Cotta, Johann Friedrich Freiherr von

[147] Cotta, Johann, Friedrich, Freiherr von. Cotta war bekanntlich im klassischen Altertume der Beiname der gens Aurelia und der schwarzburgische Ort Cottendorf an den Ufern der lieblichen Ilm soll seinen Namen von dem altmailändischen Adelsgeschlechte der Cotta haben, welches im 15. Jahrhundert des Dorfes Besitzer war und das noch heute in Württemberg und Bayern unter dem Namen von Cottendorf ansässig ist. Das Mailänder Patriziergeschlecht der Cotta gehörte schon im 10. Jahrhundert, zur Zeit Kaiser Ottos I., zu den vornehmsten und mächtigsten Familien der Metropole der Lombardei. Andrico Cotta wurde 926 zum Erzbischof von Mailand erwählt. Als die Sforza sich der Herrschaft bemächtigten, verloren die Cotta ihre reichen Lehen und zogen, die italienische Heimat für immer verlassend, nach Mitteldeutschland. 1420 sollen sie unter Kaiser Sigismund nach Thüringen gekommen sein. Eine Cotta auf Cottendorf war die Patronin des Chorschülers Luther in Eisenach, die Gemahlin Konrads von Cotta auf Cottendorf, eine geborene von Wasungen. In und bei Eisenach lebten die Cotta, bis sie sich nach Kursachsen wandten und die Besitzung Cotta bei Dresden ihr Eigentum ward. Das Haus spaltete sich in eine ältere und eine jüngere Linie. Die erstere erlosch im Jahre 1733. Die jüngere Linie siedelte nach Bayern und Schwaben über, ihr Freiherrnrang ward nachmals in Bayern legal anerkannt (1821), ebenso in Württemberg.

Johann Georg Cotta (geb. 20. 6. 1631 als Sohn von Pfarrer Nikolaus Cotta in Porschendorf b. Dresden, gest. 25. 3. 1692 in Tübingen) hatte in Wittenberg den Buchhandel erlernt und war dann zu Straßburg und Nürnberg thätig gewesen. 1658 wurde er nach Tübingen zur Führung der der Familie Brunn gehörigen Buchhandlung berufen. Er ward 1659 der Gründer der Buchhandlung J. G. Cotta. Dann erwarb er die frühere Brunnsche Buchhandlung in Tübingen durch Verheiratung mit der Witwe des akademischen[147] Buchführers Philibert Brunn am 22. November 1659 und nannte sie fortan J. G. Cottasche Buchhandlung.

Die größte Blüte erlangte die Cottasche Buchhandlung unter der Führung des Freiherrn Johann Friedrich von Cotta, Enkel des Theologen und Philosophen, Kanzlers der Universität Tübingen, Johann Friedrich von Cotta, Ururenkel des Firmagründers. Als Freund und Verleger Schillers und Goethes und all der Heroen unserer Litteratur, wie sie am Musenhofe Weimars, dem glänzenden Zirkel Anna Amalias und an den übrigen Stätten des geistigen Lebens wirkten und blühten, derselbe, den der Wunsch des Vaters (Christoph Friedrich Cotta, geb. zu Tübingen 1724, gest. zu Stuttgart 1807; errichtete die bis 1887 unter der Firma Chr. Fr. Cottas Erben bestandene Hof- und Kanzlei-Buchdruckerei in Stuttgart), welcher in Oesterreich Reiterdienste geleistet hatte, ursprünglich zum Kriegerstande bestimmt hatte und deshalb Kriegswissenschaft studieren und auf der Universität Tübingen bei Pfleiderer u. a. Mathematik treiben ließ, war berufen, sein Haus und seinen Namen als stolzer bleibender Markstein in der Geschichte des deutschen Buchhandels aufzurichten.

