Nord, der

[520] Der Nord, des -s, plur. inus. 1) Der aus Mitternacht kommende Wind; in welchem Verstande es in der höhern und dichterischen Schreibart am üblichsten ist, dagegen außer dem Nordwind häufiger gebraucht wird.

Sein Nord schwebt auf der Fluth mit ungestümen Schwingen, Gieseke.

2) Diejenige Himmelsgegend, welche Mittag gegen über ist, oder welche Abend zur Rechten und Morgen zur Linken hat, Norden, Mitternacht; in welchem Verstande es ohne Artikel und nur mit einigen Vorwörtern gebraucht wird. Der Wind kommt aus Nord. Gegen Nord reisen. Es kommt in dieser Bedeutung seltener vor, indem Norden dafür üblicher ist. Mit dem Artikel, wie einige Schriftsteller es versucht haben, ist es noch ungewöhnlicher. Durch die Erfindung der Magnetnadel ward die Schifffahrt kühner, da sie gewiß war, vermittelst des gezeigten Nords sich alle Mahl orientiren zu können. 3) * Der Nordstern, oder Polarstern; eine ungewöhnliche Bedeutung, in welcher Opitz dieses Wort, vermuthlich um des Sylbenmaßes willen, ein Mahl braucht:


Das sternenlichte Feuer

Kommt, wie der schöne Nord den Schiffern, mir zu Steuer.


Anm. Schon bey dem Raban Maurus im 8ten Jahrhunderte Nordroni, bey dem Notker Nord, im Angels. North, im Engl. North, im Schwed. Nord, im Franz. Nord. Der Versicherung der gleichzeitigen Schriftsteller zu Folge rühret dieser Nahme, so wie die Nahmen der übrigen Himmelsgegenden, von Carln dem Großen her. Vielleicht hat er sie nur erneuert oder feyerlich bestätiget. Wachter leitet dieses Wort von νερθε, unten, nieder, Frisch aber von Ort her. Allein, da Süd von der Wärme den Nahmen hat, so scheinet mit dem Nahmen dieser Gegend auf das Brausen des Nordwindes gezielet zu seyn, und alsdann würde derselbe ein Geschlechtsverwandter von dem Holländ. neuren, knirschen, snorren, schnauben, so wie von unsern schnurren, gnurren, knurren u.s.f. seyn, welche ähnliche lärmende Laute ausdrucken. Aus einer ähnlichen Ursache heißt dieser Wind bey den Griechen und Lateinern Boreas. Bey den alten heidnischen Schweden war Niord der Gott der Winde und des Wassers, daher Carl der Große dieses Wort wenigstens nicht erfunden haben kann.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 520.
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