Nase, die

[434] Die Nase, plur. die -n, Diminut. das Näschen, Oberdeutsch Näslein. 1. Eigentlich, der hervor ragende Theil an dem Vordertheile des Kopfes der Menschen und vieler Thiere unmittelbar über dem Munde, welcher der Sitz und das Werkzeug des Geruches ist. Der höhere Theil der Nase der Länge nach wird der Rücken, und dessen scharfer Theil die Gräthe, das Ende derselben der Ball, die Kugel, die Kuppe oder Nasenkuppe, die Seitentheile aber die Flügel genannt, an und zwischen welchen sich die Nasenlöcher befinden. Der Obertheil der Nase, wo sie an die Stirne gränzet, heißt wegen seiner krausen Gestalt in Niedersachsen das Kröse. Eine große, lange, kurze, kleine Nase haben. Eine eingedrückte Nase, Nieders. Braknäse, von den Bracken, einer Art Hunde mit solchen Nasen. Eine krumme Nase oder Habichtsnase, welche in der Mitte auswärts gekrümmt ist. Eine aufgeworfene Nase. Eine stumpfe Nase oder Stumpfnase, Nieders. Stuuvnäse. Etwas vor die Nase oder an die Nase halten, um dessen Geruch zu empfinden. Durch die Nase reden oder singen, nieseln.

Da die Nase ein so vorzüglicher Theil des Gesichtes ist, so hat dieselbe zu einer Menge figürlicher R.A. Anlaß gegeben, welche aber größten Theils in die niedrige Sprechart gehören. Jemanden bey der Nase herum führen, ihn äffen, ihm vorsetzlich vergebliche Hoffnung machen. Einem etwas auf die Nase binden oder heften, ihm eine Nase drehen, ansetzen, oder ihm eine wächserne Nase drehen, ihn einer Unwahrheit überreden, ihm etwas weiß machen.


Der Einfalt Nasen drehn, den Schwachen hintergehn,

Opitz.


Ihr wollt mir, hör ich wohl, ein kleines Näschen drehn,

Wieland.


Aus einer Schriftstelle, aus dem Rechte u.s.f. eine wächserne Nase machen, die man drehen kann, wie man will, eine Schriftstelle oder ein Recht nach Willkühr auslegen. Zupfe dich bey deiner Nase, nosce te ipsum. Der Nase nach gehen, gerade aus, gerade vor sich hin. Einem etwas vor der Nase wegnehmen, in seiner Gegenwart, indem er die Sache genießen oder gebrauchen wollte. Einem die Thür vor der Nase zumachen. Es fehlt ihm zwey Finger über der Nase, es fehlt ihm am Verstande. Es liegt dir vor der Nase, unmittelbar vor dir. Sich die Nase begießen, sich betrinken.

Besonders so fern sie das Werkzeug des Geruches ist, da sie denn in der niedrigen Sprechart oft für den Sinn des Gesichts, ja für das Erkenntnißvermögen überhaupt gesetzt wird. Eine gute, eine feine, eine dünne Nase haben, etwas bald riechen, und in weiterer Bedeutung, es bald merken, bald entdecken. Daher bey[434] den Jägern auch die Nase für den Geruch selbst gesetzt wird. Ein Hund verlieret die Nase, wenn er den Geruch verlieret, und bekommt sie wieder, wenn er diesen wieder bekommt. Einem etwas unter die Nase reiben, es ihm vorwerfen, es ihm auf sehr merkliche, auf eine grobe Art zu verstehen geben. Die Nase in alles stecken, sich um alles bekümmern, eigentlich alles beriechen. Das sticht ihm in die Nase, reitzt seine Lüsternheit, Begierde. Laß die Nase davon, bekümmere dich darum nicht, menge dich nicht in die Sache. Es schnupfte ihm in die Nase, er ward darüber stutzig, betreten.

Ingleichen, so fern sich verschiedene Leidenschaften und Gemüthsstellungen durch sie offenbaren. Die Nase rümpfen, zum Zeichen des verachtenden Hohnes. Die Nase aufwerfen, oder in die Höhe werfen, in eben diesem Verstande.


Der edelmüthge Hohn, der auf der Nase saß,

Sah jetzund hoch herab auf eines Läufers Spaß,

Zachar.


Die Nase hängen lassen, aus Beschämung, oder Kleinmuth, Mit einer langen Nase abziehen, mit Beschämung über den mißlungenen Versuch, eigentlich mit einer herab hangenden Nase. Daher denn vermuthlich auch die R.A. rühren, eine lange Nase bekommen, eine Nase bekommen, sich eine Nase hohlen, so wohl einen Verweis, als auch eine abschlägige Antwort, ingleichen, sich in seiner Hoffnung betrogen sehen. Im Nieders. ist näsen, afnäsen, einen Verweis geben. Jemanden eine Nase geben, einen Verweis.

