[199] Revolution von England, heißt in der Geschichte dieses Staats jene merkwürdige Epoche in der [199] Mitte des 17. Jahrhunderts, wo die königliche Macht unter Carl I. gestürzt und unter Cromwell eine republikanische, nachher willkührliche Regierung eingeführt, an deren Stelle zuletzt unter Carl II. die alte monarchische Verfassung wieder hergestellt wurde. Ihre Aehnlichkeit mit der Französischen Staatsumwälzung ist auffallend: beide hatten ihren Grund in dem stufenweise steigenden Mißvergnügen des Volks; beide kamen durch Schwächen und Fehler des Staatsoberhaupts zur Reife; beide führten, nach Stiftung einer Republik, den König als Verbrecher auf das Blutgerüst; und eben der tolle Freiheitsenthusiasmus, mit welchem die Jakobiner in Frankreich wütheten, beseelte in Großbritannien die Independenten. Doch verbreitete Englands Revolution ihre Wirkungen weit weniger in das Ausland; und die Religion hatte an der allgemeinen Zerrüttung einen sehr beträchtlichen Antheil, welches in Frankreich nicht der Fall war. Endlich können wir mit Gewißheit behaupten, daß die Englische Staatsumwälzung trotz aller ihrer Grausamkeiten immer noch weniger abscheulich und unmenschlich war, als die Französische.
Schon Jacob I., Carls I. Vorgänger, und der erste König aus dem unglücklichen Hause Stuart, legte durch seine Handlungen den Grund zur nachherigen politischen Katastrophe. Dieser pedantisch gelehrte, schwachsinnige und wankelmüthige Fürst, dessen ganze Regierung (von 1603 bis 1625) sich durch Zerrüttung der Finanzen, Anhänglichkeit an unwürdige Günstlinge und eine Menge Staatsfehler in innern sowohl als auswärtigen Geschäften auszeichnet, hielt die willkührliche Gewalt für erlaubt, und übte sie zum größten Mißvergnügen seiner freiheitliebenden Nation bei jeder Gelegenheit, besonders aber in Religionssachen aus. Ungeachtet die bischöfliche oder Episcopalkirche (ein Zweig der reformirten) in England die herrschende war, so begünstigte er doch aus Vorliebe die zahlreichen Katholiken, zwar nur insgeheim, aber doch sehr merklich, und bestrebte sich auf der andern Seite, vermöge einer aus seinem Wankelmuth leicht zu erklärenden Inconsequenz, der Episcopalkirche in Schottland mit Gewalt Eingang zu verschaffen, und die dasigen den größten Theil der Einwohner ausmachenden Presbyterianer (d. h. Reformirte, [200] die die Gewalt der Bischöfe und andre Grundsätze der Episcopalkirche verwarfen – s. d. Art. Dissenters) ihrer vom Staate anerkannten Gewissensfreiheit zu berauben, ohne jedoch etwas auszurichten. – Ihm folgte 1625 sein Sohn Carl I. der leider dem Hasse und Mißvergnügen noch mehr Nahrung gab, indem er auf dem von seinem Vater betretenen Wege fortfuhr1. Dieser unglückliche Monarch, der sich zwar durch Güte, Mäßigung und Menschenliebe auszeichnete, auch wirklich das Beste seines Volkes zur Absicht hatte, und in einem ruhigen Staate glücklich und vortrefflich regiert haben würde, besaß jedoch nicht die Klugheit, eine schon zur Empörung vorbereitete Nation zu beherrschen. Er war religiös, aber nicht frei von Aberglauben, auch stolz und von Vorurtheilen verblendet. Das tief in seiner Seele eingewurzelte System von Erlaubtheit der Willkühr übte er noch mehr als sein Vater aus, beging aus Hitze, Voreiligkeit und Unbeständigkeit manche unbedachtsame und rasche Handlungen, die er eben so schnell bereute und – wenn es nicht zu spät war – rückgängig machte, und ergab sich mit blinder Vorliebe unverständigen oder boshaften Günstlingen. Bei einem solchen Betragen mußte er bald allgemein verhaßt werden und es sich selbst zuschreiben, wenn jede seiner edeln Thaten aus dem ungünstigsten Gesichtspunkte betrachtet wurde. Da er auch, wie sein Vater, die Katholiken begünstigte, und durch schlechte Verwaltung der zerrütteten Finanzen sich zu Auflegung neuer Abgaben genöthigt sah, endlich auch in Religionssachen durch Neuerungen die Gewissensfreiheit kränkte; so beraubte er sich völlig des Zutrauens der Nation, und führte allmählich jene schreckliche Katastrophe herbei.
