrieb eines Unternehmens unterbrochen worden ist, und jene Maßregel im öffentlichen Interesse als unumgänglich notwendig erscheint. In diesen Fällen kann das Staatsministerium die sofortige gänzliche oder teilweise Abtretung eines Grundstücks vorbehaltlich der Nachholung des Verfahrens zur Feststellung des Plans und der Entschädigung unter Anordnung von Sicherheitsleistung gestatten.
VIII. Kosten des Enteignungsverfahrens. Die durch die Planfeststellung erwachsenden Kosten fallen dem Unternehmer zu. Ebenso hat dieser in der Regel die Kosten der Entschädigungsfeststellung insoweit zu tragen, als sie nicht in unberechtigten Forderungen der Enteigneten ihren Grund haben. Im einzelnen ist die Kostenfrage in den Enteignungsgesetzen verschieden geordnet. Dasselbe gilt für die Frage, inwieweit überhaupt Kosten zu zahlen sind, da nach vielen G. die Verhandlungen[359] im Enteignungsverfahren von Stempeln und Gebühren befreit sind.
Im Königreich Sachsen trägt der Unternehmer sämtliche gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten. Die durch erfolglose Anträge, Einwendungen oder Rechtsmittel eines Beteiligten bei den Verwaltungsbehörden erwachsenen Kosten sind in der Regel dem unterliegenden Teile aufzulegen (Gesetz von 1902, § 90).
In Baden hat der Unternehmer unter allen Umständen die durch das Enteignungsverfahren entstehenden Kosten zu tragen.
In Bayern fallen die Kosten des Administrativverfahrens, das übrigens gebührenfrei ist, und die Vergütung der den Beteiligten dadurch verursachten notwendigen Auslagen dem Unternehmer zur Last. Über die in den anhängig gemachten Prozessen erwachsenden Kosten ist nach den Bestimmungen der Prozeßgesetze zu entscheiden (Art. 52 des Einführungsgesetzes vom 29. April 1869).
In Frankreich fallen die vor dem Entschädigungsverfahren (dem Entschädigungsangebot des Unternehmers) entstandenen Kosten dem Unternehmer zu. Die Kosten des Entschädigungsverfahrens hat der Unternehmer zu tragen, wenn die zuerkannte Entschädigung der Forderung des Eigentümers gleichkommt, dagegen der Eigentümer, wenn er das Angebot des Unternehmers zurückgewiesen hat und die zuerkannte Entschädigung dieses nicht erreicht, sowie auch dann, wenn der Eigentümer das Angebot des Unternehmers weder zurückgewiesen, noch auch eine Forderung gestellt hat. Übersteigt die zuerkannte Entschädigung das Angebot, erreicht sie aber die Forderung des Eigentümers nicht, so fallen die Kosten dem Unternehmer und Eigentümer im Verhältnis des Unterschiedes der beiden Beträge gemeinschaftlich zu (Art. 40 des G. vom 3. Mai 1841).
In den Niederlanden fallen die außergerichtlichen Kosten dem Unternehmer zur Last. Die gerichtlichen Kosten trägt der Unternehmer nur dann, wenn die durch das Gerichtserkenntnis festgestellte Entschädigung höher ist als das Angebot des Unternehmers. In allen anderen Fällen sind diese Kosten für Rechnung des Eigentümers (Art. 50).
In England hat der Unternehmer die Kosten des Entschädigungsverfahrens zu zahlen, wenn die Entschädigung die vom Unternehmer angebotene übersteigt. In allen anderen Fällen erfolgt die Verurteilung eines jeden Teils zur Hälfte der Kosten (§§ 51 bis 53 der Land clauses act von 1845).
Das Werrabahngesetz (Art. 46) befreit den Unternehmer von den Sporteln für behördliche Arbeiten an den zum Beheben zu erwerbenden Grundstücken, verpflichtet ihn aber zur Zahlung sämtlicher Kosten, soweit sie nicht durch Ungehorsam, Säumnis und unbegründete Beschwerden und Berufungen erwachsen sind.
