[476] Kriegsleistungen (war services; services de guerre; servizi di guerra), Naturalleistungen, die für die mobile Truppenmacht eines Landes beansprucht werden. Die Eisenbahnen bilden das gewaltigste Hilfsmittel für den Aufmarsch der Heere und für ihre taktischen Unternehmungen (s. Kriegsbetrieb). Sie werden deshalb in bedeutendem Umfang zu K. herangezogen. Fast in allen Staaten ist ihnen die Verpflichtung auferlegt, die bewaffnete Macht und die Heeresbedürfnisse zu ermäßigten Sätzen und nötigenfalls unter Sperrung des sonstigen Verkehrs zu befördern (s. Militärbeförderung), die für die Beförderung von Truppen und Pferden, sowie für die Verpflegung der Truppen auf den Bahnhöfen erforderlichen Ausrüstungsgegenstände und gewisse Kriegsvorräte, insbesondere Kohlen, Schmiermittel und Wasser bereitzuhalten, ferner das Personal, die Betriebsmittel und die Bahnhöfe der Militärverwaltung zur Verfügung zu[476] stellen. Die K. werden den Eisenbahnen entweder gegen Vergütung, insbesondere für die Beförderungsleistungen, oder ohne solche auferlegt.
I. Innerstaatliche Gesetzgebung.
In Deutschland bildet die Grundlage für die K. der Eisenbahnen der Artikel 47 der Reichsverfassung, der auch für Bayern gilt. Danach haben die Eisenbahnen den Anforderungen der Bundesbehörden in betreff der Benutzung der Eisenbahnen zum Zweck der Verteidigung des Bundesgebietes unweigerlich Folge zu leisten und insbesondere das Militär und alle Kriegsbedürfnisse zu befördern. Die näheren Bestimmungen enthält das auch für Bayern gültige Reichsgesetz über die K. vom 13. Juni 1873 (§ 28 bis 31) und die Ausführungsverordnung vom 1. April 1876 (VI), sowie die Militäreisenbahnordnung, deren erster Teil, die Militärtransportordnung für Eisenbahnen mit Kaiserlicher Verordnung vom 18. Januar 1899 an Stelle der älteren Militärtransportordnung für den Krieg von 1887 und derjenigen für den Frieden von 1888 gesetzt worden ist. Sie enthält außer den Bestimmungen für den Krieg auch noch Vorschriften über die einschlägigen Verhältnisse für den Frieden. In letzterer Beziehung kommt auch noch das Gesetz über die Naturalleistungen für die bewaffnete Macht im Frieden vom 13. Februar 1875 (neue Fassung vom 24. Mai 1898 mit der zugehörigen Ausführungsverordnung vom 13. Juni 1898) in Frage. Die Militäreisenbahnordnung enthält in ihrem ersten Teil außer der Militärtransportordnung noch den Militärtarif (Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 18. Januar 1899); den zweiten Teil bilden die Bestimmungen, betreffend die Ausrüstung und Einrichtung von Eisenbahnwagen für Militärtransporte, die die vereinigten Ausschüsse des Bundesrates für das Landheer und die Festungen und für Eisenbahnen, Post und Telegraphen unter dem 18. März 1902 erlassen haben, die Vorschrift über die Hergabe von Personal und Material der Eisenbahnverwaltungen an die Militärbehörde und die Instruktion, betreffend Kriegsbetrieb und Militärbetrieb der Eisenbahnen, die durch Allerhöchste Verordnung vom 7. Juli 1902 genehmigt worden sind. Nach dem Gesetze über die K. sind die Eisenbahnverwaltungen verpflichtet, die für die Beförderung von Mannschaften und Pferden erforderlichen Ausrüstungsgegenstände ihrer Eisenbahnwagen vorrätig zu halten, die Beförderung der bewaffneten Macht und der Kriegsbedürfnisse zu bewirken, sowie ihr Personal und ihr zur Herstellung und zum Betrieb von Eisenbahnen dienliches Material herzugeben. Für die Bereithaltung wird eine Vergütung nicht gewährt, Militärtransporte und die Hergabe von Betriebsmaterial werden dagegen nach Maßgabe eines vom Bundesrat zu erlassenden und von Zeit zu Zeit durchzusehenden allgemeinen Tarifs vergütet. Für das übrige Material wird die Entschädigung auf Grund sachverständiger Schätzung durch vom Bundesrat zu bestimmende Behörden festgesetzt. Die Vergütungen werden bis zur Feststellung der Rechnungen gestundet und sind dann mit 