Gleich nach seinem Regierungsantritt schickte er den Franzosen Hülfe zur Unterdrückung der Reformirten in Rochelle (1625), und nahm sich nachher (1627) der Letztern bloß zum Schein und ohne Erfolg an, wobei er, oder [201] vielmehr sein Minister Buckingham, nur darauf bedacht war, den Unwillen der Nation und den Verdacht des heimlichen Katholicismus abzuwenden. Er hob ferner bis 1629 nicht weniger als drei Parlamenter auf, weil sie sich seinen Anmaßungen und gefoderten Abgaben widersetzten, ließ die Nation eilf Jahre lang ohne Parlament, und berief erst 1640 wegen Geldmangel ein viertes, das er noch in dem nehmlichen Jahre trennte, gab auch 1628 nur nothgedrungen seine Einwilligung zu der Petition of Rights, einem neuen Grundgesetze der Englischen Freiheit, welches Erläuterungen und Zusätze zur Magna Charta (s. d. Art. Th. 3. S. 16.) enthielt. Als er 1636 und 1637 in Schottland das bischöfliche System und eine neue an Cerimonien reiche Liturgie gewaltsam einführen wollte, auch deßhalb das widerspenstige Schottische Parlament aufgehoben hatte, entbrannte daselbst zuerst die Flamme der Empörung; denn die Schotten, als eifrige Presbyterianer, griffen vereint zu den Waffen (1638 und 1639), schlossen einen Bund zu Beschützung ihrer Gewissensfreiheit unter dem Namen Covenant, schafften den an einigen Orten schon vorhandenen Episcopat ganz ab, und nöthigten den König, ungeachtet seiner überlegnen Macht, dennoch zu einem Vergleich zu Dunbar (1639), in welchem ihnen ihre Rechte gesichert wurden. Diese Nachgiebigkeit Carls, der hier, so wie bei andern Gelegenheiten, seine Furcht vor Insurrectionen zu deutlich zeigte, machte nicht nur die Schotten noch kühner und reitzte sie zu Fortsetzung des Aufruhrs, sondern bewirkte auch, daß die Presbyterianer, die sich nun Puritaner (Anhänger der reinen Lehre) nannten, die Oberhand über die Episcopalen zu erlangen suchten. Auch die Engländer, aufgebracht über die Trennung des vierten Parlaments (1640), forderten ihre Rechte mit mehr Nachdruck; und der religiöse Fanatismus, der durch des Königs Tyrannei in Kirchensachen angefacht worden war, erwachte mit furchtbarer Wuth: alles verlangte drohend ein neues Parlament, um die Mißbräuche abzustellen. Carl sah sich endlich zur Nachgiebigkeit gezwungen; das fünfte Parlament wurde wirklich im November 1640 eröffnet, und diese Eröffnung macht zugleich den Anfang der Revolution aus. Die Puritaner bekamen darin sogleich die Uebermacht; [202] und die erste Thätigkeit desselben war wider den vortrefflichen und edeln Grafen von Strafford, Minister und vorzüglichsten Günstling des Königs, gerichtet den man allgemein, wiewohl ohne hinlänglichen Grund und uneingedenk seiner großen Verdienste um den Staat, für die Haupttriebfeder der königlichen Willkühr und Erpressungen hielt. Das Parlament verurtheilte ihn als Hochverräther zum Schwert; und Carl, der seinen Tod als das einzige Mittel zur Aussöhnung betrachtete, und überhaupt hierbei zu wenig Energie bezeigte, willigte endlich in seine Hinrichtung, 1641. Zugleich zwang ihm das Parlament die Versicherung ab, seine Sitzungen nicht eher als bis nach gänzlicher Wegräumung der Staatsmängel aufzulösen; und durch diese Erklärung war er selbst und die Monarchie so gut als verloren: denn König und Volk waren nunmehr in zwei völlig entgegengesetzte Parteien getheilt, von denen man nichts andres als einen auf gänzliche Vertilgung gehenden Kampf erwarten konnte; und wirklich führte auch das Parlament, welches wegen der langen Zeit seiner Dauer das langwierige und wegen seiner Handlungen das blutdürstige genannt wird, diesen Vertilgungskampf mit schnellen Schritten herbei. Es schaffte die Sternkammer, ein hohes weltliches Gericht, und die hohe Commission in geistlichen Sachen wegen ihres äußerst willkührlichen und anmaßlichen Verfahrens ab, und sicherte sich durch neue Einrichtungen die richterliche