Claudius Alexander Graf von Bonneval

[131] Claudius Alexander Graf von Bonneval, unstreitig eine der merkwürdigen Personen des 18ten Jahrhunderts, wurde aus einer angesehenen französischen Familie zu Paris um 1672 geboren. Schon im 16ten Jahre kam er zur adelichen Leibgarde des Königs, zeigte aber bald einen ausschweifenden Hang zu sinnlichen Vergnügungen. Ludwigs XIV. Eroberungssucht gab ihm bald Gelegenheit, sich auf dem Schlachtfelde in dem Treffen zwischen Landen und Neerwinden (29. Juli 1693) mit so vieler Kühnheit [131] zu zeigen, daß man ihm ein Insanteriregiement übertrug, das sich durch ihn bald in der Armee auszeichnete. Man lernte ihn als einen talentvollen und glücklichen Partheigänger kennen; jeder folgte ihm sehr gern, wenn er einen Streifzug that: er genoß daher der Achtung des Marschalls von Luxembourg, und würde, wäre dieser nicht schon 1695 gestorben, bald eine höhere Beförderung erhalten haben; allein jetzt traten für Bonneval bei seinen Unternehmungen mancherlei Hindernisse in den Weg, und nach dem Ryswicker Frieden 1697 wurde sein Regiment, wenn gleich eines der schönsten und tapfersten, ganz abgedankt. Bonneval überließ sich nun ganz einem zügellosen Leben, sprach öfters gegen Hof und Religion, wurde in mehrere Duelle verwickelt, und machte sich immer mehrere Feinde, die nur auf Gelegenheit warteten, ihm zu schaden. Indeß erhielt er, bei Ausbruch des spanischen Successionskrieges 1701, die Erlaubniß, ein Regiment anzuwerben, mit dem er als Oberster nach Italien ging und sich jetzt wieder durch Tapferkeit, aber auch durch Ausschweifungen auszeichnete. Wegen der aus Geldmangel verhängten Erpressungen schlug ihm der französische Kriegsminister weitere Beförderung ab, auf die er um so mehr Anspruch machen zu dürfen glaubte, da er nur erst von einigen erhaltenen Wunden wiederhergestellt war, und er brach daher in die heftigsten Aeußerungen gegen den Hof, den Minister und die berühmte Maintenon (s. Ludwig XIV. und Scarron) aus, und suchte, als er einem Verhaftsbefehle durch schleunige Flucht entgangen war, um seinen Abschied an. Ob nun gleich als Meineidiger seiner Ehre, Würden und Güter, sogar seines Lebens verlustig erklärt, machte dies dennoch keinen sonderlichen Eindruck auf ihn: er lebte an mehreren deutschen Höfen, bewarb sich aber, da er seine Kasse erschöpft sah, um kaiserliche Dienste. Durch Vorsprache des kaiserlichen Geschäftsträgers Tunetti in Rom (nachherigen Marquis von Prie) und dessen Gönner, den berühmten Prinz Eugen, sah er auch seinen Wunsch erfüllt und wurde im J. 1706 als Generalmajor angestellt, focht nun unter Eugen gegen sein Vaterland,[132] drang im Jahr 1708 in den Kirchenstaat vor, wo er Comachio sehr befestigte, auch noch im folgenden Jahre behauptete, ungeachtet die kaiserliche Armee die päpstlichen Lande wieder verlassen hatte. Sowohl hier, als 1711 in Holland, für das kaiserliche Interesse sehr thätig, vergaß er dennoch nicht, in Italien seine Liebschaften fortzusetzen und zugleich den Mönchen Beweise seiner wenigen Achtung gegen sie zu geben. Bei dem endlich 1714 zu Rastadt abgeschlossenen Frieden wurde durch Eugens Vermittelung der gegen Bonneval als Hochverräther verhängte Prozeß vernichtet, und diesem die Rückgabe seiner Güter zwar bewilligt, die er aber, da sie sein Bruder jetzt besaß, trotz eines langen Prozesses mit diesem, nicht wieder erhalten konnte. Bei dem 1716 wieder ausgebrochenen Kriege zwischen Oestreich und den Türken kämpfte Bonneval, kurz zuvor zum Feldmarschall-Lieutenant der Infanterie ernannt, aufs neue in der blutigen und für Oestreich glorreichen Schlacht bei Peterwaradein (5. August 1716) mit großer Tapferkeit, ging, nachdem er auch an der Eroberung von Temeswar Theil genommen hatte, während sein Regiment die Winterquartiere bezog, nach Wien und, sobald es seine Wunden erlaubten, nach Paris, wo er mit vieler Achtung aufgenommen wurde, und sich während seines dortigen Aufenthaltes 1717 mit einem französischen Fräulein vermählte; allein er verließ seine junge Gemahlin sehr bald und sah sie nie wieder, ob er ihr gleich einen standesmäßigen Unterhalt aus seinen Einkünften anwies, und steten Briefwechsel mit ihr unterhielt. Er ging jetzt mit Eugen wieder nach Ungarn und erhielt nach der Schlacht bei Belgrad und der Uebergabe