4 v. H. zu verzinsen. Die Forderungen der Eisenbahnverwaltungen sind binnen Jahresfrist nach Eintritt des Friedenszustandes geltend zu machen, andernfalls erlöschen sie. Auf die gesetzlichen Vorschriften, die in den §§ 28 bis 31 des Gesetzes über die K. enthalten sind, stützen sich die eingehenderen Bestimmungen der Militäreisenbahnordnung. Nach der Ausführungsverordnung vom 1. April 1876 setzen die vereinigten Ausschüsse des Bundesrats für das Landheer und die Festungen und für Eisenbahnen, Post und Telegraphen den Bedarf an Gegenständen zur Ausrüstung der Eisenbahnwagen für die Beförderung von Mannschaften und Pferden fest. Das Reichseisenbahnamt teilt diese Festsetzungen den Eisenbahnverwaltungen mit und überwacht die Ausführung der Anordnungen. Das für militärische Zwecke nötige Personal und Material wird von den Militärbehörden auf Grund besonderer Ermächtigung durch den Kaiser angefordert. Die Militärbehörden benachrichtigen das Reichseisenbahnamt, dieses die Landesregierungen, welches Personal und Material gebraucht wird. Für das zur Verfügung gestellte Personal übernimmt die Militärverwaltung die Zahlung des zuständigen Friedenseinkommens, die Eisenbahnverwaltungen erhalten jedoch keine besondere Vergütung für die Hergabe des Personals. Das preußische Kleinbahngesetz vom 28. Juli 1892 enthält in § 9 die Vorschrift, daß in der Genehmigungsurkunde der Kleinbahnen die Verpflichtungen zu bestimmen sind, denen der Unternehmer im Interesse der Landesverteidigung zu genügen hat. Diese Verpflichtungen sind in der Ausführungsverordnung vom 13. August 1898 näher bezeichnet. Danach müssen die Kleinbahnen nach Maßgabe ihrer Leistungsfähigkeit im Krieg und im Frieden Militärtransporte aller Art befördern, im Mobilmachungsfalle, wenn nötig, mit Militär-, Bedarfs- und Sonderzügen; bei Bedarf kann auch ein Militärfahrplan unter Ausschluß oder Beschränkung des öffentlichen Verkehrs eingeführt werden. Im übrigen gelten die Bestimmungen[477] der Militäreisenbahnordnung auch für die Kleinbahnen.
Nach der österreichischen EBO. vom 16. November 1851 (§ 70), die in dieser Beziehung heute noch gilt, steht im Belagerungszustand, sowie in Kriegsfällen der berufenen Militärbehörde das Recht zu, soweit es militärische Rücksichten gebieten, gegen angemessene Entschädigung den Bahnbetrieb ausschließlich oder zum Teil zu militärischen Zwecken zu benutzen oder auch ganz einzustellen, ohne daß den Eisenbahnen hieraus ein Anspruch auf Ersatz des entstandenen Schadens ausdrücklich eingeräumt worden wäre. Die Vergütungssätze für Militärtransporte sind zwischen Eisenbahn- und Militärverwaltung zu vereinbaren, dürfen aber die regelmäßigen Tarife nicht überschreiten. Das Eisenbahnkonzessionsgesetz von 1854 bestimmte, daß Militärtransporte zu wesentlich ermäßigten Sätzen auszuführen sind. Werden mit einzelnen Verwaltungen niedrigere Tarife vereinbart, so sind die anderen Verwaltungen verpflichtet, diese Tarife ebenfalls anzunehmen. Die österreichisch-ungarischen Eisenbahnen haben sich in einem Übereinkommen mit dem gemeinsamen Kriegsministerium verpflichtet, die erforderlichen Mengen von Einrichtungsgegenständen für die Beförderung von Militärmannschaften und Pferden bereit zu halten, ferner die für die Durchführung von Militärzügen im Mobilmachungs- und Kriegsfall nötigen Betriebsmittel sowie das Personal der Kriegsverwaltung unter bestimmten Bedingungen zur Verfügung zu stellen. Das Eisenbahnkonzessionsgesetz legt den neu zu gründenden Eisenbahnunternehmungen die Verpflichtung auf, diesen Vereinbarungen beizutreten. Bahnbedienstete, die im Verbande des Heeres und der Landwehr stehen, können, soweit sie für die Aufrechterhaltung des Betriebes nötig sind, mit Bewilligung des Reichskriegsministeriums im Kriegsfalle in ihren Stellungen verbleiben. Sind sie im Dienst des Heeres unentbehrlich, so kann diese Bewilligung versagt werden.