Gewalt, so daß dieselbe ganz vom König unabhängig ward. Die Schotten wurden Alliirte des Parlaments; und als der König im August 1641 selbst nach Schottland reiste und ihnen zu Wiederherstellung des Friedens alle Forderungen einräumte, ereignete sich unterdessen ein neues, von Carl I. sehr wahrscheinlich gar nicht verschuldetes Unglück, nehmlich das in Irland seit dem 23. Oct. 1641 ausgebrochene höchst grausame und allgemeine Blutbad über die Protestanten, wo nach der geringsten Zählung beinahe auf 40,000 Männer, Weiber und Kinder der Wuth der Katholiken aufgeopfert wurden. Das Parlament legte dem Könige die Anstiftung der Mordscene zur Last, und machte, als er, um sein Leben zu sichern, von London nach Hamptoncourt geflohen war eine Auseinandersetzung aller seiner Beschwerden unter dem Namen [203] Staatsremonstration bekannt, errichtete auch zu seiner Sicherheit eine besondere Garde. Carl, der nach diesen Schritten des Parlaments nur unter den größten Aufopferungen den Frieden erhalten zu können glaubte, trat zu Anfang des Jahrs 1642 die wichtigsten Majestätsrechte, besonders die Disposition über Landmiliz und Festungen, dem Parlamente ab, und verschaffte hierdurch demselben nicht nur die Seeplätze und die Oberherrschaft zur See, sondern beraubte sich selbst auch der Möglichkeit einer von auswärtigen Mächten zu erlangenden Hülfe. Ja er bewilligte dem Parlament sogar die Hebung der Einkünfte, ungeachtet es ihm selbst an Gelde fehlte, und unterzeichnete eine Bill, durch welche die Bischöfe vom Parlament ausgeschlossen wurden. Auch die Lords hatten allen Einfluß im Parlamente verloren, so daß bloß das Unterhaus, und in demselben die Presbyterianische Partei herrschte. Allein diese allzu große Nachgiebigkeit Carls I. gereichte vielmehr zu seinem Verderben, weil seine Ohnmacht zu sichtbar ward: und da theils der Hang des Volks zur Demokratie und die revolutionäre Gesinnung des Parlaments sich mit jedem Augenblicke furchtbar vermehrte, theils auch das letztere selbst in den Versprechungen des Monarchen keine zureichende Sicherheit für die Zukunft zu finden glaubte; so griff die Nation auf Veranlassung des Parlaments im Junius 1642 förmlich zu den Waffen, und auch der König mußte sich zum blutigsten Bürgerkriege rüsten. Carl hatte bei seiner eiligst gesammelten Armee zwar an seinem Schwestersohn Robert, Sohn des unglücklichen Churfürsten Friedrichs V. von der Pfalz, einen guten General, allein weder Geld noch ein zahlreiches Heer, indem fast nur Adeliche, eifrige Episcopalen und Katholiken, besonders Irländer, unter seinen Fahnen fochten, und der Prinz von Oranien, Statthalter in den Niederlanden, wegen seiner nahen Verwandtschaft ihn einiger Maßen unterstützte; das Heer des Parlaments hingegen, mit dem sich 1643 auch die Schotten ganz fest verbanden, war weit zahlreicher und mit guten Generalen und Gelde reichlich versehen. Mehrere Treffen, 1642 und 1643, blieben unentscheidend; und auch die 1643 mit dem Könige zu Oxford gepflogenen Friedensunterhandlungen, während welcher der Krieg immer fortgesetzt wurde, [204] gingen aus einander. Um dem Parlamente desto besser die Spitze zu bieten, versammelte Carl alle ihm getreue Lords und Gemeinen nach Oxford, 1644, und stiftete hier ein zweites Parlament, welches dem Londner zu Westminster entgegengesetzt war, und das letztere für unrechtmäßig erklärte. Jedoch erhielt das Londner Parlament die völlige Oberhand, als die Royalisten am 2. Julius 1644 bei Marstonmoor eine totale Niederlage erlitten, welche die Flucht der Königin nach Frankreich zur Folge hatte. Der König selbst sah sich zu demüthigenden Unterhandlungen genöthigt, die am 30. Januar 1645 zu Uxbridge eröffnet wurden, sich aber zerschlugen, weil das Parlament ihn zu einen bloßen Scheinkönig herabwürdigen wollte, und unter andern auch das Recht der Einwilligung zu Krieg und Frieden verlangte.