Geboren den 27. April 1764, wurde Cotta mit 18 Jahren (1782) Student in Tübingen, nachdem er sich vorher auf dem Stuttgarter Gymnasium vorgebildet hatte. Er erwarb sich das größte Wohlwollen und die besondere Zuneigung seines Lehrers Pfleiderer, der ihn und den Vater veranlaßte, den ursprünglichen Studienplan, der auf den Militärstand berechnet war, aufzugeben. Der junge Mathematiker studierte nun Theologie, dann die Rechte. Auf einer längeren Reise besuchte er Paris und verlebte dort in Gesellschaft seines Landmannes, des Kupferstechers J. G. Müller und anderer geistig hochstehender Männer genuß- und anregungsvolle Monate. In das amtliche Leben trat er als Hofgerichtspraktikant zu Tübingen ein (1787), blieb aber nur kurze Zeit der Justiz treu. Schon im Dezember desselben Jahres übernahm er gegen einen Kaufschilling von 17000 fl. die J. G. Cottasche Buchhandlung, die in den letzten Zeiten infolge der Verwaltung durch Geschäftsführer, Faktore u. dergl. in ihrer Bedeutung sehr zurück gekommen war. Sein neuer Beruf erfüllte ihn ganz; er arbeitete sich bald ein, wandte sich um Rat und Beistand an der erfahrenen Buchhändler Philipp Erasmus Reich in Leipzig und brachte die Buchhandlung rasch in die Höhe. Seine erste gelungene Spekulation war Joseph Gärtners »de fructibus et seminibus plantarum«. Die[148] Anstrengungen in dieser Richtung teilte einige Jahre mit ihm sein gelehrter Freund, Kanzleiadvokat Dr. Christian Jakob Zahn, eine Verbindung, die 1798 eingegangen, aber nach Verlauf weniger Jahre wieder gelöst wurde.

Cottas erste That war die Gründung der »Allgemeinen Zeitung«, jenes Blatt, das sich seit mehr denn 100 Jahren eine ehrenvolle Stellung in der periodischen Presse von ganz Deutschland durch seinen vorwiegend ruhigen Charakter in der Politik, insbesondere aber durch seinen gediegenen litterarischen und gelehrten Gehalt wie durch Sorgfalt in der Form, gewählte und reine Sprache erworben und trotz der seit den Bewegungsjahren mächtig in Blüte und Kraut schießenden Konkurrenz bis in die jüngste Zeit bewahrt hat. Auf dem litterarisch-kritischen Gebiete wie auf dem wissenschaftlicher Forschungen, denen das Blatt seine Spalten mit Vorliebe öffnet, ist es sich bewußt, ein wirklich allgemeines Publikum ohne Unterschied der Parteistellung für sich zu haben. In der That kann so leicht kein wissenschaftlich gebildeter Mann seiner Lektüre entbehren; die Beilagen, welche diesen spezifisch gelehrten und litterarischen Charakter tragen, haben den Ruf der Zeitung für alle Zeit begründet. In der Politik vertritt sie den reichsdeutschen Standpunkt.

Die »Allgemeine Zeitung«, ein Gedanke Friedrich Schillers (der im Frühjahr 1794 zum erstenmal in persönliche Beziehungen zu Cotta getreten war), welcher allerdings für seine Person die Redaktion ablehnte, da er diese aufregende Thätigkeit mit Recht scheute, besteht seit 1798. Sie hieß im Anfang »Neueste Weltkunde«, ward aber als solche bald (den 8. September 1798) unterdrückt. Zuerst kam sie in Tübingen heraus. Von Tübingen wanderte sie noch 1798 nach Stuttgart, 1803 nach Ulm, den 1. September 1810 (unter Stegmanns Redaktion) nach Augsburg und seit dem 1. Oktober 1882 befindet sie sich in München, von 1889-1895 im Besitze der Brüder Adolf und Paul Kröner in Stuttgart, dann einer G. m. b. H. unter der Firma Verlag der Allgemeinen Zeitung, G. m. b. H.

Im Jahre 1824 wurde in ihrer Offizin die erste Dampfschnellpresse in Bayern aufgestellt. Von ihren bekanntern Redakteuren mag neben Dr. E. L. Posselt, Professor Lebret, Karl August Mebold, Dr. Kolb, neben ihm zeichneten die Dr. Altenhöfer und Dr. H. Orges, Dr. J. v. Gosen und Dr. Otto Braun genannt sein. Gegenwärtig wird das Blatt von Dr. Martin Mohr geleitet.