Neuerdings (26. Dez. 1912) ist ein Kriegsleistungsgesetz erlassen worden, das für Österreich, Ungarn, Bosnien und die Herzegowina gilt. Es enthält u.a. Bestimmungen über die Heranziehung der Eisenbahnen und ihres Personals für Kriegszwecke und Bestimmungen über die Vergütungen, die für die auf Grund dieses Gesetzes verlangten Leistungen zu gewähren sind. Im Falle einer Mobilmachung oder einer Ergänzung auf den Kriegsstand können für die mobilen oder auf den Kriegsstand ergänzten Truppen die im Gesetz festgesetzten K. in Anspruch genommen werden, vorausgesetzt, daß den Anforderungen der bewaffneten Macht nach der im Frieden üblichen Weise nicht rechtzeitig oder nur mit verhältnismäßig höherem Kostenaufwand genügt werden kann. Das gleiche gilt für die zur Kriegführung erforderlichen Schutzmaßnahmen. Der Zeitpunkt des Beginns und Endes der Verpflichtung zu K. wird vom Minister für Landesverteidigung bekannt gemacht. Alle arbeitsfähigen Männer, die das 50. Lebensjahr nicht überschritten haben, also auch die Eisenbahnbediensteten können, wenn Wehrpflichtige oder freiwillige Arbeiter nicht ausreichen, zu persönlichen Dienstleistungen für Kriegszwecke herangezogen werden. Außer den Leistungen Einzelner, können auch ganze Betriebe, einschließlich der Transportanstalten für die Zwecke des Heeres in Anspruch genommen werden. Die Inhaber derartiger Betriebe sind nicht nur zu deren Fortführung oder Überlassung verpflichtet, sondern es muß auch dafür Gewähr geboten werden, daß die Betriebe aufrecht erhalten und sachgemäß geleitet werden. Zu diesem Zwecke ist die Bereithaltung der erforderlichen technischen und sonstigen Arbeitskräfte sicherzustellen. Nach der Begründung zum Gesetz soll es zwar möglich sein, die einzelnen, zu K. verpflichteten Personen als solche in Anspruch zu nehmen und sie dann als militärische Arbeitskräfte in dem betreffenden Betriebe zu beschäftigen. Es bedeutet für die betroffenen Betriebe aber eine Erleichterung, wenn, wie im Gesetz vorgesehen, das Personal in seinem bisherigen Dienst verbleibt, also in den Verhältnissen der Angestellten zu ihrem Arbeitgeber nichts geändert wird. Die Bediensteten der Verkehrsunternehmungen, die zu K. herangezogen werden und infolgedessen militärischer Leitung unterstehen, sind in bezug auf Verletzungen ihrer dienstlichen Pflichten während der Dauer der K. der militärischen Gerichtsbarkeit unterworfen. Außer auf Grund der aufgeführten allgemeinen Bestimmungen können die Fernsprech- und Telegraphenanlagen der Eisenbahnen mit ihrem Personal und ihrer Ausrüstung noch auf Grund weiterer, besonderer Gesetzesvorschriften in Anspruch genommen werden, die sich auf diese Anlagen im besonderen beziehen. Es kann danach auch die Einstellung des Fernsprech- oder Telegraphenbetriebes verlangt werden. Die Grundbesitzer sind verpflichtet, ihr Eigentum zu militärischen Bauten, insbesondere auch zum Bau von Straßen und Eisenbahnen zur Benutzung zu überlassen. Solches Eigentum kann enteignet werden, wobei die Bestimmungen des Enteignungsgesetzes zu beachten[478] sind. Der deutschen Militäreisenbahnordnung entspricht in Österreich-Ungarn die Vorschrift für den Militärtransport auf Eisenbahnen von 1892. Das Gesetz vom 8. August 1910 über die Bahnen niederer Ordnung (Lokalbahngesetz) setzt in Artikel XXVIII die Verpflichtung der Lokalbahnunternehmungen fest, im Mobilmachungs- und im Kriegsfall den Bahnbetrieb jederzeit gegen angemessene Entschädigung insoweit und für so lange für militärische Zwecke zur Verfügung zu stellen, als dies seitens der Militärbehörden für notwendig erachtet wird. Artikel XXX schränkt diese Verpflichtung soweit ein, als die Leistungen mit Rücksicht auf die Anlage und Betriebseinrichtungen der Bahn durchführbar sind.