der Festung an der hier gemachten reichen Beute zu seinem Antheil auf 50,000 Thaler. Nach Abschluß des Friedens von Passarowitz (am 21. Juli 1718) erhielt Bonneval die Stelle eines Hofkriegsraths in Wien; allein Leichtsinn, Sinnlichkeit, Hang zu Spöttereien und die herausgenommene Freiheit, sich in Eugens häusliche Angelegenheiten zu mischen, waren Ursache, daß dieser, um ihn zu entfernen, 1723 seine Anstellung als [133] General-Feldzeugmeister in den Niederlanden bewirkte. Bonneval reisete nun, um seine neue Stelle anzutreten, nach Brüssel, aber voll Rachsucht gegen Eugen. Da dessen Günstling, der oben erwähnte Marquis von Prie, jetzt Unterstatthalter der kaiserlichen Niederlande war; so suchte Bonneval durch häufige nach Wien gesendete Klagen über ihn dessen Glück zu untergraben und Eugen selbst dadurch zu kränken. Doch da dieser durch sein Ansehen Bonnevals Absichten vereitelte, und der Marquis ein nachdrückliches Anklageschreiben an den kaiserlichen Hof gegen Bonneval abgehen ließ; so war die Folge, daß der Marquis sich Bonnevals Person bemächtigen und ihn in die Citadelle nach Antwerpen bringen lassen mußte. Bonneval erhielt Befehl, sich in Wien zu stellen und Rechenschaft zu geben: er ging, dem Befehl zuwider, zuerst über den Haag, wo er fast einen Monat blieb, nach Frankreich correspondirte und einen Umgang mit den spanischen und französischen Gesandten unterhielt. Man erfuhr alles in Wien, und der Erfolg war, daß Bonneval, als er endlich seine Reise dahin antrat, ehe er Wien erreichte, als Gefangener auf das Schloß Spielberg in Brünn gebracht, ihm der Prozeß gemacht und durch den Hofkriegsrath das Leben abgesprochen wurde, welches der Kaiser dahin änderte, daß er ein Jahr lang auf dem Spielberg in Arrest bleiben solle, und dann hingehen könne, wo er wolle. Nach Ablauf dieses Jahres wurde er mit dem Verbote, je wieder einen Fuß auf deutschen Boden zu setzen, über die Tyroler Grenze gebracht; er ging nach Venedig, und so sehr er sich einschränkte, so war er doch dem wirklichen Mangel nahe, als ihn ein – wahrscheinlich durch Eugen übersendeter – Wechsel von 5000 Gulden aus der Verlegenheit rettete. Jetzt wieder in eine bessere Lage versetzt, ließ er, nachdem er bald venetianische, bald russische Dienste, wiewohl umsonst, gesucht hatte, der Pforte seine Dienste antragen; und Bonneval ging, nach einem fast zweijährigen Aufenthalte zu Venedig, nach Constantinopel ab. Da ihm der Ruf seiner Thaten sowohl, als die Erzählung, wie menschenfreundlich er einst die gefangenen Türken [134] behandelt habe, vorausging; so nahm man ihn überall sehr gütig auf. In der öffentlichen Audienz vom Großvezier ersucht, seinen Uebertritt zur mahomedanischen Religion zu beschleunigen, weil er dann erst zu einer öffentlichen Audienz bei dem Großsultan gelangen könne, willigte Bonneval, der schon jetzt eine sehr ansehnliche Summe zu seinem Unterhalt erhielt, sehr gern in eine Religionsveränderung, von der er gegen Europäer in der Folge zu sagen pflegte: er habe den Turban mit der Nachtmütze vertauscht. Er erhielt darauf vom Mufti Religionsunterricht, unterwarf sich der Beschneidung, und erhielt nun den Namen Achmet Pascha: sein jährliches Einkommen betrug fast 12,000 Thaler. Indessen, des müßigen Lebens überdrüßig, bewarb er sich um die Stelle eines Commandanten in einer türkischen Festung in Servien; allein der Großvezier hintertrieb seine Anstellung, und nur erst nach dessen Tode wurde Bonneval von dem neuen Großvezier zum Chef der Bombardirer ernannt, in welcher Stelle er die Artillerie des Großsultans in mehrerer Hinsicht zu verbessern suchte. Denn dieses allein war es, worauf ihn theils die Eifersucht mächtiger Paschen, theils die Unentschlossenheit des Sultans, Mahomed V., theils die Abneigung der türkischen Truppen gegen alle Einrichtungen der europäischen Kriegsdisciplin einschränkte, so nützlich er, bei seinem glühenden Hasse gegen Oestreich und bei seiner Thätigkeit und Ehrgeiz, dem türkischen Reiche hätte werden können. Indeß genoß er die Annehmlichkeiten seiner Lage hinlänglich, und starb in der Nacht vom 23sten auf den 24sten März 1747 in einem Alter von 76 Jahren.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 7. Amsterdam 1809, S. 131-135.
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