[30] Robespierre (spr. robbespjǟr'), 1) Maximilien Marie Isidor, eigentlich de R., einer der hervorragendsten Männer der französischen Revolution, geb. 6. Mai 1758 in Arras, gest. 28. Juli 1794, ließ sich in seiner Vaterstadt als Advokat nieder. Seine lebhafte Beteiligung an den literarischen Bestrebungen bewirkte seine Ernennung zum Präsidenten der Akademie von Arras. 1789 als Deputierter von Arras in die Nationalversammlung gewählt, spielte er anfangs eine untergeordnete Rolle. Indes seine Keckheit und Zähigkeit und der ihn begleitende Ruf der Unbestechlichkeit verschafften ihm allmählich Achtung und Einfluß. Zugleich trat sein argwöhnischer, mißtrauischer Charakter hervor, namentlich in seinen Reden im Jakobinerklub, dessen Präsident er 1790 wurde. Das Königtum bekämpfte er seit der Flucht des Königs, den er fortan als Verräter betrachtete. Der verhängnisvolle Beschluß, daß kein Mitglied der Konstituierenden Versammlung in die Legislative gewählt werden dürfe, war sein erster großer parlamentarischer Erfolg. Nach dem Schluß der Konstituante (30. Sept. 1791) wurde R. einer der populärsten Revolutionsmänner. Er zog damals in die einfache Wohnung des Tischlers Duplay, dessen Tochter Lenore seine Geliebte wurde. R. wirkte als öffentlicher Ankläger beim Tribunal von Paris, welches Amt er jedoch im Mai 1792 niederlegte, und als Redner im Jakobinerklub, den er ganz beherrschte. Seit den Wahlen zum Nationalkonvent galt R. als der Stimmführer der großen radikalen Partei, welche die Revolution bis zu allen ihren Konsequenzen durchzuführen entschlossen war, und war Haupturheber der Verurteilung und Hinrichtung des Königs. Hierauf benutzte er seine einflußreiche Stellung zum Sturz der Gironde (Anfang Juni 1793) und nahm unter dem Eindruck des die Katastrophe begleitenden Schreckens als leitendes Mitglied des Wohlfahrtsausschusses faktisch die Diktatur in die Hand. Jetzt in der Lage, sein Ideal, die Wiedergeburt der Gesellschaft und die Herrschaft der Tugend, zu verwirklichen, scheute er kein Mittel, dies zu erreichen; die blutige Vertilgung des alten verderbten Geschlechts der Verräter und Verschwörer schien ihm vor allem notwendig. Um allein zu herrschen, wandte er sich gegen seine bisherigen Helfershelfer und brachte Hébert (24. März 1794), Danton und die Cordeliers (5. April) sowie Chaumette (13. April) auf das Schafott. Nun schien ihm niemand mehr bei Ausrichtung seiner Herrschaft im Wege zu stehen; die Würde und Machtbefugnis eines Hohenpriesters der demokratischen Idee war das Ziel seines ehrgeizigen Strebens. Den ersten Schritt zu dessen Erreichung bezeichnete seine Erklärung im Mai 1794, daß das französische Volk an ein höchstes Wesen glaube. Als er aber auch jetzt mit den blutigen Schreckensmaßregeln fortfuhr, gab die Furcht seinen Gegnern und Rivalen Mut zu geheimer Verständigung, und so stieß R. im Wohlfahrtsausschuß auf unerwartete Opposition. Um einen vernichtenden Schlag auf seine Gegner zu führen, denunzierte R. 8. Thermidor (26. Juli 1794) vor dem Konvent ein Komplott, das auf dessen Spaltung hinarbeite. Aber 9. Thermidor (27. Juli) ließen Robespierres Gegner[30] ihn nicht zu Wort kommen. Tallien hielt eine feurige Anklagerede gegen ihn, und ein Mitglied wagte den Antrag auf Robespierres Verhaftung, die nebst der Couthons und Saint-Justs sofort dekretiert wurde. R. ward nach dem Luxembourg gebracht, vom Volk aber mit seinen Anhängern befreit und auf das Stadthaus geführt. Allein der Konvent zeigte eine ungeahnte Energie, und als die ihm treuen Nationalgarden das Stadthaus stürmten, versuchte R., sich durch einen Pistolenschuß zu töten, zerschmetterte sich jedoch nur die Kinnlade. Er ward in die Conciergerie geschafft, von wo aus er 10. Thermidor gegen 6 Uhr nachmittags mit 20 Genossen zum Schafott auf dem Eintrachtsplatz gefahren wurde. Sein Sturz bezeichnete das Ende des Schreckensregiments. Robespierres Intelligenz hatte einen beschränkten Gesichtskreis, sein Charakter war durch krankhafte Überreiztheit getrübt. Er war kein Staatsmann, aber ein salbungs- und wortreicher Parlamentsredner. »Œuvres choisies de Max. R.« wurden von Laponneraye und Carrel (Par. 183242, 3 Bde.) und von Vermorel (2. Aufl., das. 1868) herausgegeben. Vgl. Lewes, Life and correspondence of M. R. (Lond. 1869; neue Ausg. 1899); Hamel, Histoire de R. (2. Aufl., Par. 1878, 3 Bde.); Héricault, La révolution de thermidor; R. et le Comité de salut publicen l'an II (das. 1876); Brunnemann, Maximilian R., ein Lebensbild (2. Aufl., Leipz. 1885); Schumm, Maximilian R. (Freiburg 1885); Gallier, R., ses principes, son système politique (Par. 1896); Belloc, R., a study (Lond. 1901).
2) Augustin Bon Joseph, jüngerer Bruder des vorigen, geb. 1764 in Arras, gest. 28. Juli 1794 in Paris, wurde wie sein Bruder Advokat in seiner Vaterstadt. 1792 in den Nationalkonvent gewählt, schloß er sich der radikalen Partei an und stand stets auf der Seite seines Bruders, ohne selbst eine hervorragende Rolle zu spielen. Als Repräsentant des Volkes war er eine Zeitlang im südlichen Frankreich, dann als Kommissar bei der italienischen Armee tätig, wo er mit Bonaparte befreundet wurde. Am 9. Thermidor auf sein Verlangen mit seinem Bruder verhaftet, teilte er dessen Schicksal. Die Schwester beider, Charlotte de R., Gegnerin der Grundsätze ihrer Brüder, weil sie leichtfertig und frivol war, erhielt vom Direktorium eine Pension von 6000 Frank. Unter ihrem Namen wurden in den »Mémoires de tous« (Bd. 4) Memoiren veröffentlicht.