Für Belgien bestimmt eine Königliche Verordnung vom 13. April 1887 betreffend die Regelung des Eisenbahndienstes für Kriegszwecke, daß die Privatbahnen des Landes im Kriege die Benutzung ihrer Strecken und Betriebsmittel gestatten müssen. Wenn nötig, übernimmt die Militärverwaltung den Betrieb; das Personal der Privatbahnen tritt dann unter den Befehl des Feldeisenbahndirektors.
In Frankreich sind die Eisenbahnen nach dem Gesetze vom 3. Juli 1877 verpflichtet, dem Kriegsminister alles Personal und Material zur Verfügung zu stellen, das er zur Sicherstellung der Transporte für erforderlich hält. Das zur Verfügung gestellte Personal und Material kann überall verwendet werden. Die Militärgewalt kann auch von den Gesellschaften die nötigen Brenn- und Schmiermittel sowie andere Gegenstände in Anspruch nehmen, die für den Feldeisenbahndienst notwendig sind. Das Zubehör der Bahnhöfe und des Bahnkörpers, einschließlich der Diensträume und der Telegraphenleitungen, ist ebenfalls auf Verlangen der Militärgewalt zur Verfügung zu stellen. Die Einstellung des Zivilverkehrs gibt den Bahnen keinen Anspruch auf Entschädigung. Nach den Bestimmungen des Réglement d'administration publique vom 2. August 1877 darf das Zubehör der Bahnhöfe und des Bahnkörpers nur vom Kriegsminister auf Grund des Gutachtens der Oberen Eisenbahnmilitärkommission und auf dem Kriegsschauplatze durch den Kommandierenden in Anspruch genommen werden; für die Überlassung von Lokomotiven und Wagen gebührt den Eisenbahnen eine Miete, die durch einen vom Staatsrat aufzustellenden Tarif geregelt wird. Die Betriebsmittel werden vor der Übernahme geschätzt, und danach wird die Entschädigung im Falle der Zerstörung oder Beschädigung berechnet. Bei Anforderung von Brenn- und Schmiermitteln oder anderen Gegenständen wird der Ankaufspreis nebst den Beförderungskosten vergütet. Nach dem Gesetz vom 22. Dezember 1888 untersteht in Kriegszeiten der gesamte Dienst der Eisenbahnen der militärischen Obrigkeit. Die Oberbefehlshaber der Heere verfügen über die Eisenbahnen, jeder in dem ihm zugewiesenen Gebiet, in dem er die militärischen Unternehmungen leitet; im Rücken des Heeres steht dieses Recht dem Kriegsminister zu. Die Bedingnishefte, die der Genehmigung zum Bau der Eisenbahnen zu grunde gelegt werden, enthalten in ihrem Artikel 54 die Verpflichtungen der Eisenbahnen gegenüber dem Heere. Danach müssen Soldaten, die einzeln oder in Verbänden, im Dienste, auf Urlaub oder nach der Entlassung in die Heimat reisen, mit ihren Pferden und ihrem Gepäck zu einem Viertel der tarifmäßigen Preise befördert werden. Bei der Zusammenziehung von Truppen, bei allgemeiner oder teilweiser Mobilmachung und im Kriegsfalle kann das Kriegsministerium verlangen, daß alle Betriebsmittel der Eisenbahnen dem Heere zur Verfügung gestellt werden; hiefür ist die Hälfte der tarifmäßigen Vergütung zu entrichten. Betreffs der Beförderung von Kriegsbedürfnissen mit der Eisenbahn bestehen seit dem Jahre 1891 eine Anzahl Verträge zwischen dem Kriegsminister und den Eisenbahnverwaltungen nebst einer Anzahl Nachträge. Auf Grund dieser haben die Eisenbahnverwaltungen die Verpflichtung, alles Heergerät, Waren und Verpflegungsbedarf zu befördern; die Heeresverwaltung ist andererseits verpflichtet, ihnen, diese Beförderung mit wenigen Ausnahmen zu überweisen.