Während des Kriegs hatte sich Olliver Cromwell, (über den der Art. Cromwell biographische Nachrichten liefert) Deputirter des Parlaments und Untergeneral, in der Folge aber Hauptcommandeur der Truppen desselben, durch Kriegsruhm, Muth, Staatsklugheit, Verstellung und schwärmerische Religiosität einen großen Einfluß erworben, welcher durch häufige Siege, noch mehr aber durch eine neue erst jetzt aufgestandene und sehr zahlreiche politisch-religiöse Partei, an deren Spitze er sich stellte, ungemein zunahm. Diese Partei, die sich In, dependenten (Unabhängige) nannte, entstand aus den Calvinisten, läugnete, wie die Puritaner, die Gewalt der Bischöfe, aber zugleich jede Gewalt des Staats über die Kirche im Staate, alle festbestimmte Glaubensbekenntnisse und Liturgie, und überließ sich bloß den Eingebungen der höchsten Schwärmerei, ward aber in politischer Rücksicht sehr gefährlich, da sie die königliche Gewalt für unrechtmäßig erklärte, und mit toller Wuth eine auf Gleichheit des Standes und der Rechte gegründete Republik verlangte Während des Wachsthums dieser Partei wurde der König aufs neue am 14. Juni 1645 bei Naseby gänzlich geschlagen, und erlitt nachher noch mehrere Unglücksfälle. Schon sah er sich aller Mittel zur fernern Subsistenz beraubt, und ergab sich, um den Engländern zu entgehen, freiwillig den Schotten (1646); diese aber waren niederträchtig genug, ihn für 400 000 Pfund Sterling dem Parlamente auszuliefern, welches ihn zu Holmby gefangen setzte. Seine [205] Herrschaft war nunmehr für völlig geendigt anzusehen: schon nannte sich der Staat die Englische Republik; und selbst die sich entgegen arbeitenden Factionen unter den Feinden der Monarchie trugen, weit entfernt ihn zu retten, nur noch mehr zu seinem harten Schicksale bei. Die Independenten bekamen nehmlich jetzt durch Cromwell, der die Armee auf seiner Seite hatte, die Oberhand über die Partei des Parlaments, errichteten einen Kriegsrath, der mehr als das Parlament vermochte, bemächtigten sich der Person Carls I. (1647), brachten ihn nach Hamptoncourt, und setzten ihn, als er dem Arrest entflohen und auf der Insel Wight entdeckt worden war, zu Ende dieses Jahres in noch engere Verwahrung. Diese Anmaßungen der Independenten, verbunden mit der schimpflichen Behandlung des Königs, bewirkte, daß die Royalisten, besonders aber die Schotten und Walliser, 1648, den König mit gewaffneter Hand zu retten versuchten; und auch das Parlament knüpfte, um den günstigen Zeitpunkt zur Wiedererlangung seiner Herrschaft nicht vorbeieilen zu lassen, zu Newport Unterhandlungen mit dem Könige an. Allein Cromwell überwältigte 1648 alle zu Carls Befreiung anrückende Heere, und brach die Conferenzen zwischen dem Parlament und Könige ab, die wirklich schon so glücklich von Starten gegangen waren, daß außer dem Episcopate, worin Carl I. schlechterdings nicht nachgeben wollte, fast kein Streitpunkt mehr vorhanden war. Cromwell siegte nun auch über das Parlament, entfernte daraus die ihm gefährlichen Puritaner, ließ viele verhaften (welches er eine Parlamentsreinigung nannte), und reducirte die ganze Versammlung bloß auf etliche funfzig Personen, die den Abschaum des schwärmerischen Pöbels ausmachten, und sich zu den alleinigen Repräsentanten der Republik aufwarfen (d. 6. Decemb. 1648). Mit dieser wüthenden und blutdürstigen Rotte beschloß er die Ausführung eines schon 1647 von Ireton vorgeschlagenen schwarzen Plans, nehmlich den entthronten Monarchen durch einen förmlichen Prozeß zum Tode zu verurtheilen. Es wurde also im Januar 1649 von Cromwell und dem Parlamente ein hoher Justizhof von 133 Personen (von denen aber sehr viele nicht erschienen) deputirt, und Carl von seinem Verhaftsorte Hurst nach London gehohlt, wo man ihn als [206] bloßen Privatmann unter dem Namen Carl Stuart in drei verschiedenen Sitzungen, den 20. 