Im Jahre 1807 gründete Cotta das »Morgenblatt«, mit dem dann Schorns »Kunstblatt« und das »Literaturblatt« als Beilagen[149] verbunden wurden. Einige Jahre später siedelte Cotta von Tübingen nach Stuttgart über, 1816 hatte er das Tübinger Sortiment an Heinrich Laupp abgetreten. In Stuttgart ist er denn auch am 29. Dezember 1832 als 68jähriger Greis gestorben. Seine großartigen, in Tübingen, Stuttgart, Ulm, Augsburg und München verzweigten Unternehmungen und Filialgeschäfte bereicherten die Litteratur um eine Fülle gediegener periodischer Schriften. Wir nennen von diesen hier noch die »Hertha«, das »Ausland«, das »Inland«, die »Württembergischen Jahrbücher«, die »Jahrbücher für wissenschaftliche Kritik«, die »Archives littéraires«, die englischen, französischen und italienischen Miscellen, den »Miroir de la France«, die »Justiz- und Polizeifama«, Häberlins »Staatsarchiv«, Dinglers »Polytechnisches Journal« (jetzt Verlag von A. Bergsträßers Verlagsbuchhandlung A. Kröner in Stuttgart), Andrés »Hesperus«. Welche Stelle die Klassiker unserer Nation im Verlagskatalog Cottas noch heute einnehmen, ist bekannt. Der alte Freiherr stand außer mit Goethe und Schiller mit allen berühmten Dichtern und Schriftstellern im engsten Verkehr, so mit Huber, Pfeffel, Fichte, Jean Paul, Tieck, Voß, Hebel, Matthisson, den beiden Humboldt, Johannes von Müller, Spittler u. v. A. – Cotta hat im Ganzen an Schiller und seine Erben rund 275000 Mark, an Goethe selbst rund 450000 Mark an Honoraren gezahlt. Im Verlagsvertrage mit Schiller über die »Horen« hatte Cotta 3-8 Luisdor für den Bogen, außerdem 1/3 des Gewinnes von dem ganzen 2000 Exemplare übersteigenden Absatz des Unternehmens ausgesetzt.

Johann Friedrich von Cottas politische, landständische und diplomatische Thätigkeit war nicht minder hervorragend, wie er sich auch zur Zeit der Fremdherrschaft mit den französischen Machthabern gut zu stellen wußte, wie folgendes vom Könige Jerome ausgestelltes Privilegium auf die erste Gesamtausgabe 1812-15 auf Schillers Werke bezeugt:

»Da der Dr. Cotta, Verleger in Tübingen, vorhat, die Werke Goethes und diejenigen Schillers in einer Gesamtausgabe, welche des Ruhmes dieser beiden klassischen Autoren würdig ist, herauszugeben, so hat er uns um den Schutz seiner Unternehmung ersucht, damit sie vor Nachdruck bewahrt ist. Obwohl diese Ausgabe nicht im Gebiete unserer Staaten publiziert wird, haben wir dennoch angenommen, daß sie der Unterstützung würdig ist; daß, wenn wir das Gesuch des Herrn Cotta gewähren, wir nicht allein ein Eigentum beschützen, was jeder Zeit billig und recht ist, sondern daß wir[150] damit auch ein Zeichen des Interesses geben, das wir an guter Litteratur nehmen, und das wir der Witwe eines der besten Dichter, welche der Stolz Deutschlands sind, und dem Herrn Goethe selbst bezeugen wollen, der dieser Neuausgabe seiner Werke seine besondere Thätigkeit widmen wird«. Darauf folgt das Privilegium, das auf 15 Jahre gewährt wird und eine Kontraventionsstrafe von 1000 Fr., welche zwischen Cotta und dem westfälischen Königreich zu teilen sind, festsetzt.

Wir sehen Cotta schon unmittelbar vor Schluß des achtzehnten Jahrhunderts in Paris, bevollmächtigt, wegen eines Separatfriedens zu unterhandeln (1799), ebenso für Hohenzollern-Hechingen (1801), finden ihn 1815 auf dem Wiener Kongreß, um mit Bertuch namens des deutschen Buchhandels für die schleunige Ordnung der Nachdrucksfrage zu plädieren, im selbigen Jahre auf dem württembergischen Landtage auf Seiten des Grafen Waldeck, dann als Virilstimmführer für die Bissingschen Besitzungen auf dem Landtage von 1819, an dem württembergischen Verfassungswerke arbeitend, 1820 als ritterschaftlichen Abgeordneten des Schwarzwaldkreises, 1821 im permanenten ständischen Ausschuß, endlich 1824 als Vizepräsident der zweiten Kammer, überall seine Kräfte in den Dienst der Allgemeinheit stellend: besonders hervorzuheben ist noch seine Thätigkeit für das Zustandekommen des deutschen Zollvereins.