Nach den italienischen Betriebsüberlassungsverträgen (1885) war im Falle großer Truppenbeförderungen zur Vorbereitung und während des Krieges die Regierung berechtigt, Dienstvorschriften für die militärischen und nichtmilitärischen Transporte zu erlassen. Sie konnte auch den Oberbau entfernen, den Lauf der Züge unterbrechen, die Leitung des Betriebs übernehmen oder diesen selbst führen, und zwar sowohl für die militärischen als auch für die nichtmilitärischen Transporte. Die durch die Entfernung der Gleise, Unterbrechung oder Beschädigung der Bahn, sowie durch deren Wiederherstellung entstehenden Kosten waren vom Staate zu tragen. Wenn die Regierung eine Unterbrechung oder Einstellung des Verkehrs anordnete, so war über diese Linien eine besondere Rechnung zu führen. Die Einnahmen wurden nach Abzug der Kosten in die Staatskassen eingezahlt. Die Eisenbahnverwaltung konnte sodann ihren Anspruch[479] auf Ersatz der tatsächlichen Kosten geltend machen. Diese Bestimmungen sind durch die Verstaatlichung der italienischen Eisenbahnen zum Teil hinfällig geworden. Das Gesetz, betreffend den Staatsbahnbetrieb vom Jahre 1905 und die sonstigen, seitdem zur Regelung des Eisenbahnwesens erlassenen gesetzlichen Bestimmungen enthalten jedoch keine Bestimmungen, die die einschlägigen Fragen neu regeln.
Nach Artikel 50 des niederländischen Eisenbahngesetzes vom 9. April 1875 sind die Eisenbahnen verpflichtet, im Kriegsfall ihre Betriebsmittel der Militärgewalt zur Verfugung zu stellen. Die Anforderung geschieht durch den Kriegsminister oder durch den Befehlshaber des Heeres. Die der Bahn hiefür zukommende Vergütung wird im gegenseitigen Einvernehmen festgesetzt. Kommt eine Einigung nicht zu stande, so entscheidet das Gericht. Eine Verpflichtung zur Bereitstellung der für Militärtransporte erforderlichen Ausrüstungsgegenstände ist den Eisenbahnen nicht auferlegt. Die Beförderung der Truppen, Pferde und Kriegsbedürfnisse erfolgt zur Hälfte des für andere Transporte festgesetzten Preises.
In der Schweiz sind die K. der Eisenbahnen durch das Bundesgesetz vom 12. April 1907 (Militärorganisation) der Schweizerischen Eidgenossenschaft geregelt. Danach kann der Bundesrat im Falle eines Aufgebotes zum aktiven Dienst die Beamten, Angestellten und Arbeiter der öffentlichen Verkehrsanstalten den Militärgesetzen unterstellen (Art. 202). Ferner ist der Bundesrat oder nach erfolgter Wahl der General in Zeiten von Krieg und Kriegsgefahr berechtigt, den Kriegsbetrieb der Eisenbahnen zu verfügen sowie die Anlage neuer Gleise, Bauten und Einrichtungen oder die Zerstörung bestehender Anlagen anzuordnen. Mit Einführung des Kriegsbetriebs geht das Verfügungsrecht über die Eisenbahnen, ihr Material und Personal und die Leitung des gesamten Betriebs an die Militärbehörden über. Das Personal darf seinen Dienst nicht mehr verlassen und ist den Militärgesetzen unterstellt (Art. 217 und 218). Der Bund leistet den Eisenbahnunternehmungen für den Schaden Ersatz, der ihnen durch den Kriegsbetrieb entsteht. Besteht über den Betrag des Ersatzes zwischen dem Bund und den privaten Eisenbahnunternehmungen Streit, so entscheidet das Bundesgericht (Art. 219). Das Reglement vom 1. Juli 1907, das der deutschen Militärtransportordnung entspricht, verleiht dem Militäreisenbahndirektor das Verfügungsrecht über das Personal und Material der Transportanstalten.