22. und 23. Januar, vorführte. um sich zu verantworten. Man klagte ihn an, daß er Tyrann, Verräther, Mörder und öffentlicher unversöhnlicher Feind der Nation sei, brachte zum Schein einige Beweismittel und Zeugen bei, und bezog sich auf seine Staatshandlungen. Der unglückliche Monarch zeigte die rühmlichste Standhaftigkeit; denn ohne sich auf die Anklage einzulassen, berief er sich auf seine Majestät, und behauptete, daß die Versammlung nicht das Recht habe, über ihn zu richten. Allein sein Tod war zu fest beschlossen; am 27. Januar empfing er das Todesurtheil, und schon am 30. Jan. wurde er vor dem Residenzschlosse Whitehall öffentlich enthauptet. – Ein so schändlicher Justizmord verdient, ungeachtet ihn der große Dichter Milton sehr vertheidigte, dennoch den gerechtesten Abscheu, wenn man gleich nicht läugnen kann, daß Carl sein ganzes Unglück selbst verschuldet, und durch die Bedrückungen in politischen und Religionssachen seine Feinde zu der blutdürstigsten Wuth gegen sich entflammt hatte. Er war allerdings ein größerer Despot als Ludwig XVI. allein seine Handlungsart war nicht das Werk des bösen Willens, sondern vielmehr ein Erzeugniß seiner von Jugend auf eingesogenen irrigen Grundsätze, mit denen sich Mangel an Klugheit. Schwächen des Charakters und das unglücklichste Zusammentreffen von Umständen verbanden.
Großbritannien, welches sich nun eine Republik nannte, im Grunde aber eine völlig revolutionaire und regellose Regierung hatte, die nur in den Händen der Armee und ihrer Befehlshaber war, mußte nunmehr nothwendig, wenigstens dem Scheine nach, eine demokratische Gestalt erhalten. Das Unterhaus, welches von Cromwell und der Armee abhängig, an der Spitze aller Geschäfte stand, ergänzte sich daher durch die Wahlen neuer Repräsentanten, und wuchs wieder zu einem ordentlichen Parlament empor, welches jedoch, weil das Oberhaus fehlte, spottweise das Rump-Parlament (Rumpf ohne Kopf) hieß. Huldigungseid, Wapen und viele andere Gegenstände wurden republicanisirt und an einer neuen rein demokratischen Constitution gearbeitet, die aber nicht zur Ausführung kam. Die Juländer [207] ergriffen für Carls I. Sohn, der jetzt im Haag war, 1649 die Waffen, wurden aber von Cromwell gänzlich unterjocht. Auch die Schotten versuchten die königliche Gewalt herzustellen, indem der Marquis von Montrose 1650 eine Gegenrevolution hervorbrachte, und das Schottische Parlament den Prinzen, nachdem er den Covenant unterzeichnet hatte, unter dem Namen Carl II. zum Könige ausrief. Carl landete in Schottland; seine Truppen wurden aber den 3. Septbr. 1650 bei Dunbar, und 1651 an dem nehmlichen Tage, als er nach bereits am 1. Januar empfangener Krönung in England vorgedrungen war, bei Worcester geschlagen: und die letztere Niederlage zerstörte alle seine Hoffnungen. Nur mit äußerster Lebensgefahr und unter den seltsamsten Abenteuern gelang es ihm, verkleidet nach Frankreich zu entfliehen. Schottland wurde von Cromwell, der jetzt alleiniger Chef der Englischen Armee war, unterjocht, und 1652 mit England in eine Republik und ein Parlament vereinigt, eigentlich aber, so wie Irland, als erobertes Land beherrscht. Auch die außer Europa gelegenen Englischen Nebenländer erkannten die Republik an. Cromwell, der sich bisher durch Muth und Klugheit sehr hervorgethan, und sein Uebergewicht sowohl durch die Armeen als durch religiöse Schwärmerei, Verstellung und alle Künste der Politik zu behaupten gewußt hatte, zeigte jetzt ganz die Größe seines Geistes durch Stiftung der berühmten Navigationsacte (1651) (s. dies. Art. Th. 3. S. 223.), welche den wahren Grund zum Wachsthum und nachherigen Uebergewicht der Englischen Handlung und Seemacht legte, indem dadurch die Zahl der Matrosen, Kriegs- und Kauffartheischiffe ungemein vermehrt wurde. Die vereinigten Niederlande, die sowohl durch den Nachtheil, in welchen ihre Handlung durch die Acte versetzt wurde, als auch durch die den Stuarten geleistete Unterstützung in Mißhelligkeiten mit der Englischen Republik gerathen waren wurden von England mit Krieg überzogen (1652). Ungeachten die großen Admirale Ruyter und Tromp die Englischen Flotten schlugen, so blieb doch das Kriegsglück abwechselnd; und England erfocht zuletzt einen rühmlichen Frieden (1654), kraft dessen beide Staaten eine Defensivallianz schlossen, und die Niederlande die Verbannung Carls II. und seiner [208] Anhänger aus ihrem Lande versprachen, welche auch nachher erfolgte.
Noch während dieses Kriegs hatte Cromwell sich bereits der Alleinherrschaft zu bemächtigen gewußt. Denn er jagte 1653 den 20. April das Parlament, welches zu einer Constitution wenig ernsthafte Anstalten machte, durch Soldaten aus einander, und berief willkührlich ein neues, welches von einer Hauptperson in demselben, dem Lederhändler Barebone, das Bareboneparlament, und von der auf den höchsten Punkt gestiegenen religiösen Schwärmerei seiner Mitglieder das fromme heißt. Allein nach wenigen Monathen gab es seine Gewalt theils freiwillig, theils genöthigt dem Kriegsrath zurück; dieser aber entwarf in kaum vier Tagen mit größter Eilfertigkeit eine Cromwells Wünschen völlig angemessene Constitution, durch welche er am 12. Decbr. 1653 zum Protector der Republik auf Lebenszeit ernannt wurde. Er vereinigte unter diesem Titel alle Rechte, die nur jemahls ein König von England besessen hatte; und bloß um den Schein einer despotischen Verfassung zu vermeiden, hatte ihn die Constitution verpflichtet, alle drei Jahre ein Parlament zu versammeln, dessen Sitzungszeit auf fünf Monathe bestimmt war, und einen Staatsrath sich an die Seite zu setzen, der in der Zwischenzeit, wo kein Parlament war, die Regierungsgeschäfte mit ihm theilen sollte, im Grunde aber bloß aus seinen Creaturen bestand. Der neue Protector berief nun zwar am 3 Septbr. 1654 ein Parlament aus allen drei Reichen, hob es aber, da es die Rechtmäßigkeit seiner Protectorwürde freimüthig bezweifelte, am 22. Jan. 1655 nach einer sehr trotzigen Rede, während welcher Soldaten vor die Thüren gestellt wurden, wieder auf. Da die Armee wegen ihrer zu großen Macht und aufrührerischen Gesinnung ihm selbst gefährlich zu werden anfing, wußte er sich durch eine neu errichtete beständige Armee (1656) ein bedeutendes Gegengewicht gegen dieselbe zu verschaffen, und machte auch, um das Andenken an die Verfassung unter den Königen desto mehr zu verdrängen, eine neue Eintheilung Englands in eilf Gouvernements. Endlich trugen eine Menge besoldeter Spione sehr viel dazu bei, seine usurpirte Herrschaft gegen jede neue Unternehmung zu beschützen. In der That wären aber weder diese willkührlichen [209] Maßregeln noch selbst seine Gerechtigkeitsliebe und übrigen Regententugenden im Stande gewesen, seine Gewalt gegen das Mißvergnügen der Nation sowohl als der Truppen zu sichern, wenn er nicht durch einen Krieg, den er von 1655 bis 1658 in Vereinigung mit Frankreich gegen Spanien glücklich führte, die Nation von außen zu beschäftigen und von Revolutionen im Innern abzuleiten gesucht hätte. Ein zweites von ihm im September 1656 berufenes Parlament trug ihm sogar die Krone an (1657, d. 9. April). Aus Politik jedoch und auch aus Furcht vor den gemeinen Soldaten, so wie auf Anrathen seiner Freunde