[247] * William Pitt der jüngere, Sohn des großen – für England wol des größten – Staatsministers, war gewiß kein unwürdiger Nachfolger seines berühmten Vaters. Mit ihm allein (geb. d. 8. Mai 1759) beschäftigte sich jener ganz vorzüglich, ob es gleich sein dritter Sohn war. und widmete seiner Erziehung, nach Niederlegung der Ministerstelle, auf seinem Landgute Burton-Pynsent seine ganze Sorgfalt. Im 14. Jahre ging der junge Pitt mit seinem Hofmeister Wilson in das Pembroke-Collegium nach Cambridge, und ward hier, sowol seiner Kenntnisse und seines Fleißes, als auch seines Betragens wegen, ein Muster für die übrigen studirenden Jünglinge. Eben so ehrenvoll vollendete er das juristische Studium zu London, und trat selbst schon mehreremal als rechtlicher Beistand vor Gericht auf. Im Jahr 1780 wurde er zwar bei einer allgemeinen Parlamentswahl zum Repräsentanten der Universität Cambridge vorgeschlagen, es gelang ihm aber nicht; doch erhielt er im folgenden Jahre einen Sitz im Unterhause für den Flecken Appleby. Er vereinigte sich bald gegen den damaligen verhaßten Premierminister Lord North mit der Opposition, und ward der Liebling der Nation, als er auf eine Comittee zu Verbesserung des Parlaments antrug. Als im Jahr 1782 Shelburne an des Marquis von Rockingham Stelle (der kurz zuvor dem Lord North gefolgt war) erster Lord der Schatzkammer ward, vertraute man das Amt eines Kanzlers der Schatzkammer und die damit verbundene Leitung des Unterhauses dem 23jährigen Pitt, zum Erstaunen [247] von ganz England, an. Jetzt waren die ersten Bemühungen der neuen Minister darauf gerichtet, dem Amerikanischen Kriege ein Ende zu machen: Pitt half den Frieden zu Versailles abschließen, und als man, mit den Bedingungen desselben unzufrieden, diese im Parlament heftig anfocht, vertheidigte er sich und seine Collegen in einer meisterhaften Rede, die nicht ganz ohne Erfolg blieb: dennoch mußte Shelburne im Februar des folgenden Jahres, von der Coalition gezwungen, resigniren, und Pitt, als warmer Patriot, entfernte sich ebenfalls von aller Theilnahme an öffentlichen Geschäften. Er machte jetzt eine Reise, besuchte Italien und einige Höfe Deutschlands, kehrte aber, den nahen Fall der Coalition voraussehend, nach einigen Monaten zurück, und ward nun, da wirklich auch For und Lord North sich des Königs Unzufriedenheit zugezogen hatten (1784), in seinem 24. Jahre – erster Lord der Schatzkammer, oder Premierminister. Jetzt trat er mit einer neuen Ostindien-Bill hervor; zwar wurde diese mit 222 gegen 214 Stimmen verworfen, ja die meisten Mitglieder des Unterhauses trugen sogar auf Pitts Entlassung an; allein bei einer deshalb veranstalteten neuen Parlamentswahl blieb die Stimmenmehrheit auf Seiten des jungen Ministers, und Pitt befestigte sich immer mehr in der Liebe des Königs und in der Hochachtung des Volks, besonders da er den ärgerlichen Kabalen der Torys und Whigs (s. d. A.) ein Ende machte, da er mit weiser Sparsamkeit die Fonds verwaltete, bei Besetzung der Staatsämter unpartheiisch, und überhaupt uneigennützig, unermüdet thätig und streng in seinen Grundsätzen zu Werke ging. Sein Commerztractat mit Frankreich verrieth gründliche und ausgebreitete Kenntniß im Handel und in der Staatskunst. Die Gemüthskrankheit des Königs im Jahr 1788 war für seine Ministerschaft eine der mißlichsten Perioden denn die königliche Gewalt mußte gewissermaßen durch eine Regentschaft ersetzt werden. Pitt und seine Collegen setzten aber ihre Maasregeln gegen eine mächtige Opposition bis zur Genesung des Königs durch. Indessen auch Pitt hatte das Loos, endlich doch in der Gunst des wankelmüthigen[248] Volks zu fallen, besonders als er beim Ausbruch des ewig denkwürdigen französischen Revolutionskriegs, wo er, durchaus den dringenden, anhaltenden Vorstellungen der Opposition im Ober- und Unterhause