In Rußland sind die Eisenbahnen ebenfalls verpflichtet, im Kriegsfalle der Militärverwaltung Betriebsmittel und Personal zur Verfügung zu stellen. Außerdem haben die russischen Bahnverwaltungen die Wagen mit der Ausrüstung für Militärmannschafts- und Pferdetransporte zu versehen. Anschließend an den Kaiserlichen Erlaß vom 12. Januar 1873 über die Militärtransporte wurden mit Verordnung vom 8. Februar 1889 Vorschriften über die Benutzung, Aufbewahrung, Erneuerung und Beaufsichtigung der für Militärtransporte von den Eisenbahnen in Bereitschaft zu haltenden Ausrüstungsgegenstände für Eisenbahnwagen unter Beifügung von Zeichnungen der letzteren als Muster veröffentlicht. Mit Verordnung vom 8. Mai 1887 wurden den Staats- und Privatbahnen Vorschriften, betreffend die Anlage von Militärverpflegungsanstalten auf den Eisenbahnen Küchen, Bäckereien, Vorratsräume, Aborte u.s.w. mitgeteilt.
In England wurde am 17. August 1871 ein Militärgesetz (34 und 35 Vict. cap. 86: An Act for the better regulation of the regular and auxiliary land forces of the Crown) erlassen, das in seiner Clause 16 folgendes bestimmt: Wenn Ihre Majestät durch Ordre in Council erklärt, ein Notstand ist eingetreten, in dem es geboten ist, daß die Regierung die Verwaltung der Eisenbahnen in Händen habe, so kann der Staatssekretär irgend jemand ermächtigen, im Namen der Königin von jeder Eisenbahn und ihren Betriebsmitteln Besitz zu ergreifen und sie nach amtlichen Weisungen zu benutzen. Solche Ermächtigung soll aber immer nur auf eine Woche erteilt werden und muß wöchentlich erneuert werden. Die Eisenbahngesellschaft ist zu entschädigen, entweder auf Grund freien Übereinkommens mit der Regierung oder im Streitfall durch Schiedsgericht laut Lands clauses consolidation Act von 1845. Außerdem enthält das Gesetz über billige Züge (46 and 47 Vict., cap. 34 Cheap Trains Act) vom Jahre 1844, das im Jahre 1883 neu gefaßt wurde, Vorschriften über die Beförderung von Truppen durch die Eisenbahnen und die dafür zu zahlenden Vergütungen. Die Beförderung der Truppen im Mobilmachungsfalle ist ausschließlich Sache der Eisenbahnverwaltungen. Als Bindeglied zwischen diesen und dem Heere besteht seit 1864 das »Enginer and Railway Staff Corps«, eine Art eisenbahntechnischer Generalstab (s. Eisenbahntruppen), dem 60 Mitglieder, meist Eisenbahntechniker mit Offiziersrang, angehören. (Vgl. Ztg. d. VDEV. 1913. S. 1002.)
[480] II. Internationales Recht.