Sein Sohn Johann Georg Freiherr von Cotta, Eigentümer der Herrschaft Plettenberg und des Rittergutes Hipfelhof, war am 19. 7. 1796 zu Tübingen geboren, genoß in Stuttgart Gymnasialunterricht und bezog 1815 die Göttinger Universität, setzte 1816 seine Studien in Heidelberg fort, um im Herbste gleichen Jahres an die heimatliche Universität Tübingen überzusiedeln. Ueber seine Entwickelung vom frühen Jünglingsalter bis zu den Jahren der vollen männlichen Reise geben seine Tagebücher, aus denen eine geistig regsame und sittlich edle Persönlichkeit spricht, mannigfachen Aufschluß. Ein Brust- und Herzleiden veranlaßten ihn im Dezember 1817 zu einer Reise nach Rom, wo der Sohn das rege Leben des Vaters inmitten der Künstler, Gelehrten und Staatsmänner teilen durfte und auch körperliche Gesundung fand. Nach der Rückkehr begann er für die litterarischen Institute seines Vaters thätig zu sein; so übersetzte er z. B. das Manuscript venu de St. Hélène für die »Europäischen Annalen«. 1819-20 war er als Legationssekretär in Frankfurt und Wien thätig und wirkte im Verein mit von Trott[151] als spezieller Gesandter der württembergischen Regierung in den Konferenzen für die Schlußakte mit.

Inzwischen berief ihn der Vater zu seiner geschäftlichen Unterstützung nach Hause. Das Jahrzehnt bis zum selbständigen Geschäftsantritt beschäftigte ihn wieder vorzugsweise mit schriftstellerischen Arbeiten. Er verfaßte eine Geschichte seiner Familie auf authentische Dokumente, hauptsächlich der Stadt Mailand, gestützt (ein Auszug findet sich im Gothaischen Freiherrnkalender für 1853) und schrieb ferner eine Broschüre »Die Schweiz aus dem europäischen Standpunkt, nach dem Französischen«.

Beim Tode des Vaters 29. 12. 1832 war das Geschäft wegen vieler heterogener Unternehmungen, Dampfschiffahrt auf dem Bodensee, Papierfabrik zu Ludwigsburg, Linnenfabrik zu Heilbronn, mit einem sehr hohen Passivstand, – mit mehr als 1 Million Gulden – belastet. Georg Cotta aber setzte mit den übrigen Erben, seiner Schwester Ida, vermählt mit dem Kgl. Kammerherrn Freiherrn von Reischach in Stuttgart, – das Geschäft in so glücklicher, gediegener Weise fort, daß, als er am 1. Februar 1863 starb, die Cottasche Buchhandlung folgende Etablissements umfaßte: die J. G. Cottasche Buchhandlung als Mutterfirma in Stuttgart mit ihrer Offizin, sodann die vom Vater begründete Litterarisch-artistische Anstalt (mit Sortiment und Offizin) in München, die G. J. Göschensche Verlagshandlung in Leipzig, erworben 1839 (1868 wieder an F. Weibert verkauft, vergleiche den Artikel Göschen), die von Vogelsche Verlagshandlung in München und die Bibelanstalt der J. G. Cottaschen Buchhandlung. Cotta erwarb unter anderm ein besonderes Verdienst um die periodische Litteratur durch Gründung der »Deutschen Vierteljahrsschrift« (1838), wie er auch mit der Redaktion der »Allgemeinen Zeitung« Jahrzehnte lang in täglichem Verkehr stand und mit Opfern unentwegt deren angesehene Stellung zu festigen bemüht war.

Einen ausgezeichneten täglichen Mithelfer für die Leitung der umfassenden Unternehmungen fand Cotta in Ludwig Roth, welcher 1833 ins Geschäft berufen 30 Jahre lang demselben diente, in der letzten Zeit als unmittelbarer Teilhaber. Ihm sind namentlich die Erwerbung neuer Verlagsrechte (Wieland, Klopstock, Lessing), die Herausgabe der Volksbibliothek der Klassiker u. v. a. Unternehmungen von Wichtigkeit zu verdanken.