schlug er sie aus, wußte aber auch diese Gelegenheit zu Vergrößerung seines Ansehens zu benutzen, indem er eine abermahlige Constitution durch das Parlament aufsetzen ließ, welche für immer das Grundgesetz der Republik sein sollte, und ihm selbst unter andern neuen Rechten auch die Befugniß ertheilte, seinen Nachfolger in der Protectorwürde selbst zu ernennen (worüber er sich jedoch nie, auch sogar bei seinem Tode nicht, bestimmt erklärte). Die nehmliche Constitutionsacte gab ihm das Recht, ein neues Oberhaus zu ernennen, welches auch gestiftet wurde, und ein beständiges festgesetztes Einkommen. Allein schon 1658 den 4. Febr. hob er das Parlament auf, da es ihm nicht unbedingt gehorchte. Es vergrößerte sich jedoch die Zahl seiner öffentlichen und geheimen Feinde und der Mordplane gegen ihn immer mehr; und sein eignes Herz verursachte ihm unaufhörlich die peinlichste Furcht und Unruhe, so daß er, um sich vor Verschwörung und Meuchelmord zu sichern, in die lächerlichsten Ungereimtheiten verfiel. Höchst wahrscheinlich war er auch schon ziemlich nahe am Ziele seiner Rolle, als der Tod am 3. Septbr. 1658 seinen fernern Unternehmungen zuvorkam, wodurch zugleich das ganze von ihm aufgeführte Gebäude wankend gemacht wurde. Denn obschon sein ältester sehr tugendhafter und von Leidenschaften unverdorbner Sohn, Richard Cromwell, als Protector vom Staatsrathe ausgerufen wurde: so war doch dieser zu unentschlossen und geistlos, und die Staatsverfassung noch viel zu wenig fest gegründet, als daß er sich nebst dem neu berufenen Parlamente gegen die Armee hätte behaupten können; denn die Generale Fleetwood, Lambert und mehrere zogen 1659 gegen ihn zu Felde, nöthigten ihn am 22. Apr. seine kaum 8 Monathe behauptete [210] Protectorstelle niederzulegen, und versammelten wieder das alte Rump-Parlament. Allein sie trieben es selbst am 13. October wieder aus einander, und gaben die höchste Gewalt an dessen Stelle einer den 26. Oct. gestifteten Sicherheitscommission. Diese bürgerlichen Unruhen, wobei nur das Recht des Stärkern den einstweiligen Besitz der Republik entschied, würden vielleicht noch sehr lange gewüthet haben, wenn nicht der General Georg Monk, Statthalter von Schottland, eine Gegenrevolution hervorgebracht hätte, die anfänglich bloß wider Lambert gerichtet war, und das Parlament wieder in seine Rechte einsetzen sollte, nachher aber das Königthum aufs neue herbeiführte. Monk rückte nehmlich 1659 nach England ein, zog, nachdem schon vor seiner Ankunft die Sicherheitscommission unterdrückt und das Rump-Parlament hergestellt worden war, in London ein, wurde Oberbefehlshaber der ganzen Kriegsmacht, hatte auch die Flotten völlig auf seiner Seite, und setzte die von Cromwell ehemahls aus dem Parlament vertriebenen Presbyterianer wiederum in dasselbe ein. Auf sein Anrathen hob sich jedoch das Parlament am 16. März 1660 selbst auf, und schrieb zugleich die Wahlen zu einem neuen und freien, aus zwei Kammern bestehenden Parlamente aus. Nun erklärte sich Monk, der bisher alles dazu vorbereitet hatte, öffentlich für die Monarchie. Das neue Parlament, dessen Seele er war, rief wirklich schon am 8. Mai Carl II. zum Könige aus, der sogleich nach den Niederlanden, wo man ihn nun aufs neue aufnahm, reiste, und am 29. Mai ohne den geringsten Widerstand in London einzog. Alle Einrichtungen und Gesetze des langwierigen Parlaments und Cromwells wurden umgestoßen, jedoch mit Ausnahme der Navigationsacte; und, um den Staat desto schneller zu beruhigen, wurde eine Generalamnestie für alle Anhänger der Revolution publicirt, von welcher nur diejenigen ausgenommen waren, die an Carls I. Ermordung unmittelbaren Antheil gehabt hatten. Jedoch wurden