England (Kunst)

[426] England (Kunst). (Kunst) Wie sich überhaupt im Süden die Blüthe der Kunst schneller und kräftiger zu prangenden Blumenkelchen und gedeihlichen Früchten entwickelt und ausgebildet hat, so hat sie in dem feuchten, düsterumnebelten Britannien ein wahres Heimathland nie finden können, und wenn gleich uns Erscheinungen begegnen werden, die den erfreulichen beizuzählen sind, so sind diese im Allgemeinen weniger als die Resultate einer nationellen Kunstliebe und eines gesammten gleichmäßigen Fortschreitens in derselben anzusehen, als vielmehr für einzelne Ausnahmen von der so eben aufgestellten Behauptung zu halten. Durchaus weit glänzender, als das Gebiet der Kunst erscheint der reiche Garten der englischen Literatur (s. d), noch weniger Erhebliches dagegen bietet die englische Musik (s. d.). Was zuerst die Baukunst anlangt, so finden sich hochberühmte Trümmer von Druidentempeln und kalcedonischen Säulen aus der frühesten Vorzeit des Landes, und aus der Römerzeit kostbare Ueberreste von Tempeln, Theatern, Brücken und Palästen. Mit den Angelsachsen entstand ein selbstständiger, eigenthümlicher Kunststil, und eine höhere Kultur begann sich über das gesammte Kunstgebiet zu verbreiten; namentlich bietet Irland höchst interessante Erscheinungen von alten Gebäuden, wogegen sich irische Malereien und Skulpturen nur sehr spärlich erhalten haben. In England blühte die Baukunst vorzüglich unter Heinrich II. nach seinem Beispiele entstanden im Laufe der Zeit jene zahllosen Paläste, deren zum Theil kolossale Bauwerke durch die Provinzen zerstreut sind, und viele prächtige Kirchen, größentheils[426] im gothischen Geschmack. Die Bildhauerkunst ward hauptsächlich durch Heinrich III. angeregt, der den Bau von Westminster vollendete; nach seinem Vorbild wetteiferten Bischöfe und Adel in der Ausschmückung der Kirchen; das Grabmal Eduard's des Bekenners in der Westminsterabtei ist das bedeutendste Denkmal aus jener Zeit; schöne Bildsäulen aus dem 14. Jahrhundert rühren von Italienern her. Unter Heinrich VIII. lebten die berühmten Bildhauer Chaucer und William von Wyckeham, und viele Ausländer wurden von ihm beschäftigt; ebenso zog Karl I. viele fremde Künstler an seinen Hof, welcher einer der feinsten und gebildetsten in Europa war. Unter Anna's, Georg's I. und II. Regierung geschah Wenig für die Kunst; eine schönere Epoche erschien ihr unter Georg III., wo sie freigebig von der gesammten Nation unterstützt zu werden anfing. Vor Allen ist unter den Bildhauern Flaxman zu nennen, unter den Lebenden verdienen Chantry, Macdonald, Carew Erwähnung. – Die Malerkunst hat sich in England erst im vergangenen Jahrhundert zu einiger Selbstständigkeit ausgebildet, und wurde vorher seit der Reformation fast ausschließlich von Ausländern betrieben. Von dieser Zeit finden sich viele Glasmalereien von hoher Vortrefflichkeit und am frühesten gestaltete sich der Geschmack in der Miniatur- und Portraitmalerei. Heinrich III., Eduard I., Richard II. begünstigten die Künste, ebenso Heinrich VIII., doch blieben sie sämmtlich und namentlich die Malerei in den Händen der Fremden, Holbein's Werke waren die gesuchtesten. Karl I. rief Rubens und Van Dyk an seinen Hof, neben ihnen fanden auch die Werke des Schotten G. Jameson Anerkennung, und in Miniaturen war D. Hoskins ausgezeichnet. Die Historienmalerei gelangte erst mit dem Anfange des 18. Jahrhunderts zu einiger Ausbildung; G. Thornhill ist zu nennen Der erste wahrhaft originelle Maler war W. Hogarth; eine durchaus entgegengesetzte Richtung verfolgte bald nach ihm Reynolds. Berühmte Ausländer, die in England wirkten, waren Cipriani, A.[427] Kaufmann (s. d.), vorzügliche Landschaftsmaler G. Wilson, B. West; in Seestücken leistete J. Loutherbourg, in Genrebildern G. Morland Vortreffliches: tüchtige Arbeiten in Glas lieferten um diese Zeit Jarvis und Eginton. Den Preis vor Allen hatte immer die Bildnißmalerei, und darin hat England den größten Künstler, den jüngstverstorbenen Thomas Lawrence, mit gerechtem Stolze zu nennen; neben ihm verdienen J. Jackson, G. Dawe, und als Genremaler D. Wilkie und R. Leslie Erwähnung. Callot, Glover, als Landschaftsmaler, Wild, Prout, als Aquarellmaler, Harding, Davis in Miniaturen haben hohe Anerkennung gefunden. Die Kupferstecherkunst, durch Th. Worlidge, der in Rembrandt's Manier radirte, bereits bedeutend ausgebildet, erhielt einen großen Aufschwung, durch die Shakespeare Galery, deren Herausgabe John Boydell besorgte. Seitdem haben die englischen Kupferstiche jederzeit für die besten gegolten, und dieser Ruhm ist in neuester Zeit, nachdem die Stahlstiche so beliebt geworden sind, auch auf diese übergegangen. Zu den Künstlern, die hier erwähnt werden müssen, gehören Green, Webber, der die berühmten Cartons von Rafael in vortrefflichen Blättern lieferte, Finden, Goodall, Le Keux. Die Fortschritte in der Lithographie sind hinter denen in Frankreich nicht zurückgeblieben; dagegen hat die Holzschneidekunst von England aus eine fast allgemeine Verbreitung gewonnen, und wenn auch deutsche Künstler höchst anerkennungswerther Arbeiten sich rühmen dürfen, so stehen doch die Namen der englischen Künstler dieses Faches: Bewick, Hood, Clenell, Nesbit noch immer weit höher. – Was nun endlich die Schauspielkunst der Engländer anlangt, so hat dieselbe seit langer Zeit eine hohe Stufe wahrhaft künstlerischer Ausbildung erreicht. Die Momente, welche eine solche erfreuliche Blüthe hervorrufen mußten, sind sehr zahlreich, und wir beschränken uns, anzudeuten, wie schon seit Heinrich VIII. die größere literarische Regsamkeit, welche sich äußerte, auf die dramatische Kunst einen fördernden Einfluß übte, wie eine nationelle Selbstständigkeit,[428] unabhängig von den hemmenden Fesseln der Lehre des Aristoteles, sich sehr frühzeitig ausbildete, wie es ferner ein britischer Genius war, durch welchen dem Theater eine neue Welt eröffnet wurde, und endlich, wie von jeher große Talente zur Entwickelung der geheimeren Tiefen der Kunst beitragen müßten. Einen europäischen Ruf unter den ausübenden Künstlern erwarben vor Allen Garrik, dann Quin, Foote, Kemble, und die Damen O Neil, Bellamy u. A. (Vgl. die betr. Art.)

X.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 3. [o.O.] 1835, S. 426-429.
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