Ferner fand Cotta für seine Münchener Unternehmungen eine kräftige Stütze in seinem langjährigen Prokuraträger R. Oldenbourg.[152]

Seinen Verlag hat Cotta in großartiger Weise vermehrt. Dieses inhaltsvolle Gebiet kann nur mit den hauptsächlichsten Namen gezeichnet werden: Uhland, Rückert, Platen, Pyrker, J. Kerner, Schwab, Geibel, Freiligrath, Kinkel, Lenau, Zedlitz, Karl Mayer, Mörike, Dingelstedt, Roquette, Lingg, J. G. Fischer; unter den nicht schöngeistigen Autoren: Alexander von Humboldt, mit welchem er in sehr lebhaftem Briefwechsel gestanden hat, Friedrich List, die Mohl: für einzelne Werke: Roscher, Riehl, Ranke, Gregorovius, Nees von Esenbeck, Fallmerayer, Menzel, Simrock. Für Prachtausgaben gewann er Künstler wie Schnorr von Carolsfeld, Wilhelm Kaulbach, Jäger, Genelli, Seibertz, Moriz Retzsch, Schwind, Neureuther, Ramberg, Piloty. Wie die geistige Arbeit, so achtete er in ihrem Wert die mechanische Arbeit, welche ja im Buchhandel mit der ersteren fast gleichteilig verbunden ist. In dieser Richtung ist er nicht besser zu schildern, als durch die kurze Ansprache, die er, inmitten seiner Arbeiter stehend, ein Bild von seinem Verhältnis zu ihnen, von seinem buchhändlerischen Geschäftsleben überhaupt, und dem Geist, in dem er es auffaßte, gehalten hat. Die J. G. Cottasche Buchdruckerei hatte nämlich im Jahr 1853 nach mehr als 200jährigem Bestand bedeutende Erweiterungen erfahren, und Cotta gab deshalb am Geburtsfest seines Königs (27. Sept. 1853) den Arbeitern ein Fest, bei welchem er, nach dem »Schwäbischen Merkur« folgende Worte sprach:

»Die Vollendung der neuen Einrichtung dieses Hauses, welche zu feiern ich Sie in meinem und meines Schwagers Namen eingeladen habe, sich mit mir an einem Tische niederzulassen, bildet einen bedeutenden Abschnitt in meinem Geschäftsleben. Sie wollen mir daher zu gut halten, wenn ich einen kurzen Rückblick auf dasselbe werfe. Als vor nunmehr 20 Jahren mein seliger Vater hinübergegangen, wo wir alle hinkommen, und ich mich entschließen sollte, seine Thätigkeit fortzusetzen, da war meine Lage nicht eben eine leichte. Wenn ich die Aufgabe, die mir werden sollte, und meine eigenen Kräfte gegen einander abwog, so mußte ich letztere für ungenügend halten. Denn, meine Herren, Selbstüberschätzung ist kein nachhaltiger Ersatz für mangelnde Kraft, und wahre Bescheidenheit noch keine Feigheit. Den notwendigen Mut für ernste Dinge muß man anderswoher nehmen! Ich zögerte, ich schwankte. Indessen mein Wille war redlich, und voll Feuer einem unvergeßlichen Vater nachzustreben; ich suchte nicht das Schlaraffenleben der Nichtsthuer, denn ich war immer ein Freund der Arbeit, und werde[153] es bleiben; und so entschloß ich mich endlich. Was man aber mit Ernst anfaßt und mit voller Selbstentäußerung fortsetzt, gelingt zumeist. So ist es auch mir gegangen. Gott hat mir die Hand gegeben, und die verständigen Männer, deren Beihilfe ich mich erfreue, zuvörderst Herr Roth, haben treulich geholfen leiten und arbeiten. So war der Fortgang der Geschäfte ein glücklicher. Allen, die mich umstehen, und deren Thätigkeit sich der Aufgabe der J. G. Cottaschen Buchhandlung angeschlossen, danke ich bei dieser Gelegenheit aufrichtig und herzlich für ihre Mitwirkung. Ein gut Teil zum glücklichen Vollbringen dieser Aufgabe hat das Emporblühen dieser Werkstätte unter der gewandten energischen Leitung und dem feinen Geschmack des Herrn Hvaß beigetragen. Wenn ich sage, daß sie unter derselben sich von minder bedeutendem Anfang zu einem europäischen Ruf emporgeschwungen, so sage ich nicht mehr als wahr ist und fühle mich gedrungen, ihm dafür meinen aufrichtigen Dank auszusprechen. Diese Stellung des Geschäfts aber, an dem Sie teilnehmen, wird auch Ihnen Genugthuung gewähren, meine Herren. Und mit gerechtem Stolz auf Ihre Arbeit wird es Sie erfüllen, wenn ich sage, daß wir Ihre Kräfte nie in Anspruch genommen haben, noch nehmen werden, für Dinge, welche dem Christentum oder der guten Sitte zuwiderlaufen, oder dem bleibend Wahren, Schönen und Guten und der gesellschaftlichen Ordnung. Nur diesen Prinzipien sollen Sie und will ich für meinen Teil mit unsern Typen dienen, nach freier Wahl, als freier Mann und freier Herr meines Thuns. Und wenn Sie in diesem Dienst an Ihren Setzkästen oder an Ihren Pressen schwitzen, so glauben Sie ja nicht, daß ich mir zu Hause, die Schlafmütze über die Ohren gezogen, auf dem Sopha es behäbig mache. Da wäre ich kein würdiger Sohn meines Namens, nicht das Kind meines Vaters. Nein, meine Herren, ich teile mit Ihnen in meinem Geschäftsteil den Schweiß und die Mühen; ja Sie haben noch etwas vor mir voraus. Nun was denn? – ei! hie und da einen Blauen! Die Arbeit fliegt Niemand als schon gebratene Taube in den Mund, dafür hat Gott gesorgt, der da will, daß wir im Schweiße unseres Angesichts unser Brot essen. Sie muß mit Umsicht und Fleiß aufgesucht werden, wenn sie eine würdige sein soll; sie zu finden ist aber Sache des Glücks und des Segens von oben. Möchte es diesem Hause an solch würdiger Arbeit nie fehlen, die Ihnen und mir Ehre und Freude und Brot bringt; das ist mein Wunsch, und denselben zu verwirklichen, will ich meine Kräfte anstrengen, solange ich sie noch[154] habe. Indem ich Ihnen allen, zumal denen, die in fortgesetzter Widmung ihrer Kräfte schon seit Jahrzehenden diesem Hause treu geblieben sind, herzlich danke, trinke ich auf das Wohl Ihrer Familien und Ihrer selbst.«