auch von diesen nur wenige hingerichtet; und die während der Revolution eingezogenen Güter der Royalisten verblieben, um Unordnungen zu vermeiden, in der Hand der neuen Besitzer. Man nennt diese Periode Restauration (Wiederherstellung), welchen Namen sie um so mehr verdient, [211] da ganz die alte Verfassung, wie sie vor dem langwierigen Parlament und Cromwelln war, hergestellt, und nur in einigen minder wesentlichen Dingen, so wie in den Finanzen, einige Abänderung und Erleichterung getroffen wurde. Denn es wurde das Episcopalsystem der Kirche in England und sogar in Schottland wieder eingeführt, ungeachtet Carl II. in Rücksicht des letztern vormahls den Covenant unterzeichnet hatte; auch schrieb man dem Könige keine Capitulation vor, die seine Willkühr hätte in Schranken halten können: und da er nicht nur eben so despotisch als sein Vater, sondern auch wollüstig und verschwenderisch war, so gerieth das ohnehin durch fast zwanzigjährige Kriege erschöpfte Land in neue Bedrängnisse, die noch durch Carls große Anhänglichkeit an den Katholiken vermehrt wurden. Eine wesentliche Veränderung war jedoch diese, daß dem König zu Bestreitung der Reichsausgaben und des Hofstaats jährlich 1,200,000 Pfund Sterling auf Lebenszeit ausgesetzt wurden. Diese festgesetzten Einkünfte, welche jedoch unter den folgenden Königen in Rücksicht auf die Summe anders bestimmt wurden, nennt man die Civil-Liste (Civil-List).
1 Ueber ihn ist schon Th. 1. S. 227. wiewohl mit einiger Abweichung vom Gegenwärtigen, gesprochen worden. Was daselbst von Carls übrigen Leben und Handlungen gesagt wird, gehört nicht hierher; was aber die Revolution angeht, wollen wir hier etwas genauer und vollständiger anführen.
Adelung-1793: Revolution, die · England
Brockhaus-1809: Revolution von Nordamerika · Revolution von Pohlen · Revolution von Frankreich · Revolution von Frankreich · Das Parlament in England · England
Brockhaus-1837: Revolution · England
Brockhaus-1911: Bank von England · Französische Revolution · Revolution · New England · Bank of England · England
DamenConvLex-1834: Isabelle, Königin von England · Katharina, Königin von England · Heinrich VIII., König von England · Henriette Marie, Königin von England · Maria I., Königin von England · Sophie Charlotte, Königin von England · Wilhelm I., König von England · Maria II., Königin von England · Mathilde, Königin von England · Elisabeth, König Heinrich's VII. von England Gemahlin · Elisabeth, Königin von England · Anna von England · Eleonore, Königin von England · England (Geographie) · England (Frauen) · England (Poesie und Literatur) · England (Musik) · England (Moden) · England (Geschichte) · England (Kochkunst) · England (Kunst)
Herder-1854: Revolution · England
Meyers-1905: Französische Revolution · Revolution · New England · Bank of England · Jung-England · England · Commonwealth of England
Pierer-1857: Englische Revolution · Französische Revolution · Griechische Revolution · Synodische Revolution · Belgische Revolution · Revolution · Kreuztragende Brüder in England · New England · Neu-England · England [1] · Dreißigjähriger Krieg in England · England [2] · Jung-England · England [3]
Buchempfehlung
Stifters späte Erzählung ist stark autobiografisch geprägt. Anhand der Geschichte des jungen Malers Roderer, der in seiner fanatischen Arbeitswut sich vom Leben abwendet und erst durch die Liebe zu Susanna zu einem befriedigenden Dasein findet, parodiert Stifter seinen eigenen Umgang mit dem problematischen Verhältnis von Kunst und bürgerlicher Existenz. Ein heiterer, gelassener Text eines altersweisen Erzählers.
52 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.
444 Seiten, 19.80 Euro