Nach dem schweizerischen G. vom 1. Mai 1850 (Art. 48 und 49) fallen die Kosten der öffentlichen Bekanntmachung, der Planauslegung, der vom Unternehmer den Berechtigten zu erstattenden Anzeigen, des gesamten Schätzungsverfahrens, der Zahlung der Entschädigungssummen und der Hinterlegung von Kautionen dem Unternehmer zu. Über die durch landesgerichtliches Verfahren entstandenen Kosten ist nach den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen zu entscheiden.
In Italien hat der Unternehmer die Kosten des Schätzungsverfahrens zu tragen, wenn die Schätzung nicht geringer ausfällt, als die von ihm angebotene Entschädigung. Beide Teile haben die Entschädigung gemeinschaftlich zu übernehmen, wenn der Unterschied zwischen dem durch die Schätzung ermittelten und dem angebotenen Preis nicht mehr als 1/10 beträgt (Art. 37 des G. vom 25. Juni 1865).
In Ungarn sind alle auf die E. bezüglichen Eingaben, Protokolle, Erklärungen, Beschlüsse und Rekurse tax-, stempel- und gebührenfrei. Auch kommen bei Hinterlegungen Depositengebühren nicht zur Hebung. Diese Befreiung erstreckt sich jedoch nicht auf Quittungen. Die im Enteignungsverfahren erwachsenden Kosten hat der Enteignende zu tragen (§§ 6365 des G. vom 29. Mai 1881).
Das preußische G. vom 11. Juni 1874 verpflichtet den Unternehmer zur Tragung der Kosten des administrativen Verfahrens, wobei jedoch nur Auslagen, nicht aber Stempel und Sporteln zur Erhebung kommen. Auch können die Entschädigungsberechtigten Ersatz für Wege und Versäumnisse nicht beanspruchen. Die Befreiung von Stempeln und Taxen erstreckt sich nicht auf das Prozeßverfahren. Alle übrigen Verhandlungen vor den Gerichten, Grundbuchs- und Auseinandersetzungsbehörden einschließlich der freiwilligen Veräußerungen innerhalb des vorgelegten Plans und der Quittungen und Zustimmungserklärungen der Hypothekengläubiger und sonstigen Beteiligten sind frei von Gebühren, Stempeln und Depositalgebühren. Verhandlungen vor den Notaren sind stempelfrei (§ 43 des G.). Über die in Prozessen erwachsenden Kosten entscheidet das Prozeßgericht.
In Österreich sind die Kosten des Enteignungsverfahrens und der gerichtlichen Feststellung der Entschädigung, soweit sie nicht[360] durch ein ungerechtfertigtes Einschreiten einer Partei hervorgerufen werden, von der Eisenbahnunternehmung zu tragen (§ 44 des Gesetzes vom 18. Februar 1878).
Nach dem hessischen Gesetz vom 26. Juli 1884 hat der Unternehmer die Kosten des Administrativverfahrens, das stempelfrei ist, für die erste Instanz, für die Beschwerdeinstanz hat sie der unterliegende Teil zu tragen (Art. 61). Die Kosten der Hinterlegung der Entschädigung fallen dem Unternehmer zur Last, sofern die Hinterlegung nicht durch verweigerte Zahlungsvornahme oder einen Streit der Beteiligten unter sich veranlaßt ist (Art. 62). Wird vom Unternehmer auf richterliche Entscheidung über die Entschädigung angetragen, so hat er jedenfalls die Kosten der ersten Instanz zu übernehmen (Art. 67).
Das württembergische G. (Art. 44) legt die Kosten des Verfahrens zur Feststellung des Plans sowie die des außergerichtlichen Verfahrens zur Feststellung der Entschädigung und des Vollzugs der Enteignungsverfügung einschließlich der Kosten der aus Anlaß der E. zu treffenden rechtspolizeilichen Verfügungen dem Unternehmer zur Last. Über die durch Erhebung von Beschwerden entstehenden Kosten ist in der Entscheidung Verfügung zu treffen.
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(Gleim) E. Rosenthal.
1 | S. Vigouroux, Législation et jurisprudence des chemins de fer et des tramways. Paris 1886, S. 120. |
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