Gebrechlich

1. Wir sein all gebrechlich, sagt jhene äptissin, gieng sie mit eim kind.Franck, II, 116a; Hoefer, 9.


2. Wir seindt all gebrechlich, sagt mein fraw aptiss, da tastet sse vff das haupt.Tappius, 118a; Eyering, II, 493; Henisch, 1395, 16; Lehmann, II, 856, 429.


3. Wir sind alle gebrechlich, sprach die Aebtissin, und hatte des Propstes Niederwatt1 statt Weihel2 auf dem Kopfe.Eiselein, 212; Hoefer, 8; Berliner Monatschrift, XVI, 271; Klosterspiegel, 1, 4; Schulze, 23, 18.

1) Niederkleid, d.i. kurze, bis an die Waden reichende Hosen, wie sie meist geistliche Herren zu tragen pflegten.

2) Schleier. (Vgl. Guttenstein, 140.)

Mhd.: Nieman ist âne gebresten gar. (Colm.) (Zingerle, 45.)

Holl.: Wij zijn altemaal zwakke vaatjes. (Harrebomée, II, 362.)


4. Wir synd alle gebrechlich.Agricola I, 743; Lehmann, II, 856, 428; Guttenstein, II, 25; Erklärung, 26; Petri, I, 113.

»Es stehet ynn der Centinouel (Boccaccio's Decameron) von einer Abbatissin, wie sie mit yhrem Brobst vnd fursteher yhrs klosters gebulet habe. Nun hat die Custoryn solchs gemerckt vnd allewege so offt der Brobst bey der Domina gewesen ist, so offt hat sie den Klosterschreiber zu yhr eyngelassen. Auff ein zeyt ward die Custoryn, die es nicht so heymlich halten kunde als die Domina, die yhr eygen gemach hatte, des nachts begriffen vnd von den andern Nunnen fur die Domina gefueret. Dieweil aber die Domina eylends must vom Brobst auffstehen, ergreyfft sie des Brobsts niderwat[1388] fur yhre weyhel vnd henckt es auff yhr haubt. Die Nunnen erschrecken, da sie das sehen. Die Custoryn aber, da sie hertiglich von der Domina gestrafft ward als eine bese hure, die man solt ynn die Prasaun setzen, spricht: Wirdige fraw Domina, die Zippel stehen auch nicht sehr wol. Vnd da die Domina darnach greyffet, findet sie, dass sie sich mit des Brobst niderwat geschmucket hat, bekennet yhre schuld vnd spricht: Ach, lieben kindlin, wir sind alle gebrechlich.« Dieser Ausspruch und diese Erzählung haben zu dem apologischen Sprichwort unter Nr. 3 Veranlassung gegeben, das auch darin seine Erklärung findet.

Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 1. Leipzig 1867, Sp. 1388-1389.
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