Soweit die rechtliche Stellung der Eisenbahnen in bezug auf die Befugnisse der kriegführenden Gegner, Eisenbahnen, die ihnen nicht gehören, zu Kriegszwecken zu verwenden, nach internationalem Recht überhaupt geregelt ist, sind die betreffenden Bestimmungen in den Abkommen enthalten, die auf der 2. Friedenskonferenz in Haag am 18. Oktober 1907 geschlossen worden sind; die dort getroffenen Festsetzungen entsprechen im allgemeinen dem vorher schon bestehenden Gebrauch. Dieses Abkommen ist von Deutschland, den Vereinigten Staaten von Nordamerika, Österreich-Ungarn, Bolivien, Dänemark, Großbritannien, den Niederlanden, Rußland, Salvador, Schweden, nachträglich auch von Guatemala, Panama, Portugal, Rumänien und Kuba anerkannt; einzelne Staaten haben dabei gewisse Vorbehalte gemacht, die aber, mit Ausnahme derjenigen von Kuba, für die Eisenbahnen nicht in Frage kommen.
Anlage 4 zu dem Abkommen betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkrieges, das zu dem genannten Abkommen gehört, untersagt im zweiten Abschnitt: Feindseligkeiten, Artikel 23: » ... die Zerstörung oder Wegnahme feindlichen Eigentums, außer in Fällen, wo diese Zerstörung oder Wegnahme durch die Erfordernisse des Krieges dringend erheischt wird.« Bei der wichtigen Rolle, die die Eisenbahnen im Kriege spielen, wird sich diese Notwendigkeit stets begründen lassen, wenn Gelegenheit gegeben ist, eine Eisenbahn oder ihre Betriebsmittel zu benutzen. Infolgedessen wird auch Artikel 46, wonach Privateigentum geachtet werden soll, kaum auf die Privateisenbahnen bezogen werden können, zumal Artikel 53 die Berechtigung zu ihrer Beschlagnahme ausspricht. Dieser Artikel enthält zunächst die Bestimmung: »Das ein Gebiet besetzende Heer kann nur mit Beschlag belegen ... Beförderungsmittel ... sowie überhaupt alles bewegliche Eigentum des Staates, das geeignet ist, den Kriegsunternehmungen zu dienen.« Darüber, daß Eisenbahnen hierzu gehören, kann kein Zweifel sein. Ferner bestimmt dieser Artikel: »Alle Mittel, die zu Land, zu Wasser oder in der Luft zur Weitergabe von Nachrichten, und zur Beförderung von Personen oder Sachen dienen ... und überhaupt jede Art von Kriegsvorräten können, selbst wenn sie Privatpersonen gehören, mit Beschlag belegt werden. Beim Friedensschluß müssen sie aber zurückgegeben und die Entschädigung geregelt werden.« Auch hier muß wohl zugegeben werden, daß bei der Bedeutung der Eisenbahnen für die Kriegführung, auch wenn sie nicht als Beförderungsmittel ausdrücklich genannt wären, die Betriebsmittel und der Wagenpark, die Vorräte und Betriebsstoffe und vieles sonstige Eigentum der Eisenbahnen, auch wenn sie Privateigentum sind, der Beschlagnahme unterliegen. Denn die Eisenbahnen sind ein sogenanntes absolutes Kriegsmittel, weil bei ihnen schon im Frieden auf die Landesverteidigung Rücksicht genommen wird, was soweit geht, daß manche Eisenbahnen ausschließlich für die Zwecke des Heeres angelegt sind. Relative Kriegsmittel sind demgegenüber solche, die erst bei Beginn des Krieges in besondere Beziehungen zum Heer treten.
Daß die Staatseisenbahnen des Feindes vom Gegner benutzt werden dürfen, darüber besteht kein Zweifel; für ihre Benutzung und den Schaden, der dabei angerichtet wird, ist auch keine Entschädigung zu zahlen, weil das feindliche Staatseigentum nach anerkannten Grundsätzen des Kriegs- und Völkerrechts ohneweiteres weggenommen werden kann. Der Gegner erwirbt bei der Beschlagnahme feindlicher Eisenbahnen nur ein Besitz-, nicht ein Eigentumsrecht. Er ist verpflichtet, bei der Benutzung der Eisenbahnen eine gewisse Sorgfalt walten zu lassen. Daß die meisten Felddienstordnungen, darunter auch die deutsche (Artikel 518) die Zerstörung von Eisenbahnen auf längere Zeit nur nach den Bestimmungen der obersten Heeresleitung, des Oberbefehlshabers einer Armee oder eines selbständig kommandierenden Generals für zulässig erklären, hängt wohl weniger mit Rücksichten auf die Rechtsverhältnisse als vielmehr damit zusammen, daß die Zerstörung einer Eisenbahn eine zu folgenschwere Handlung ist, als daß die Entscheidung darüber, ob sie vorgenommen werden soll oder nicht, unteren Führern überlassen werden könnte.