entgegen, schlechterdings die Fortsetzung des Kriegs behauptete, die Lasten der Britten sehr erschweren mußte. Das Volk wollte im Jahre 1796 sein Haus bestürmen, man wollte sein Bildniß verbrennen; nur die königliche Garde brachte den Pöbel aus einander. Pitt resignirte endlich im Jahre 1801, da das Verlangen der brittischen Nation nach Frieden allgemein ward: er bekam 4000 Pfd. Pension und behielt die Oberaufsicht über die fünf Häfen, die ihm auch an 5000 Pfd. eintrug. Unter seinem Nachfolger Addington kam der Friede zu Amiens zu Stande; allein seine Dauer war, wie bekannt, sehr kurz. Man wünschte Pitt wieder am Ruder zu sehen; selbst der König schien den Wunsch ernstlich zu hegen: viele Unterhandlungen wurden gepflogen und zerschlugen sich, bis er denn endlich 1804 (18. Mai) wieder ins Ministerium trat. Der Krieg wurde nun mit allen Anstrengungen aufs neue eröfnet, und die Folgen dieser Anstrengungen sind noch bis jetzt immer in erneuertem Andenken. Indessen aber mußte Pitt der Natur seinen Zoll entrichten: von seiner Erbkrankheit, der Gicht, überfallen, spürte er selbst durch den Gebrauch des Bades zu Bath keine Wirkung, und – seine Auflösung erfolgte am 23. Jan. 1806. Die Nation ließ ihm Gerechtigkeit wiederfahren, sie errichtete ihm ein feierliches Denkmal, und bezahlte seine Schulden, auf 40,000 Pfd. sich belaufend, freiwillig.
Das äußere Ansehen dieses berühmten Staatsmannes hatte nichts Gefälliges, woran besonders sein schmächtiger, langer Körperbau schuld war. (Man erinnert sich hierbei noch gewiß der vielerlei Karrikaturen, unter welchen Gilreys Witz ihn immerfort mit langer, hagerer Figur, spitzem Gesicht etc. in so mancherlei Attitüden erscheinen ließ.) Als öffentlicher Redner würde er, wenn jenes Aeußere und eine biegsame, umfassende Stimme ihm zu statten gekommen wären, unwiderstehlich gewesen sein: er sprach mit Würde und Besonnenheit, [249] und war, auch mitten im Feuer seiner Beredsamkeit, klar und bestimmt, ohne weitläufig zu sein, ohne sich zu wiederholen, und ohne doch ein Argument für seine Sache zu vergessen. Er wählte bei den Debatten im Parlament die passendsten Figuren der Redekunst, und wendete sich bald an den Verstand, bald an die Einbildungskraft der Zuhörer. Die Sprache stand ihm auf eine bewundernswürdige Art zu Gebote, und eine seltene Geistesgegenwart und Kenntnisse aller Art setzten ihn in den Stand, den Gründen seiner Gegner Widerpart zu halten. Seiner Leidenschaften völlig Herr, war er gegen alle Reitze des schönen Geschlechts, gegen gesellige Freuden, gegen öffentliche Lustbarkeiten ganz kalt, und sein einziges, größtes Vergnügen waren die Staatsgeschäfte, denen er rastlos alle Stunden widmete. Uebrigens waren seine Grundsätze edel; Festigkeit und Kaltblütigkeit waren ihm ganz eigen; die strengste Uneigennützigkeit leitete ihn; er lebte sparsam in seinem Hauswesen und geizte mit den Schätzen der Nation. – Noch verdient eine seiner bedeutendsten Unternehmungen hier Erwähnung, wo er nemlich sich vorsetzte, den Papisten in Irland gleiche Rechte mit den Anhängern der hohen Kirche zu verschaffen. Die wichtigsten Vorstellungen und Klagen von Seiten der Protestanten kamen hierwider ein; Pitt, einmal nun gewohnt, nicht nachzugeben, sann auf das Mittel der Vereinigung der Königreiche Grosbritannien und Irland unter einem sogenannten Reichsparlament, welches mit Anbeginn des neuen Jahrhunderts zu Stande kam. Die Aufbebung der Beschränkungen aber für die Katholiken vermochte er dennoch nicht durchzusetzen.
Brockhaus-1809: Pitt der jüngere · William Pitt · Robespierre der jüngere · Anacharsis der jüngere
Brockhaus-1911: Pitt [2] · Pitt
Herder-1854: Heinrich der Jüngere · Pitt [2] · Pitt [1]
Meyers-1905: Plinius der Jüngere · Pitt Press · Pitt
Pataky-1898: Reinhold, die jüngere, Friederike
Pierer-1857: Homēros der Jüngere · Pitt [3] · Pitt [2] · Pitt [1]