Das Simultäneum

[292] Das Simultäneum heißt die Aufnahme einer von den in Deutschland herrschenden Religionen in einem Deutschen Reichstande, neben derjenigen Religion, welche in demselben schon im J. 1624 herrschend oder gedulder war. Es wurde nehmlich im Westphälischen Frieden 1648 ausgemacht, daß diejenige der drei öffentlich aufgenommenen Religionen, die im J. 1624 (welches man daher das Normaljahr nannte, s. Normaljahr) in einem Lande herrschend oder geduldet war, es auch in Zukunft bleiben sollte. Es entstand aber gleich nach dem Frieden die Frage: ob ein Landesherr, besonders wenn er selbst einer andern der drei öffentlich recipirten Religionen zugethan war, außer der vermöge des Normaljahres eingeführten Lehre noch eine der übrigen in Deutschland herrschenden Religionen aufnehmen könne? z. B. ob in einem protestantischen Lande den Katholiken freie Religionsübung gestattet werden dürfe? und umgekehrt; – oder mit andern Worten: ob der Landesherr ein Simultaneum (simultaneum religionis exercitium) daselbst einzuführen befugt sei? – Da aber nach dem Westphälischen Frieden die Unterthanen im ruhigen Besitze ihrer durch das Normaljahr hergebrachten Religionsübung geschützt werden sollen, und überhaupt die Gewalt eines Fürsten in Religionssachen sich nie so weit erstrecken darf, daß er die Rechte der Landesreligion schmälern kann, so entscheiden die besten Staatsrechtslehrer die Frage so, daß dem Fürsten das Recht, eine solche Religion außer der schon herrschenden oder geduldeten noch überdieß aufzunehmen, nur dann zukomme, wenn entweder im Normaljahre die Ausübung derselben schon Statt fand, oder die Landstände und Unterthanen in deren Aufnahme einwilligen. Dieses Simultaneum hat beständige Gelegenheit zu Streitigkeiten unter den Reichsständen gegeben, und der härteste Zwist war mit den Franzosen. Als nehmlich Frankreich durch den Westphälischen Frieden sowohl, als nachher, einige Deutsche Lande jenseits des Rheins erhielt, so wurde daselbst, wo die protestantische Religion herrschend war, die Römisch-katholische mit Gewalt und trotz aller Protestationen eingeführt. Frankreich schob [292] sogar 1697 in den vierten Artikel des Ryswicker Friedens durch List, und ohne daß es die Deutschen Friedensgesandten bemerkten, die Clausel ein: daß die katholische Religion in diesen Landen so, wie sie durch die Franzosen eingeführt worden war, bleiben sollte; und alle nachherige Widersprüche gegen die berüchtigte Clausel des Ryswicker Friedens blieben fruchtlos. (S. Ryswicker Frieden.)

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 5. Amsterdam 1809, S. 292-293.
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