2. Figürlich, wo im gemeinen Leben mehrere hervor ragende Dinge den Nahmen der Nase führen. Ein sehr alter Gebrauch ist es, Vorgebirge, Halbinseln, und andere sich tief in das Wasser hinein erstreckende Theile des festen Landes mit diesem Nahmen zu belegen. Das Griech. υϞσος bedeutet nicht nur eine Insel, sondern auch eine Halbinsel. Das Schwed. Näs und Angels. Naesa wurde von den frühesten Zeiten an von einem Vorgebirge gebraucht, daher bey dem Curtius, Lucan und Silius Italicus die Scythischen Seeräuber Nasamones heißen, gleichsam Nasemänner, weil sie hinter den Vorgebirgen lauerten, um weßwillen sie auch noch jetzt Caper genannt werden, von Cap, Caput, Vorgebirge, S. Caper. Im Englischen endigen sich daher viele eigene Nahmen der Vorgebirge und an Vorgebirgen gelegenen Orte auf -ness. Auch im Deutschen ist diese Bedeutung nicht unbekannt. In der Schweiz werden die Landspitzen, welche sich in einen Landsee hinein erstrecken, so wohl Nasen, als Planken genannt, und in einigen Niederdeutschen Gegenden heißen die Berggipfel oder Kuppen gleichfalls Nasen. Der Schiffsschnabel heißt im Nieders. dessen Nase, und am Pfluge ist die Nase oder Pflugnase derjenige Theil, welcher das Streichbret mit der Griffsäule verbindet. An einem Tischlerhobel ist das vorn senkrecht gehende Holz, woran man die Hand legt, die Nase. Die Fenster werden von außen mit dreyeckigen Wassernasen versehen, welche das am Glase herunter laufende Wasser ableiten. Bey den Jägern ist das Näslein, verderbt Näßlein, Näschlein, eine kleine dünne Erhöhung auf dem Boden in der Fährte eines Hirsches, welche entstehet, wenn der Hirsch auf weichem Boden mit enge geschlossenen Schalen gehet. Im Hüttenbaue ist die Nase die äußerste Spitze des Gebläses, und die zähe Unart, welche sich daselbst ansetzt, S. Nasenschlacken. Die Nase an den Dach- und Hohlziegeln ist die einer Nase ähnliche Erhöhung, vermittelst deren sie auf die Latten gehängt werden. Im Oberdeutschen wird eine Art eßbarer Flußfische, welche in der Gestalt den Mayfischen oder Häseln gleicht, und größer als ein Häring ist, wegen des in Gestalt einer Nase über sich gebogenen Obertheiles ihres Maules, Nase und Näsling genannt. Es scheint eben der Fisch zu seyn, welcher in Pommern und der Mark Brandenburg[435] Schnäpel genannt, und geräuchert verführet wird, S. dieses Wort.

Anm. In einigen gemeinen, besonders Oberdeutschen Mundarten ist es sehr gebräuchlich, diesem Worte, so wie andern weiblichen auf e, in der zweyten und den folgenden Endungen ein unnützes n anzuhängen, der Nasen, u.s.f. welche Form auch in der Deutschen Bibel sehr häufig ist. In der ersten eigentlichen Bedeutung im Deutschen schon von des Raban Maurus Zeiten an Nasa, im Nieders. Näse, im Angels. Nese, im Engl. Nose, im Schwed. Näsa und Nos, im Isländ. Nos, im Pohln. und Böhm. Nos, im Krainerischen Nus, und selbst in Neu-Guinea Nisson. Gewiß nicht von dem Latein. Nasus, weil man sonst voraus setzen müßte, daß alle diese Völkerschaften ihre Nasen nicht eher zu benennen gewußt, als bis sie solches von den Römern gelernet; sondern mit denselben aus einer gemeinschaftlichen Quelle, welche das noch nicht veraltete nasen, im Intensivo naschen, ist, welches nicht nur das Schmatzen mit dem Munde, sondern auch das starke Hauchen mit der Nase, das Schnuppern und Beschnuppern durch seinen Laut nachahmet. Im Schwed. ist nosa blasen und schnuppern, und wenn die Hunde die Fährte nur beschnuppern, ohne ernstlich zu suchen, so sagen auch die Deutschen Jäger, daß sie näseln oder nässeln. S. auch Naschen. Mit verwandten Ableitungslauten, oder vielmehr, weil eben dieser Laut auch durch naben, nauben, schnauben ausgedruckt wird, heißt die Nase im Nieders. auch Nibbe, und im Schwed. Näf, so wie die Nasenlöcher im Latein. Nares, und im Nieders. Nüster, die Nase selbst aber im Span. Nariz, genannt werden; woraus zugleich die Verwandtschaft mit Schnabel, Schnautze, dem Hebräischen נפש, die Seele, eigentlich, der Athem, so wie Geist, anima, und andere gleichfalls den Athem bedeuten, und in der figürlichen Bedeutung der Hervorragung, und der damit verbundenen Vertiefung, auch mit Nabe, Nabel, Nast, für Ast, Napf u.s.f. erhellet. Übrigens wird die Nase im Scherze auch der Riecher, Nieders. Rüker, im Oberd. der Schmecker, von schmecken, riechen, und im Nieders. auch die Snurre genannt.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 434-436.
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