Friedrich Wilhelm, Freiherr von Seydlitz

[244] Friedrich Wilhelm, Freiherr von Seydlitz, einer von Preußens ruhmwürdigen Helden (geb. den 3. Febr. 1722 in Westphalen), zeigte schon im zwölften Jahre den unerschrockenen und geschickten Reiter, indem er zu seiner Uebung zwischen den schnell herumtreibenden Flügeln einer Windmühle mit dem Pferde hindurchjagte. Im sechzehnten Jahre trat er als Cornet bei dem Cürassir-Regimente des Markgrafen von Brandenburg Schwedt in Preußische Kriegsdienste, und schon hier zeigte er bei einer Affaire im J. 1740 so viel Bravour, daß der König ihn, ob er gleich in Gefangenschaft gerathen war, doch bei seiner Zurückkunst zum Hußaren-Rittmeister des Natzmerschen Regiments ernannte. Bald stieg er zum Major, 1752 zum Obristlieutenant, und ward endlich Commandeur des Rochowschen Cürassir-Regiments, das er 1757 eigenthümlich [244] erhielt. Der siebenjährige Krieg, in welchem so mancher Held seine Lorbern erntete, half sie auch Seydlitzen in hohem Grade erwerben. In der Schlacht bei Collin, wo die Preußen zum ersten Mahle weichen mußten, deckte er den Rückzug; und zur Belohnung ernannte ihn der König zum Generalmajor. In Zittau führte er das mit ihm eingeschlossene Dragoner-Regiment bei Einbruch der Nacht auf einem unbesetzten Wege fort, und stieß glücklich zur Armee des Königs. In Gotha verdarb er den Franzosen, die sich, an 8000 Mann stark, unter Soubise hierher geworfen hatten, und wovon die Generalität eben ein prächtiges Mittagsmahl bei Hofe einnehmen wollte, den Appetit so sehr, daß das ganze Corps von 8000 Mann vor Seydlitz, der mit 1500 Reitern vor den Thoren erschien, über Hals und Kopf flüchtete, und das ganze Gefolge von Köchen, Friseurs etc. nebst ganzen Kisten voll wohlriechender Wasser und Pomaden etc. im Stiche ließen. Ernsthafter und von hoher Bedeutung war der Antheil, den Seydlitz an dem Siege bei Roßbach (5. Nov. 1757) nahm. Der König Friedrich hatte die Franzosen durch eine täuschende Bewegung aus ihrer vortheilhaften Stellung gelockt. Diese, durch die darauf folgende anscheinende Ruhe des Preußischen Lagers sicher gemacht, wollten ihm in den Rücken kommen. Auf einmal brach Seydlitz – welchem, wenn gleich dem jüngsten Generalmajor bei der Armee, der König dennoch das Commando der gesammten Cavallerie übertragen hatte – mit der Preußischen Reiterei hinter einem Hügel herver, stürzte wie ein Donnerwetter auf den Feind; die leichte Reiterei – ein unerhörter Fall! – griff die schwere Cavallerie an, und warf sie über den Haufen; auch sogar die Französische Gensdʼarmerie wurde eben so wie das Reserve-Corps zurückgeworfen; die Infanterie rückte nun auch plötzlich in Schlachtordnung an, alles wurde gesprengt, und dem Feinde blieb nichts als eine allgemeine Flucht übrig: in kurzer Zeit war der Sieg über Sonbise entschieden. Seydlitzen, damahls erst 35 Jahr alt, erhob der König zum Generallieutenant und zum Ritter des schwarzen Adlerordens. Bei Zorndorf zeigte er gleiche Bravour, und attakirte mit der bloßen Cavallerie, den Degen in der Faust, eine Russische Batterie, und eroberte [245] sie. Ueberall sah man ihn bei dieser Schlacht mit seiner Reiterei, und überall siegend. Eben so rühmlicher Erwähnung aber verdient seine Großmuth, mit welcher er, als ihm der König für den Sieg dieses Tages dankte, diesen auf einen würdigen, aber verkannten Officier, den Rittmeister von Wacknitz, aufmerksam machte, und mit Ernst und Festigkeit auf dessen Belohnung bestand. Bei Cunnersdorf endlich, wo er durch eine vortheilhafte Position den Landon ganz zurückhielt, behauptete er, trotz dem Befehl des Königs, eine Batterie wegzunehmen, lange Zeit standhaft seinen Posten; und als der König seine oftmahls wiederhohlte Ordre ihm nochmahls mit den Worten geben ließ: Er solle ins T .... Namen die Batterie attakiren, so gehorchte S. zwar, sprengte mit Wuth auf das Kartätschen-Feuer los, wobei ihm drei Finger zerquetscht wurden; allein, obgleich die Batterie weggenommen wurde, so drang doch nun Landon, so wie es S. vorhergesagt hatte, durch die dadurch entstandene Lücke ein, und – die Schlacht ging verloren.

Nach dem siebenjährigen Kriege machte der König Seydlitzen zum Generalinspector der Cavallerie in Ober- und Niederschlesien, und hier leistete er dem Preußischen Kriegswesen durch Ausbildung der Cavallerie eben die wichtigen Dienste, als zuvor durch seine Heldenthaten. Auch wurde er von seinem Könige ausgezeichnet geehrt; denn dieser selbst besuchte ihn auf seinem Sterbebette, und als nun sein Tod (1773) wirklich erfolgte, so mußten alle Officiers der Cavallerie einen Flor um den Arm tragen: eine Auszeichnung, die nie einem Preußischen General widerfahren ist. Auch ließ ihm der König auf dem Wilhelmsplatze zu Berlin eine Bildsäule von weißem Cararischen Marmor, durch Tassard gearbeitet, errichten.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 5. Amsterdam 1809, S. 244-246.
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