Das vielverzweigte Cottasche Geschäft übernahm nach Georg von Cottas Tode Freiherr Carl von Cotta (geb. 6. 1. 1835, gest. 18. 9. 1888); es wurde 1889 an Adolf und Paul Kröner abgetreten, die es unter der Firma J. G. Cottasche Buchhandlung Nachfolger fortführten. Seit 1899 ist die Firma in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung umgewandelt worden.

Es bleibt uns noch übrig, die Verlagsproduktion der Firma in der neueren und neuesten Zeit kurz zu beleuchten. Besondere Sorgfalt wurde dem Klassikerverlage zugewendet. Die »Bibliothek der Weltlitteratur«, eine Sammlung der hervorragendsten Dichterwerke aller Völker, wurde in Gemeinschaft mit der Firma Gebrüder Kröner in Stuttgart ins Leben gerufen; ihr folgte die Bibliothek deutscher Geschichte, herausgegeben von H. von Zwiedineck-Südenhorst, und K. A. Schmids Geschichte der Erziehung. Neue sorgfältig bearbeitete Großoktavausgaben, zunächst von Goethes, Schillers und Uhlands Werken, wurden geschaffen, für minder bemittelte Kreise die »Cottasche Volksbibliothek« herausgegeben, aus der als Seitenstück zu den Oktavausgaben überaus wohlfeile Volksausgaben in Doppelbänden hervorgingen. In Anknüpfung an die alten Almanache des Verlags wurde der »Cottasche Musenalmanach« neu ins Leben gerufen.

Auch der Verlag von Musikalien wurde gepflegt, klassische und moderne Werke, auch für Schule und Unterricht wurden herausgegeben: Beethoven, Chopin, Clementi, Dussek, Field, Haydn, Hummel, Mendelssohn-Bartholdy, Mozart, Schubert, Weber; Schulen und Vortragsstücke für Klavier und Violine: Czerny, Lebert und Stark u. a.

Der langen Reihe glänzender Namen des Cottaschen Verlages wurde eine weitere Anzahl solcher hinzugefügt, so u. a.: Anzengruber, Bauernfeld, Busse, Claar, Falke, Fulda, Hehn, Kruse, Nissel, Paoli, Puttkamer. Um die modernen Erzeugnisse auf dem Gebiete der Erzählung und des Dramas dem Verlage in umfassenderem Maße zuzuführen, wurde die unter der Bezeichnung der Cottaschen »Gelben Bibliothek« bekannte Sammlung geschaffen, von deren Autoren hier nur genannt seien: Andreas-Salomé, Boy-Ed, von Ebner-Eschenbach, Eckstein, Fulda, Heer, Heyse, von Hillern, Hopfen,[155] Langmann, Paul Lindau, Rudolf Lindau, Loti, Mauthner, Müllenbach, Rostand, Stratz, Sudermann, Voß, Widmann, Wilbrandt, Wildenbruch.

