Robespierre der jüngere

[297] Robespierre der jüngere, war der Bruder des vorigen, und gleichfalls auf Kosten des Bischofs von Arras erzogen worden. Er suchte den Ruhm seines Bruders auf alle Art auszubreiten, und war ihm von ganzem Herzen ergeben. Das Pariser Departement wählte ihn gleichfalls zum Conventsdeputirten; er war aber selten lange im Convent, sondern bekam immer Aufträge bei den Armeen auszurichten. Auf diesen Sendungen erlaubte er sich viele Gewaltthätigkeiten und Bedrückungen; er stand daher nicht in dem allgemeinen Rufe der Unbestechlichkeit, worin sich sein älterer Bruder zu erhalten wußte. Gegen seine leibliche Schwester handelte er treulos, und ermunterte seinen Bruder, sie aus dem Wege schaffen zu lassen, nachdem sie es gewagt hatte, diesem [297] über sein tyrannisches Betragen Vorwürfe zu machen. Ueberhaupt zeigt sein ganzes Betragen, daß sein Charakter nicht besser war, als der Charakter seines Bruders. Man arretirte ihn daher zugleich mit diesem; er entfloh aber nach dem Gemeindehause, und wagte, da ihm kein Mittel zur Rettung mehr übrig blieb, einen Sprung durch ein Fenster. Er stürzte herab und zerschmetterte sich ein Bein. Bis auf den letzten Augenblick seines Lebens betheuerte er die Unschuld seines Bruders und seine eigne, und frohlockte, daß es ihm vergönnt sei, als freier Mensch zu sterben. Er erklärte öffentlich einige Mitverschworne für feige Verräther, welche zu den Gegnern seines Bruders übergegangen wären und ihnen alle Geheimnisse mitgetheilt hätten; es fehlt aber bis auf den heutigen Tag an vollkommnen Aufklärungen dieser Geheimnisse. Zwar setzte der Convent eine eigne Commission nieder, welche die nachgelaßnen Papiere der Verschwornen untersuchen mußte, und der Repräsentant Courtois stattete im Namen dieser Commission darüber am 5. Januar 1795 einen weitläuftigen Bericht ab, der gedruckt, und auch bei uns durch eine gute Uebersetzung bekannt worden ist; aber die Hauptsache bleibt immer dunkel: die meisten Documente beziehen sich bloß auf das Schreckenssystem überhaupt, welches doch bekanntlich nicht von Robespierre allein begünstigt oder gesetzlich eingeführt wurde. Die eigentliche Relation des Courtois ist in einem sehr declamatorischen Styl abgefaßt, der beinahe absichtlich scheint gewählt worden zu sein, weil bei einer nackten Darstellung der Thatsachen mancher noch lebende Beförderer des Schreckensystems hätte compromittirt werden können. Wahre Aufklärung über den Gang der Intrigue in den damahligen Ausschüssen kann nur von dem Laufe der Zeit erwartet werden.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 4. Amsterdam 1809, S. 297-298.
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