Verlorene Steigung

[121] Verlorene Steigung (loss in level; pente perdue; salto perduto). Die Verbindung zweier Punkte einer Eisenbahn kann durch eine Linie gleichbleibender, einheitlicher Neigung oder durch eine gebrochene Linie erfolgen. Im letzteren Falle ergibt sich dann eine »verlorene Steigung«, wenn hierdurch eine Vergrößerung der Zugkraftsarbeit, also der Betriebskosten gegenüber der Linie mit einheitlicher Steigung bedingt ist, was nicht bei allen, sondern nur bei bestimmten Abweichungen von der einheitlichen Steigung der Fall ist. Es sollen nun die Fälle erörtert werden, in welchen bei Abweichung von der einheitlichen Steigung eine V. nicht entsteht oder entsteht.

Fall 1. Bezeichnen in Abb. 53 S1 das einheitliche Neigungsverhältnis der Strecke AB, S2 und S3 die Neigungsverhältnisse der gebrochenen Strecke AC und CB, so ist


S1 = h1/l1, S2 = h2/l2, S3 = h3/l3,

h1 = h3h2 = S3 l3S2 l2;


[121] W = (Wl + Wc), der Bahnwiderstand (Lauf- und Krümmungswiderstand), und W die Grenze zwischen schädlicher und unschädlicher Neigung oder die Bremsneigung (s. Neigungsverhältnisse, Bd. VII, S. 321). Wird S1 < W, S2 Verlorene Steigung W, S3 > W, also S1 und S2 als unschädliche und S3 als schädliche Neigung angenommen, so sind beim Zugsgewicht Q die entsprechenden Arbeitsleistungen für die Fahrt A–B, also für die Bergfahrt


für A–B: 1. A1 = (W + S1) l1 Q = (W l1 + h1) Q;

für A–C: 2. A2 = (W – S2) l2 Q = O, Grenzfall;

für C–B: 3. A3 = (W + S3) l3 Q = (W l3 + h3) Q.

Setzt man in Gleichung 1 h1 = S3 l3S2 l2 oder, da W = S2, h1 = S3 l3W l2 so ist


A1 = [W (l1l2) + S3 l3] Q;


und da l1l2 = l3 ist,

A1 = (W + S3) l3 Q;

daher A1 = A3,

und da A2 = O.


So ist die Arbeitsleistung auf der einheitlichen Neigung ebenso groß wie auf der gebrochenen Neigung ACB; es besteht also eine V. nicht.

Für die Fahrt B–A oder Talfahrt muß auch S3 eine unschädliche Neigung sein, wenn V. vermieden werden soll. Unter der vorher gemachten Voraussetzung, daß S1 und S2 unschädliche Neigungen bezeichnen, ist


für B–A: 1. A1 = (W – S1) l1 Q = (W l1h1) Q;

für C–A: 2. A2 = (W + S2) l2 Q = 2 W l2 Q;

für B–C: 3. A3 = (W – S3) l3 Q = (W l3h3) Q;


es muß also sein


A1 = A2 + A3;


für die Grenze der unschädlichen Neigung ist S3 = W


daher A3 = O,

dann ist A1 = A2,


also V. nicht vorhanden, denn


(W l1h1) Q = (W l2 + h2) Q.

Für h2 = h3h1 l2 = l1l3,

(W l1h1) Q = (W l1W l3 + h3h1) Q,

(W l1h1) Q = (W l1h1) Q;

da W l3h3 = O,

so ist A1 = A2.


Eine V. ist daher nicht vorhanden, wenn nicht nur die einheitliche Neigung, sondern auch die hiervon abweichenden Neigungen unschädlich sind.

Fall 2. Sind dagegen Neigung S2 und S3 (Abb. 53) schädliche, so ist V. vorhanden.

Fall 3. In Abb. 54 bezeichnen S1 die einheitliche, S2 und S3 die hiervon abweichenden Neigungen und


S1 = h1/l1, S2 = h2/l2, S3 = h3/l3,

h1 = h2 + h3 = S2 l2 + S3 l3,


W = (Wl + Wc) den Bahnwiderstand, daher W die Grenze der schädlichen und unschädlichen Neigung. Wird angenommen, daß


S1 > W,

S2 Verlorene Steigung W, S3 > W, S2 < S1, S3 > S1,


so sind für die Fahrt in der Richtung A–B, also Bergfahrt, die Arbeitsleistungen


A–B 1: A1 = (W + S1) l1 Q = (W l1 + h1) Q,

A–C 2: A2 = (W + S2) l2 Q = (W l2 + h2) Q,

C–B 3: A3 = (W + S3) l3 Q = (W l3 + h3) Q;


aus 2 folgt, da h2 = h1h3, l2 = l1l3,


A2 = (W l1 + h1) Q – (W l3 + h3) Q,

A2 = A1A3,

A1 = A2 + A3.


Für die Bergfahrt ist die Arbeit auf der einheitlichen schädlichen Neigung ebenso groß wie die Arbeit A2 + A3 auf der gebrochenen Linie ACB, die Steigung S2 kann eine schädliche oder unschädliche sein. Für die Fahrt B–A oder Talfahrt ist auf der schädlichen Neigung keine Zugkraftsarbeit, sondern nur Bremsarbeit erforderlich. Damit V. vermieden wird, müssen daher die Neigungen BC und AC ebenfalls schädliche sein und beide von A nach B ansteigen, dann ist auch auf der gebrochenen Linie BCA keine Zugkraftsarbeit erforderlich. Zur Vermeidung einer V. müssen[122] daher im Falle 3 die in gleicher Richtung ansteigenden Neigungen S2 S3 schädliche sein.

Dolezalek.

Abb. 53.
Abb. 53.
Abb. 54.
Abb. 54.
Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 10. Berlin, Wien 1923, S. 121-123.
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