Von neu gewonnenen Vertretern der Wissenschaft sind zu nennen: Franz Brentano, Lujo Brentano, Brunner, Bruckhardt, Busch, Evans, Friedjung, Gebhardt, Herm. Grimm, K. Th. Heigel, Jastrow, R. von Kaufmann, Loening, Loserth, Marcks, von Mayr, Meinecke, Minor, Piper, Riezler, Schiemann, W. Schultze, Steig, Thudichum, Winter, Wolf, Ziegler.

Ein neues wissenschaftliches fortlaufendes Unternehmen wurde in den Münchener volkswirtschaftlichen Studien, herausgegeben von Lujo Brentano und Walther Lotz begründet.

Durch Erwerbung aus dem Verlag von F. & P. Lehmann in Berlin wurden dem Geschäfte 1892 die Werke Hermann Sudermanns zugeführt. Von der Firma »Union Deutsche Verlagsgesellschaft wurden im Jahre 1891 die Lieder R. von Hornsteins, 1895 verschiedene Dichtungen von Wilhelm Hertz (beides ursprünglich Verlag von Gebrüder Kröner in Stuttgart) übernommen.

Gleichzeitig wurde mit der Firma das Verlagsgeschäft der Firma A. G. Liebeskind in Stuttgart (früher in Leipzig) vereinigt und ihr dadurch eine weitere Reihe hervorragender Autoren, so z. B. Baumbach, Fitger, Grasberger, Haushofer, Hans Hoffmann, Anna Ritter, Seydel, Trojan zugeführt.

Mit Vorliebe wurde die Veranstaltung billiger Lieferungsausgaben gepflegt, so von Anzengrubers, Auerbachs, Grillparzers, Rückerts Werken, von Sybels Geschichte der französischen Revolution u. s. w.

Der technologische Verlag wurde sorgfältig ausgebaut, im Jahre 1897 aber als von der Richtung des gesamten übrigen Verlages gar zu abweichend, an die Firma Arnold Bergsträßers Verlagsbuchhandlung ( A. Kröner) in Stuttgart abgetreten.

Ein besonderes Ruhmesblatt wurde der Geschichte des Cottaschen Verlags durch den Namen Otto von Bismarck hinzugefügt. Nachdem bereits 1892-1894 die große historisch-kritische Gesamtausgabe der politischen Reden des Fürsten Bismarck, besorgt von Horst Kohl, im Verlage von Cotta erschienen war, ist es ihr vergönnt gewesen, wenige Monate nach dem Tode des Begründers des Deutschen[156] Reiches dessen »Gedanken und Erinnerungen« erscheinen zu lassen.

Quellen: Zeitgenossen 1819; von Lupin, Biographien 1826; Neuer Nekrolog 1832; Allgemeine deutsche Biographie Band 4; Leipz. Litt. Ztg. 1833 (Wachsmuth); Börsenblatt für den deutschen Buchhandel 1834 uff.; Schäffle, Zum 100jähr. Andenken an J. Fr. von Cotta 1888; derselbe (in der Sammlung Führende Geister) Berlin 1895; Vollmer, Briefwechsel zwischen Schiller und Cotta 1876; Verlagskatalog 1882 und 1900.

Quelle:
Rudolf Schmidt: Deutsche Buchhändler. Deutsche Buchdrucker. Band 1. Berlin/Eberswalde 1902, S. 147-157.
Lizenz:
Faksimiles:
147 | 148 | 149 | 150 | 151 | 152 | 153 | 154 | 155 | 156 | 157

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Anatol / Anatols Größenwahn

Anatol / Anatols Größenwahn

Anatol, ein »Hypochonder der Liebe«, diskutiert mit seinem Freund Max die Probleme mit seinen jeweiligen Liebschaften. Ist sie treu? Ist es wahre Liebe? Wer trägt Schuld an dem Scheitern? Max rät ihm zu einem Experiment unter Hypnose. »Anatols Größenwahn« ist eine später angehängte Schlußszene.

88 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon