[936] Stöckel, W. Wolfgang Stöckel aus München, auch Stöcklin oder Molitor genannt, besaß in Erfurt, wo er seit 1489 studierte, und Baccalaureus geworden war, in der Zeit von 1493 bis 1495 eine Druckerei. 1495 verlegte Stöckel, der die Witwe des Leipziger Druckers Arnold Neumarkt von Köln geheiratet hatte, seine Druckerei von Erfurt nach Leipzig und wirkte daselbst ununterbrochen bis 1526. Daneben errichtete er aber auch im Jahre 1503 ein Zweiggeschäft an der neu begründeten Hochschule in Wittenberg, doch scheint diese Filiale schon im darauffolgenden Jahre wieder erloschen oder mit dem Hauptgeschäft in Leipzig verbunden zu sein. Der erste aus der Presse in Wittenberg hervorgegangene Druck war das: »Compendium pulcherrimu Juriscanonici clarissimi Juris utriusque Doctoris et Equitis Petri Ravennatis in quo innumerabilia aurea et elegantia dicta continentur.«[936]
Nach 1504 kommt kein Wittenberger Druck Stöckels mehr vor; Stöckel war ein bedeutender Drucker und zeichnete sich durch Korrektheit in seinen Werken aus; er stand an Größe und Pracht seiner Leistungen nur wenigen der deutschen Zunftgenossen seiner Zeit nach, weshalb ihn auch Herzog Georg der Bärtige im Jahre 1523 als Hofbuchdrucker nach Dresden berief. Als Stöckel diesem ehrenden Ruf Folge leistete, errichtete er allerdings in Dresden eine neue Druckoffizin, ließ aber daneben seine typographische Anstalt in Leipzig weiter bestehen.
1527 erschien in Dresden neben anderen Schriften auch das gegen Luthers Uebersetzung gerichtete Neue Testament Emsers, das schon im nächsten Jahre neu aufgelegt werden mußte, während vorher meist nur unbedeutende Emsersche Broschüren gegen Luther in Dresden gedruckt wurden. Der Dresdener Wiegendruck Stöckels lautet: »Wyder den falschgenannten Ecclesiasten / vn warhafftigen Ertzketzer Martinum Luther Emsers getrawe vn nawe vorwarnung mit bestendiger Vorlegung aus bewerter / vnd canonischer schrifft«.
Stöckels Tätigkeit als Buchdrucker darf als eine hervorragende bezeichnet werden, denn Panzer zählt in seinen Annales typogr. allein 176 Drucke auf, die aus der Leipziger Presse Stöckels hervorgegangen sind. Er druckte hauptsächlich Klassiker, wie Ovid, Priscian, Seneca, Aristoteles, später auch viele theologische Schriften, von denen die bis zum Jahre 1522 gedruckten Partei für Luther nahmen, zum Teil auch von diesem selbst verfaßt waren. Von da ab wurde er, gezwungen durch Herzog Georgs Verbot, ein Gegner der Reformation, druckte eine Streitschrift des Franziskaners Alveld, eines der erbittertsten Feinde Luthers, und ferner mehrere Broschüren Emsers gegen Luther. 1524 gründete Stöckel durch seinen Sohn Jacob Stöckel und seinen Gesellen Widemar eine Filiale in Eilenburg, auch in Grimma ließ er 1522-23 manches drucken. Offenbar wegen finanzieller Schwierigkeiten geht Stöckel 1524 nach Dresden. Seine Druckerei daselbst florierte unter seinem Namen bis 1590, mit welchem Jahre dieselbe in den Besitz der Familie Bergen überging. Im Jahre 1777 erwarb ⇒ Carl Christian Meinhold dieselbe.
Quellen: Braun im Börsenblatt f. d. dtschn. Buchhandel 1884; Goetze, die hochdtschn. Drucker der Reformationszeit, Straßburg 1905.