Ob eine kriegführende Partei auf Eisenbahnen in Feindesland eine eigene Eisenbahnverwaltung einrichten darf, ist völkerrechtlich bestritten, es ist aber meistens geschehen. So hat z.B. 1870/71 Deutschland erst den Wirkungskreis der Eisenbahndirektion Saarbrücken auf die benachbarten französischen Eisenbahnen ausgedehnt und dann auch Eisenbahnbehörden auf allen besetzten französischen Eisenbahnen eingerichtet.
Da die Eisenbahnen ein Kriegsmittel sind, können ihre Beamten zu Kriegsgefangenen gemacht werden. Sie können auch, mit Ausnahme der Staatsbeamten, gezwungen werden, den Dienst auf den besetzten Eisenbahnen zu versehen, doch darf ihnen nicht zugemutet werden, bei Unternehmungen gegen das Vaterland mitzuwirken.
Die Verhältnisse der Bahnen neutraler Staaten gegenüber den Kriegführenden regelt das Abkommen betreffend die Rechte und Pflichten der neutralen Personen und Mächte im Falle eines Landkrieges, das ebenfalls zu den auf der 2. Haager Friedenskonferenz geschlossenen Abkommen gehört. Es bestimmt im 4. Kapitel, Artikel 19: »Das aus dem Gebiete einer neutralen Macht herrührende Eisenbahnmaterial, das entweder dieser Macht oder Gesellschaften oder Privatpersonen gehört und als solches erkennbar ist, darf von den kriegführenden Parteien nur in dem Fall und in dem Maße, in dem die gebieterische Notwendigkeit es verlangt, angefordert und benutzt werden. Es muß möglichst bald in das Herkunftsland zurückgesandt werden. Desgleichen kann die neutrale Macht im Falle der Not die aus dem Gebiete der kriegführenden Mächte herrührenden Materialien in entsprechendem Umfange festhalten und benutzen. Von der einen wie von der anderen Seite soll eine Entschädigung nach Verhältnis des benutzten Materials und der Dauer der Benutzung bezahlt werden.«
Bei der Beschlagnahme von Eisenbahnen im Kriege darf nicht außer acht gelassen werden, daß sie nicht nur dem Gegner allein dienen; die Einstellung des Betriebes schädigt also nicht nur den Gegner, sondern auch der internationale Verkehr kann dadurch in Mitleidenschaft gezogen werden. Die Rücksichten, die auf die feindlichen Staatseisenbahnen genommen werden müssen, obgleich diese als Eigentum des feindlichen Staates eigentlich zu allererst der Beschlagnahme unterliegen müßten, gründet sich also nicht auf ihre Eigenschaft als Staatsgut; diese Eigenschaft würde sie vielmehr vollständig in die Hand des Gegners liefern. Sie beruhen vielmehr auf ihrer Bedeutung für den internationalen Verkehr, und an diesem können Staaten beteiligt sein, die dem Kriege vollständig fern stehen. Solche sollen aber anerkanntermaßen vom Kriege nicht in Mitleidenschaft gezogen werden. Anderseits[481] muß aber jede Rücksicht, auch die auf das Privateigentum, im Kriege vor der »Kriegsnotwendigkeit« zurücktreten.
Literatur: S. Eisenbahntruppen, ferner die im vor stehenden Text erwähnten Gesetze und Verordnungen. Wegen der rechtlichen Stellung der Eisenbahnen nach internationalem Recht s. Dr. H. Wehberg, Die rechtliche Stellung der Eisenbahnen im Kriege nach den Beschlüssen der 2. Haager Friedenskonferenz im Arch. f. Ebw., 1910, S. 623, und Die Eisenbahnen im Kriege und die Haager Friedenskonferenz in der Deutschen Eisenbahnbeamten-Zeitung, 1912, S. 469.
Wernekke.
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