Baustellung

[135] Baustellung.

Man hat bey Anlegung eines Gebäudes verschiedenes, so wol in Ansehung des Ortes oder Platzes, worauf dasselbe stehen soll, als der Richtung gegen die Himmelsgegenden, die man ihm geben will, in Ueberlegung zu nehmen.

Bey der Wahl des Platzes ist so wol auf die Festigkeit des Grundes, als auf die gesunde und bequeme Lage zu sehen. Ungesund ist die Lage an Orten, die an sich niedrig und feuchte, auch an solchen, die zu eingeschlossen sind, und die von Winden nicht können bestrichen werden. Eine allzu hohe Lage führt die Unbequemlichkeit mit sich, daß das Gebäude dem Wind und Wetter allzu sehr ausgesetzt wird. Eine mittelmäßige Höhe und trokene Lage ist die gesundeste und angenehmste. Vornehmlich ist auf einen guten Abfluß aller Unreinigkeiten wol zu sehen. Landhäuser sollen, wo möglich, nicht auf ebenen und von Bäumen entblößten Feldern angelegt werden; denn die Kunst kann den Abgang der Mannigfaltigkeit, des Schattens, der kühlenden Gewässer, niemals hinlänglich ersetzen. Auch ist bey Landhäusern auf die Fruchtbarkeit des Bodens hauptsächlich zu sehen, damit die Gärten und Büsche, [135] die allemal bey einem solchen Hause seyn müssen, zur gehörigen Schönheit kommen können.

In Städten ist bey großen öffentlichen Gebäuden die Wahl des Orts wichtig. Sie sollen auf freyen und großen Plätzen stehen, wo man sie übersehen kann, und wo der Zugang von allen Seiten leicht wird. Rathhäuser und solche Gebäude, wo jede Classe des Volks tägliche Geschäffte hat, sollen, so viel möglich, in der Mitte der Städte gesetzt werden.

Ein großer Theil der Bequemlichkeit, besonders in freystehenden Gebäuden, hängt von der Stellung derselben gegen die Himmelsgegenden ab. Hauptseiten, an denen die vornehmsten Zimmer sind, müssen, so viel möglich ist, vor Winden und einschlagenden Regen abgewendet, auch vor der großen Sonnenhitze verwahrt seyn. In unsern nördlichen Gegenden ist die Nordwestgegend die, daher die heftigsten Winde kommen, und die den stärksten Schlagregen ausgesetzt sind. Ein Haus, dessen Hauptseite nach dieser Gegend gewendet ist, hat hier zu Lande die schlechteste Stellung.

Ein guter Baumeister muß alles, was zu der Lage und Stellung gehört, nach der Landesart, wo er lebt, wol überlegen, damit er jeden Fehler in der Baustellung vermeide, welches um so viel wichtiger ist, weil sie nicht mehr zu verbessern sind.

Quelle:
Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 1. Leipzig 1771, S. 135-136.
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